Entscheidungsstichwort (Thema)
Beachtung des Transparenzgebotes bei Rückzahlungsvereinbarungen über Ausbildungskosten. Fristlose Eigenkündigung bei nachlässigem Umgang des Arbeitgebers mit den gesetzlichen Ruhezeiten für Piloten
Leitsatz (amtlich)
Ein Pilot, dem von seiner Arbeitgeberin nahegelegt wird, es mit den gesetzlichen Ruhezeiten nicht so genau zu nehmen, darf dies als einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses betrachten. In einem solchen Fall hat er das Arbeitsverhältnis nicht aus einem "von ihm zu vertretenden Grund" beendet und eine Rückforderung von Ausbildungskosten aufgrund einer Klausel, die ein solches Vertretenmüssen vorsieht, kommt nicht in Betracht.
Normenkette
ZPO §§ 850a, 850c; BGB §§ 387, 394, 626, 307, 276
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 24.05.2018; Aktenzeichen 6 Ca 5146/17) |
Tenor
I.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 24.05.2018 - 6 Ca 5146/17 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 3.581,41 EUR netto zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.08.2017.
- Die Widerklage wird abgewiesen.
II.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Rückzahlung von Fortbildungskosten und um Entgeltansprüche aus einem Arbeitsverhältnis, das aufgrund arbeitnehmerseitiger fristloser Kündigung des Klägers sein Ende gefunden hat.
Der Kläger ist 50 Jahre alt. Ausweislich der von der Beklagten erstellten Lohnabrechnungen ist er verheiratet und einem Kind zum Unterhalt verpflichtet. Er ist Flugzeugführer. Am 28.09.2016 unterzeichnete er mit der Beklagten, die ein Flugunternehmen betreibt, zwei Vertragsurkunden, nämlich einen Arbeitsvertrag und einen Vertrag zum Erwerb einer Musterberechtigung. Dem letztgenannten Vertrag zum Erwerb der Musterberechtigung für das Flugzeugmuster BAe 146 ist folgende Präambel vorangestellt:
"Herr S hat sich bei der W als verantwortlicher Flugzeugführer auf dem Flugzeugmuster BAe 146 beworben. Da Herr S nicht im Besitz der Lizenz mit der Musterberechtigung für den Flugzeugtyp BAe 146 ist, die W aber grundsätzlich nur Flugzeugführer (Kapitäne und Copiloten) mit entsprechend in der Lizenz eingetragener Musterberechtigung auf den Flugzeugtyp BAe 146 einstellt, wird folgender Ausbildungsvertrag geschlossen und von beiden Parteien durch Unterzeichnung als verbindlich anerkannt...".
In § 3 des Ausbildungsvertrages heißt es wörtlich:
"Die Gesamtkosten betragen voraussichtlich ca. 30.500,00 EUR zzgl. Umsatzsteuer. In diesen Kosten sind die nachfolgenden Kostenarten enthalten.
- Schulung gemäß § 2 ohne Flugtraining |
20.450,00 € |
- Flugtraining |
7.950,00 € |
- Reisekosten |
300,00 € |
- Hotelübernachtungen |
1.800,00 € |
Beendet der Schüler die Ausbildung vor dem Final-Check oder wird die Ausbildung aus von ihm zu vertretenden Gründen vor dem Final-Check beendet oder besteht der Schüler die Prüfung (Checkflug, Final-Check) aus von ihm zu vertretenden Gründen nicht, hat er der W die bis dahin tatsächlich entstandenen Kosten der Ausbildung zzgl. MwSt zurückzuzahlen.
Der gleichzeitig geschlossene Arbeitsvertrag beginnt mit der folgenden Präambel:
"Die W stellt grundsätzlich nur Flugzeugführer (Kapitäne und Copiloten) mit entsprechend in der Lizenz eingetragener Musterberechtigung auf den Flugzeugtyp BAe 146 ein.
Da der Angestellte noch nicht im Besitz der Lizenz mit der Musterberechtigung für den Flugzeugtyp BAe 146 ist, wird der mit heutigem Datum geschlossene Anstellungsvertrag nach deren Vorlage bei der W wirksam, sofern die Vorlage innerhalb von 2,5 Monaten erfolgt. Diese Frist kann überschritten werden für den Fall, dass der Angestellte die diesbezüglichen Gründe nicht zu vertreten hat.".
Weiter sind unter anderem folgende Bestimmungen im Arbeitsvertrag enthalten:
"§ 9 Z. 2:
Ausschlussfristen
Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden. Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb eines Monats nach Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.
§ 11
W stellt dem Angestellten eine Uniform zur Ausübung des Dienstes zur Verfügung.
Der Angestellte trägt die gesamten Kosten der Uniform, wenn das Arbeitsverhältnis vor Ablauf von 18 Monaten aus von ihm zu vertretenden Gründen beendet oder von dem Angestellten gekündigt wird. Die Uniform verbleibt in diesem Fall im Eigentum der W , bis der Angestellte die gesamten Kosten beglichen hat.
Der Angestellte ist nach erfolgter Zahlung berechtigt, die Uniform zu behalten. Gibt der Angestellte die Uniform dennoch an die W zurück, ändert dies nichts ...