Entscheidungsstichwort (Thema)
Geltung des erhöhten Feiertagszuschlags gem. § 4 Nr.6 MTV Chem. Industrie für Arbeiten an beweglichen Feiertagen
Leitsatz (amtlich)
Von dem erhöhten Feiertagszuschlag Nach §4 Ziffer6 MTV Chem. Industrie werden auch Arbeiten an beweglichen Feiertagen erfasst, soweit für andere Arbeitnehmer des Betriebes ein gesetzlicher Lohnfortzahlungsanspruch besteht.
Normenkette
MTV Chemische Industrie § 4
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 20.02.2014; Aktenzeichen 8 Ca 1882/13) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 20.02.2014 - 8 Ca 1882/13 - abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 87,45 € brutto nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 20.03.2013 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe eines Feiertagszuschlags für den 03.10.2012, einem Mittwoch, an dem der Kläger für die Beklagte, einen Betrieb der chemischen Industrie, gearbeitet hat.
Der Kläger ist seit dem 23.02.1988 bei der Beklagten beschäftigt. Er ist Gewerkschaftsmitglied. Sein Stundenlohn betrug zum Zeitpunkt des Feiertags 12,96 €. Die Beklagte war bis zum 31.12.2007 Mitglied im Arbeitgeberverband. Während dieser Zeit war auf das Arbeitsverhältnis Kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit der MTV Chemische Industrie vom 24.06.1992 in der Fassung vom 21.08.2007 anwendbar.
§ 4 MTV regelt folgendes:
1. für Mehrarbeit 25 %
2. für regelmäßige Nachtarbeit 15 %
3. für nichtregelmäßige Nachtarbeit 20 %
4. für Arbeiten an Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen 60 %
5. für Arbeiten am 24. Dezember ab 13 Uhr 100 %
6. für Arbeiten an den Wochenfeiertagen, an denen aufgrund gesetzlicher Bestimmungen der Arbeitsausfall zu vergüten ist; für Arbeiten am 01. Mai, an den Oster-, Pfingst- und Weihnachtsfeiertagen, am Neujahrstag, auch dann, wenn diese Feiertage auf einen Sonntag oder auf einen an sich arbeitsfreien Werktag fallen 150 %
Der Kläger hat am 03.10.2012 7,5 Stunden gearbeitet. Die Beklagte hat ihm hierfür eine Zulage von 60 % gewährt. Der Kläger ist der Ansicht, es sei eine Zulage in Höhe von 150 % zu zahlen. Die rechnerische Differenz der Vergütung beträgt unstreitig 87,45 €.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat den Tarifvertrag dahingehend ausgelegt, dass Wochenfeiertage nur diejenigen Feiertage sein könnten, die in jedem Jahr auf einen Wochentag fielen. Dies seien in Nordrhein-Westfalen insbesondere Christi Himmelfahrt und Fronleichnam.
Der Kläger ist der Ansicht, dass der Tarifvertrag anders auszulegen sei. Die höhere Zulage falle auch für bewegliche Feiertage an, wenn sie auf einen Wochentag im Sinne des Tarifvertrags fielen. Zudem verweist der Kläger auf eine von der Gewerkschaft herausgegebene Tabelle. Die Beklagte bestreitet hierzu, dass diese Tabelle mit dem Arbeitgeberverband abgesprochen sei.
Mit der Berufung beantragt der Kläger,
das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 20.02.2014- 8 Ca 1882/13 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 87,45 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 20.03.2013 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Die zulässige und fristgerechte Berufung des Klägers ist begründet. Der 03.10.2012 stellt einen Wochenfeiertag im Sinne des § 4 Nr. 6 MTV Chemische Industrie dar.
Die Beklagte ist aufgrund beiderseitiger Tarifbindung zunächst kraft Gesetzes zur Anwendung des Tarifvertrages verpflichtet gewesen. Nach ihrem Austritt aus dem Arbeitgeberverband galt der Tarifvertrag in der Form der Nachbindung bis zu seiner Ablösung. Unabhängig von einer eventuellen Ablösung oder Außerkrafttreten dieses Tarifvertrages gilt der Tarifvertrag aber auch im Wege der Nachwirkung nach § 4 TVG weiter, bis eine andere Abmachung getroffen wurde. Da diese nicht festgestellt werden kann, ist § 4 MTV Chemische Industrie in der im Tatbestand festgestellten Fassung auf das Arbeitsverhältnis am 03.10.2012 anwendbar gewesen.
Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben der Tarifnorm zu haften. Bei nicht eindeutigem Wortsinn ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist dabei stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen - ohne Bindung an eine Reihenfolge - weitere Kriterien, wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags oder die praktische Tarifübung, ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabil...