Entscheidungsstichwort (Thema)

Diebstahl. fristlose Kündigung. geringwertige Sachen

 

Leitsatz (amtlich)

Die mehrfache Entwendung und Benutzung von im Betrieb des Arbeitgebers verwendeten Versandmaterial von geringem Wert (hier: 3 Briefumschläge im Wert von 0,03 DM) durch den Arbeitnehmer rechtfertigt in der Regel nicht eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung.

 

Normenkette

BGB § 626; KSchG § 1

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Teilurteil vom 21.01.1999; Aktenzeichen 6 Ca 3528/98)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Teilurteil des Arbeitsgerichts Köln vom 21.01.1999 – 6 Ca 3528/98 – abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 08.04.1998 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger auch über den 30.06.1998 hinaus weiterzubeschäftigen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger zu 1/7, die Beklagte zu 6/7.

 

Tatbestand

Im Betrieb der Beklagten wird Kundenmaterial (Prospekte, Rechnungen, Beilagen und dergleichen) versandfertig gemacht und mit der Post ausgeliefert, wobei der Vorgang überwiegend maschinell erfolgt. Für die maschinelle Verarbeitung sind besondere Briefumschläge erforderlich, die im normalen Schreibwarenhandel nicht erhältlich sind und von einer Spezialfirma in H speziell für die Beklagte hergestellt werden. Diese sind an besonderen Kriterien erkennbar, die der besseren Bearbeitung durch Maschinen dienen, etwa einer gerundeten umschlagbaren Klappe auf der Rückseite und einer nicht bis in die Ecke gehenden Gummierung.

Die Beklagte beschäftigt in ihrem Betrieb regelmäßig mehr als fünf Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden. Der Kläger war seit 1990 als Lagerarbeiter zu einer monatlichen Vergütung von 3.150,– DM tätig.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis gegenüber dem Kläger mit Schreiben vom 08.04.1998 mit der Begründung, der Käger habe Material aus der Firma widerrechtlich mitgenommen und zu privaten Zwecken benutzt. Zwischen den Parteien ist insoweit unstreitig, dass der Kläger drei Briefumschläge der Beklagten mitgenommen und diese für Schreiben, in denen er etwa Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen an die Beklagte versandt hat, benutzt hat. Der Kläger hat gegenüber der Kündigung die am 22.04.1998 bei Gericht eingegangene, am 14.05.1998 zugestellte Kündigungsschutzklage erhoben, mit der er u.a. vorgetragen hat:

Die Kündigung sei schon im Hinblick auf die Geringwertigkeit der von ihm verwendeten Umschläge unwirksam, von denen jeder die Beklagte nicht mehr als einen Pfennig koste. Im Übrigen sei ihm gestattet worden, aus einem im Betrieb der Beklagten vorhandenen Container Briefumschläge mitzunehmen, die dort entsorgt worden seien. Dies habe der Chef vor Weihnachten 1997 ihm mit den Worten erlaubt: „Na klar, frag doch nicht, Du Doof”.

Der Kläger hat beim Arbeitsgericht beantragt,

1) festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 08.04.1998 nicht aufgelöst worden ist;

2) festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 08.04.1998 hinaus fortbesteht;

3) die Beklagte zu verurteilen, ihn auch über den 08.04.1998 hinaus weiterzubeschäftigen;

4) die Beklagte zu verurteilen, an ihn 27.572,80 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit Zustellung zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, die fristlose Kündigung sei angesichts des Diebstahls des Klägers gerechtfertigt, der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt die Erlaubnis erhalten, Briefumschläge mitzunehmen. Hinsichtlich des Vorgangs im Dezember 1997 sei lediglich richtig, dass es um Umschläge aus einem Abfallcontainer gegangen sei. Aus diesem habe der Kläger sich bedienen können. Dort befänden sich aber keine intakten Briefumschläge, sondern nur solche, die entweder schon beschriftet oder bei der maschinellen Bearbeitung beschädigt worden seien. Auch habe der Kläger im Versand der von ihm entwendeten Briefumschläge sogenannte Rollenbriefmarken, die ausschließlich für die maschinelle Verarbeitung produziert werden, verwendet, diese seien am Postschalter nicht erhältlich. Es bestehe der Verdacht, dass er auch diese entwendet habe.

Das Arbeitgericht hat durch ein am 21.01.1999 verkündetes Teilurteil dem Feststellungsantrag zu 1) hinsichtlich der angegriffenen fristlosen Kündigung stattgegeben und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 08.04.1998 nicht vor dem 30.06.1998 aufgelöst worden ist. Im Übrigen hat es den Feststellungsantrag – hinsichtlich der ordentlichen Kündigung sowie den allgemeinen Feststellungsantrag – und die Klage auf Weiterbeschäftigung abgeiwiesen. Wegen der Entscheidungsbegründung wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts, die dem Kläger am 24.06.1999 zugestellt worden ist, hat dieser am 23.07.1999 schriftlich beim Landesarbeitsgericht Berufung eingelegt und diese gleichzeitig beg...

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