Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsanwaltskosten: 1,1-fache Gebühr bei Befassung mit einer noch nicht begründeten Nichtzulassungsbeschwerde nebst Vertretungsanzeige an das BAG vor Zugang der Rücknahme. Der Verstoß gegen das "Kostenschonungsgebot" im Falle einer Nichtzulassungsbeschwerde setzt voraus, dass diese erkennbar fristwahrend eingelegt und noch nicht begründet worden ist
Leitsatz (amtlich)
Zeigt der Prozessvertreter im Rahmen einer noch nicht begründeten Nichtzulassungsbeschwerde der gegnerischen Partei die Vertretung seiner Mandantschaft gegenüber dem Bundesarbeitsgericht an, so löst dies die 1,1-fache Gebühr nach VV 3507 RVG i. V. m. VV 3201 RVG jedenfalls dann aus, wenn die Vertretungsanzeige vor Zugang der Rücknahme der Nichtzulassungsbeschwerde erfolgt.
Normenkette
ZPO § 91; RVG § 17; RVG-VV Nrn. 3507, 3201
Verfahrensgang
ArbG Schwerin (Entscheidung vom 11.09.2019; Aktenzeichen 6 Ca 228/18) |
Tenor
1. Die Beschwerde der Beklagten vom 27.09.2019 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Schwerin vom 11.09.2019 zum Aktenzeichen 6 Ca 228/18 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die weitere Beschwerde gegen diese Entscheidung wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin hat mit Antrag vom 13. August 2019 für das Beschwerdeverfahren bei dem Bundesarbeitsgericht gegen die Nichtzulassung der Revision (Aktenzeichen BAG: 6 AZN 648/19) an Rechtsanwaltsvergütung 487,19 € (1,1-fache Gebühr) geltend gemacht.
Mit Schriftsatz vom 21.06.2019 erhob die Beklagten beim Bundesarbeitsgericht Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 20.03.2019 (3 Sa 186/18). Mit Schriftsatz vom 25.07.2019 nahm die Beklagte die Nichtzulassungsbeschwerde zurück. Daraufhin erging durch das Bundesarbeitsgericht am 01.08.2019 der folgende Beschluss:
1. Die Beklagte ist des eingelegten Rechtsbehelfs der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 20. März 2019 - 3 Sa 186/18 - verlustig und hat die Kosten der Beschwerde zu tragen (entsprechend § 72 Abs. 5 ArbGG i. V. m. §§ 565, 516 Abs. 3 ZPO).
...
Mit Schriftsatz vom 31.07.2019 legitimierte sich der Klägervertreter gegenüber dem Bundesarbeitsgericht zur Durchführung des Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde. Die Rücknahme der Nichtzulassungsbeschwerde ist dem Klägervertreter am 02.08.2019 zugestellt worden.
Mit Beschluss vom 11.09.2019 - der Beklagten zugegangen am 13.09.2019 - setzte das Arbeitsgericht die von der Beklagten gegenüber der Klägerin zu erstattenden Kosten für die Rechtsverfolgung im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht auf 417,19 € fest.
Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer am 27.09.2019 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde.
Die Beklagte ist der Auffassung, es habe seitens der Klägerin keine Veranlassung bestanden, vor Abgabe der Beschwerdebegründung einen Anwalt zu beauftragen. Es sei höchstrichterlich anerkannt, dass die Legitimation eines Verfahrensbevollmächtigten vor Zugang der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Kostenschonungsgebot verstoße. Im Übrigen sei die Rücknahme der Nichtzulassungsbeschwerde zeitlich vor der Legitimation des Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin vor dem BAG erfolgt. Mit Beschluss vom 11.11.2019 hat das Arbeitsgericht der Beschwerde der Beklagten nicht abgeholfen und das Verfahren dem Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern zur weiteren Entscheidung vorgelegt und aufgeführt, ein Verstoß gegen das Kostenschonungsgebot könne bereits deshalb nicht festgestellt werden, weil die Beklagte - insoweit unstreitig - nicht vorgetragen habe, dass die Nichtzulassungsbeschwerde für das Bundesarbeitsgericht bzw. die Klägerin erkennbar lediglich zur Fristwahrung eingelegt worden sei.
Mit Verfügung vom 22.11.2019 ist den Parteien nachgelassen worden, ihre jeweiligen Rechtsstandpunkte binnen vier Wochen weiter zu begründen. Von dieser Möglichkeit haben die Parteien keinen Gebrauch gemacht.
II.
Die zulässige Beschwerde der Beklagten ist nicht begründet.
a) Das Arbeitsgericht hat in der angegriffenen Entscheidung mit zutreffender Begründung zu Gunsten der Klägerin eine 1,1-fache Verfahrensgebühr gemäß VV 3201 RVG i. V. m. VV 3507 RVG bejaht und diesbezüglich u. a. wie folgt ausgeführt:
"Die unterliegende Partei hat gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Gemäß § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO gehören zu den erstattungsfähigen Kosten die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei. Daraus ist zu entnehmen, dass die Partei im Prozess einen Rechtsanwalt zur Hilfe nehmen darf und die dadurch entstandenen Kosten auch erstattungsfähig sind.
Die Notwendigkeit der Einschaltung eines Rechtsanwalts ist aus Sicht einer verständigen Prozesspartei zu beurteilen. Maßgebend ist dabei nicht, ob die Beauftragun...