Entscheidungsstichwort (Thema)
Annahmeverzug. Freistellung. Betriebsrat. Zustimmungsersetzungsverfahren. Kündigung
Leitsatz (amtlich)
1. Der Arbeitgeber gerät in Annahmeverzug, wenn er für die Dauer des gerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 103 Abs. 2 BetrVG das zu kündigende Betriebsratsmitglied von der Arbeit freistellt.
2. Hat das zu kündigende Betriebsratsmitglied einen Vorgesetzten mit einer Tätlichkeit bedroht, so kann es für den Arbeitgeber zumutbar sein, für die Dauer des Zustimmungsersetzungsverfahrens das Betriebsratsmitglied einem anderen Vorgesetzten zu unterstellen.
Normenkette
BGB § 615 S. 1; BetrVG § 103; BGB § 626
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 07.01.2008; Aktenzeichen 15 Ca 6550/07) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 07. Januar 2008 – 15 Ca 6550/07 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche für einen Freistellungszeitraum.
Die Klägerin, geboren am 10. Juli 1972, ist bei der Beklagten als Kellnerin seit dem 12. April 2001 im Drei-Schicht-Betrieb in K angestellt, zuletzt mit einer monatlichen Vergütung in Höhe von EUR 1.407,08 brutto.
Die Klägerin ist Mitglied des im K. Betrieb gebildeten Betriebsrats.
Das Restaurant wird geleitet von einem Betriebsleiter und zwei Assistenten. Dazu gehört auch die Assistentin Frau P.. Im Regelfall ist eine dieser Personen anwesend. Bei starkem Andrang der Gäste sind zwei Personen im Betrieb tätig.
Es werden 20 Kellner im Drei-Schicht-Betrieb eingesetzt.
Am 20. September 2006 kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen der Klägerin und der Assistentin Frau P., in deren Verlauf die Klägerin Frau P. beleidigt haben soll mit der Bezichtigung, sie lüge immer und irgendwann kämen alle ihre Lügen heraus, sowie der Erklärung, sie solle ihrem Chef den Arsch lecken. Zudem soll sie Frau P. mit folgenden Worten bedroht haben: „Du machst uns nicht fertig. Du bist noch jung, aber warte, bis Du auf die Straße gehst und dann kommt einer …!” Dabei soll sie zur Unterstützung ihrer Drohung demonstrativ ihr Knie nach oben gezogen haben.
Der Betriebsrat verweigerte die Zustimmung zu der von der Beklagten beabsichtigten außerordentlichen fristlosen Kündigung, hilfsweise außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist, des Arbeitsverhältnisses der Klägerin. Daraufhin beantragte die Beklagte beim Arbeitsgericht Köln die Ersetzung der Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin. Diesem Antrag gab das Arbeitsgericht Köln mit Beschluss vom 28. Juni 2007 statt. Die dagegen eingelegte Beschwerde hat das Landesarbeitsgericht Köln durch Beschluss vom 25. April 2008 zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen. Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig.
Die Beklagte hat die Klägerin seit dem Vorfall am 20. September 2006 von der Arbeit freigestellt, zunächst unter Fortzahlung der vertraglichen Vergütung. Nachdem das Arbeitsgericht Köln mit Beschluss vom 28. Juni 2007 die Zustimmung des Betriebsrats ersetzt hat, verweigert die Beklagte für die Zeit ab Juli 2007 die Zahlung von Vergütung.
Mit der vorliegenden Klage, die am 8. August 2007 beim Arbeitsgericht Köln eingegangen ist, verlangt die Klägerin von der Beklagten Zahlung des Entgelts für die Monate Juli 2007 bis November 2007 und von Urlaubsgeld für das Jahr 2007 sowie die Erteilung einer Lohnabrechnung für die Monate August und September 2007.
Die Beklagte verweigert die Zahlung mit der Begründung, nachdem erstinstanzlich die Zustimmung des Betriebsrats zur Kündigung ersetzt worden sei, überwiege ihr Interesse an einer Nichtbeschäftigung der Klägerin bereits für die Zeit bis zum Ausspruch der Kündigung nach rechtskräftiger Entscheidung über den Zustimmungsantrag. Bei einer Weiterbeschäftigung der Klägerin bestehe die Gefahr, dass die Klägerin erneut Vorgesetzte beleidige oder bedrohe, und dadurch der Betriebsfrieden gestört werde.
Das Arbeitsgericht Köln hat durch Urteil vom 7. Januar 2008 der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, zwar stelle das von der Beklagten vorgetragene Verhalten der Klägerin einen schweren Vertragsverstoß dar, der zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung berechtigten könne. Jedoch liege kein derartig grober Verstoß vor, der die Gefährdung von Rechtsgütern der Beklagten oder bei ihr beschäftigter Arbeitnehmer für den Fall befürchten lasse, dass die Klägerin weiterbeschäftigt werde.
Das Urteil ist der Beklagten am 7. Februar 2008 zugestellt worden. Sie hat hiergegen am 3. März 2008 Berufung einlegen und diese – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 7. Mai 2008 – am 7. Mai 2008 begründen lassen.
Sie ist weiterhin der Ansicht, sie sei berechtigt, die Vergütungszahlung für die Zeit ab Juli 2007 zu verweigern. Die vom Arbeitsgericht Köln am 28. Juni 2007 im Zustimmungsersetzungsverfahren durchgeführte Beweisaufnahme habe die Richtigkeit ihrer Vorwürfe ergeben. Dies sei...