Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung. fristlos. Betriebsratsanhörung. wiederholte Kündigung. erneute Betriebsratsanhörung. Äußerungsfrist
Leitsatz (amtlich)
Spricht der Arbeitgeber die Kündigung aus, bevor der Betriebsrat im Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG Stellung genommen hat und bevor seine Äußerungsfrist abgelaufen ist, kann er ohne erneute Betriebsratsanhörung keine wirksame spätere Kündigung zu einem Zeitpunkt aus sprechen, zu dem die ursprüngliche Äußerungsfrist abgelaufen wäre: Mit dem vorzeitigen Abbruch ist das Anhörungsverfahren beendet; es gibt keine Äußerungsfrist mehr, die doch noch ablaufen könnte.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 2; BetrVG § 102 Abs. 1 S. 3
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 04.10.1994; Aktenzeichen 12/16 Ca 2570/94) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 04.10.1994 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Köln – 12/16 Ca 2570/94 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Streitwert: unverändert.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer fristlosen, ersatzweise fristgerechten Kündigung vom 24. Februar 1994. Die beklagte Wirtschaftsprüfer- und Steuerberatungsgesellschaft hat sie dem bei ihr als Prüfungsleiter beschäftigten und mit der Durchführung von Jahresabschlußprüfungen betrauten Kläger ausgesprochen, weil sie ihm unerlaubte Nebentätigkeiten vorwirft. Von ihr will sie durch den Zeugen A. Ende Oktober 1993 telefonisch und per 19.11.1993 durch Telekopie (Fax) erfahren haben. Hierüber führte sie mit dem Kläger zwei Gespräche – nämlich am 03. und 22. Dezember 1993 und schrieb ihn zweimal an: unter dem 03.12.1993 (Bl. 45 d.A.) und 15.02.1994 (Bl. 51 d.A.). Nach der Antwort des Klägers unter dem 18.02.1994 leitete sie am selben Tage das Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG durch mündliche Unterrichtung des Betriebsratsvorsitzenden ein. Der Betriebsrat nahm unter dem 21.02.1994 schriftlich Stellung, indem er Bedenken gegen eine fristlose Kündigung erhob; Äußerungen zu einer ordentlichen Kündigung enthält die Stellungnahme nicht (Bl. 85 d.A.). Mit Schreiben vom 24. Februar 1994 (Bl. 10 d.A.) kündigte die Beklagte fristlos, „ersatzweise fristgerecht zum 30.06.1994”. Das Schreiben ging dem Kläger am 01.03.1994 zu. Zuvor hatte sie es dem Kläger unter dem 28.02.1994 mit einem Anschreiben (Bl. 17 d.A.) zugefaxt.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die fristlose, ersatzweise fristgerechte Kündigung vom 24. Februar 1994 nicht aufgelöst wird und über den 30.06.1994 ungekündigt fortbesteht;
- für den Fall seines Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, ihn über den 30.06.1994 hinaus als Prüfungsleiter weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte hat Klageabweisung, hilfsweise Auflösung beantragt und sich auf Verstöße des Klägers gegen das Wettbewerbsverbot berufen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben und den Auflösungsantrag der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihre erstinstanzlichen Prozeßziele weiter. Nunmehr räumt sie allerdings ein, das Kündigungsschreiben bereits am 24. Februar 1994 und damit vor Ablauf der Äußerungsfrist für den Betriebsrat zur Post gegeben zu haben. Dies sei jedoch unschädlich, weil die Telekopie des Kündigungsschreibens erst am 28.02.1994 und damit nach Ablauf der Stellungnahmefrist versandt worden und dem Kläger noch vor der Postsendung zugegangen sei. Bei dem Fax handele es sich um eine eigenständige Kündigungserklärung. In der Sache wiederholt und vertieft die Beklagte die erhobenen Vorwürfe.
Die Beklagte
wiederholt ihre erstinstanzlichen Anträge.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen
und verteidigt die angefochtene Entscheidung.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung, die zu den Akten gereichten Urkunden sowie ergänzend auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hatte in der Sache keinen Erfolg: Zu Recht hat ihr das Arbeitsgericht stattgegeben:
I. Die fristlose Kündigung kann das Arbeitsverhältnis als solche nicht beenden, weil sie nicht innerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 BGB ausgesprochen worden ist. Diese Zwei-Wochenfrist war in Wahrheit bereits abgelaufen, als die Beklagte am 19.11.1993 das Fax des Zeugen A. erhielt. Mangels substantiierten abweichenden Vortrags der insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten ist davon auszugehen, daß das Fax in Schriftform nichts anderes enthielt, als ihr telefonisch bereits Ende Oktober 1993 zugetragen worden war. Die Ausspruchsfrist des § 626 Abs. 2 BGB dient aber nicht dazu, dem Arbeitgeber die Verbesserung seiner Beweissituation zu ermöglichen, sondern ihm Gelegenheit zu gebotenen Aufklärungsmaßnahmen zu geben. Die Beklagte hat aber nicht vorgetragen, welche Aufklärungsmaßnahmen sie zwischen telefonischer und schriftlicher Information getroffen hat – sie hat im Gegenteil das bereits unter dem 02.11...