Entscheidungsstichwort (Thema)

Schulungskosten. Pilot. Ausschluss der Kündigung

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Klausel in allgemeinen Vertragsbedingungen, die den beiderseitigen Ausschluss der ordentlichen Kündigung für den Zeitraum von drei Jahren vorsieht wegen der Kosten einer Schulung zum Erwerb einer Flugmusterberechtigung führt jedenfalls dann zu einer „unangemessenen Benachteiligung” des angestellten Piloten i. S. d. § 307 Abs. 1 BGB, wenn die Bestimmung des Beginns der Dreijahresfrist allein in Händen des Arbeitgebers liegt.

 

Normenkette

BGB § 307

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Urteil vom 27.10.2004; Aktenzeichen 3 Ca 966/03)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 27.10.2004 – 3 Ca 966/03 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

  1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung vom 28.01.2003 nicht beendet worden ist, sondern bis zum 15.02.2003 fortbestand. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
  2. Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an den Beklagten 876,78 EUR zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 01.02.2003. Im übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

II. Im Übrigen wird die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.

III. Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

IV. Die Kosten des Rechtsstreits hat zu 19/20 die Klägerin und zu 1/20 der Beklagte zu tragen.

V. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin, ein Flugzeugunternehmen mit Sitz am Flughafen K, und der Beklagte, ein Pilot, streiten um die Wirksamkeit dreier Kündigungen des Beklagten, um die Wirksamkeit einer Kündigung der Klägerin und um diverse Geldforderungen.

Das klagende Flugzeugunternehmen setzt unter anderem das Flugzeugmuster BAe 146 (Jet für 100 Personen) und das Flugzeugmuster Fokker F 27 (Frachtflugzeug) ein. Aufgrund des schriftlichen Vertrages vom 22.05.2000 wurde der Beklagte als Co-Pilot auf der Fokker F 27 eingestellt. Er verdiente zuletzt ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von 1.843,20 EUR.

Im Dezember 2000 bewarb sich der Beklagte um eine Pilotenstelle für das Muster BAe 146. Hinsichtlich der notwendigen Kosten für eine entsprechende Fortbildung schlossen die Parteien am 20.12.2000 eine Zusatzvereinbarung. Dort heißt es auszugsweise:

„II. § 9 des Arbeitsvertrages wird wie folgt geändert:

1. Das Arbeitsverhältnis ist erstmals nach Ablauf von drei Jahren nach dem ersten Einsatz des Angestellten als zweiter Flugzeugführer auf dem Flugzeugmuster BAe 146 mit den gesetzlichen Kündigungsfristen kündbar.

Das Recht beider Parteien zur fristlosen Kündigung des Arbeitsvertrages bleibt unberührt.

III. Der Arbeitsvertrag wird um folgenden Paragraphen ergänzt:

Aufgrund der hohen von W zu tragenden mit dem Erwerb der Musterberechtigung als zweiter Flugzeugführer auf dem Flugzeugmuster BAe 146 verbundenen Ausbildungskosten von DM 60.000,00 inklusive Mehrwertsteuer haben die Parteien die in § 9 festgelegte Kündigungsfrist vereinbart.

Hält der Angestellte die in § 9 genannte Kündigungsfrist nicht ein oder kündigt W dem Angestellten aus einem von dem Angestellten zu vertretenden wichtigem Grunde, so hat der Angestellte der W den dadurch entstehenden Schaden einschließlich der Kosten von pauschal DM 60.000,00 inklusive Mehrwertsteuer für den Erwerb der Musterberechtigung zu ersetzen, wobei sich die Schadensersatzpflicht des Angestellten bezüglich der Ausbildungskosten pro Monat der Zugehörigkeit zu W ab dem ersten Einsatz des Angestellten als zweiter Flugzeugführer auf dem Flugzeugmuster BAe 146 um 1/36 verringert.

Weiter wird eine Vertragsstrafe in Höhe des Tagesarbeitsverdienstes pro Tag fällig und zwar bis zum dem Tag, an dem bei ordnungsgemäßer Kündigung das Arbeitsverhältnis geendet hätte, höchstens jedoch der Tagesarbeitsverdienst für 60 Tage. Die Vertragsstrafe wird auf eine von dem Angestellten der W zu ersetzenden Schaden angerechnet. Schadensersatzpflicht und Vertragsstrafe finden keine Anwendung für den Fall, dass der Angestellte aus von ihm nicht zu vertretenden gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist, seine Tätigkeit auszuüben. Eine endgültige Entscheidung über die Flugtauglichkeit des Angestellten wird von der fliegerärztlichen Untersuchungsstelle getroffen.”

Auf den gesamten Inhalt der Zusatzvereinbarung (Bl. 17 d. A.) wird Bezug genommen. Alle Kollegen der Beklagten, die eine vergleichbare Fortbildung durchlaufen haben, haben gleichlautende Vertragsformulare unterzeichnet. Der Beklagte absolvierte die Ausbildung erfolgreich. Ab dem 03.05.2001 wurde er auf Weisung der Klägerin auf dem Flugzeugmuster eingesetzt. Die Berechtigung erhielt er bereits am 26.02.2001 (Bl. 47 d. A.).

Der beklagte Pilot kündigte das Arbeitsverhältnis am 17.01.2003 zum 15.02.2003, also gut 21 Monate nach dem ersten Einsatz. Mit Schreiben vom 22.01.2003 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, sie akzeptiere die Kündigung nicht zum 15.02.2003, sondern nur zum frühest möglichen Termi...

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