Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenerstattung gem. § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO auch bei nur vorsorglich eingelegtem Rechtsmittel. Erforderliche Maßnahmen des bestellten Rechtsanwalts zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Licht des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO
Leitsatz (amtlich)
1. Gemäß § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO gehören zu den erstattungsfähigen Kosten die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei. Daraus ist zu entnehmen, dass ein Beteiligter eines Verfahrens, in dem diese Vorschrift Anwendung findet, einen Rechtsanwalt zu Hilfe nehmen darf und die dadurch entstandenen Kosten auch erstattungsfähig sind. Eine Einschränkung dieses Grundsatzes für die Fälle, in denen ein Rechtsmittel nur vorsorglich eingelegt wird, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen.
2. Von der grundsätzlichen Anerkennung der Notwendigkeit der Beauftragung eines Rechtsanwalts zu unterscheiden ist die Frage, welche Maßnahmen der einmal bestellte Rechtsanwalt zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung für notwendig iSv. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO halten darf.
Normenkette
ZPO § 91 Abs. 2 S. 1, Abs. 1 S. 1; RPflG § 11 Abs. 1; RVG § 19 Nr. 9; RVG-VV Nrn. 3201, 3507, 7002
Verfahrensgang
ArbG Emden (Entscheidung vom 15.06.2022; Aktenzeichen 2 Ca 310/19) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Emden vom 15. Juni 2022 - 2 Ca 310/19 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Der Beklagte wendet sich gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 15. Juni 2022, nach welchem er an den Kläger Kosten in Höhe von 1.055,29 € zu erstatten hat.
Die Kläger wandte sich in erster und zweiter Instanz erfolgsreich ua. gegen die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung, begehrte seine Weiterbeschäftigung, die Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses und die Entfernung von zwei Abmahnungen aus der Personalakte.
Nach Zustellung des Berufungsurteils am 15. Dezember 2021 legte der Beklagte am 17. Januar 2022 Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht ein. Mit Schreiben vom gleichen Tag informierte er die Prozessbevollmächtigte des Klägers über die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde und teilte außerdem mit, dass die Einlegung des Rechtsmittels zunächst nur zur Fristwahrung erfolge. Er bat die Klägervertreterin, sich noch nicht beim Bundesarbeitsgericht zu legitimieren und Anträge zu stellen.
Noch vor Ablauf der Begründungsfrist beantragte die Klägervertreterin mit Schreiben vom 11. Februar 2022 die Abweisung der Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht. Unter dem Datum des 15. Februar 2022 nahm der Beklagte die Nichtzulassungsbeschwerde zurück.
Mit Antrag vom 9. März 2022 beantragte der Kläger die Festsetzung der Kosten für das Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde und brachte hier eine 1,1-Verfahrensgebühr nach Nr. 3507 VV RVG in Ansatz sowie die Post- und Telekommunikationspauschale nach Nr. 7002 VV RVG.
Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 15. Juni 2022 (Bl. 312 der Akte) die aufgrund des Beschlusses des Bundesarbeitsgerichts vom 28. Februar 2022 von dem Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten antragsgemäß auf 1.055,29 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz festgesetzt.
Gegen diesen dem Beklagten am 16. Juni 2022 zugestellten Beschluss richtet sich die am 29. Juni 2022 eingelegte Beschwerde des Beklagten, auf deren Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 318 der Akte).
Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde durch Beschluss vom 5. August 2022 (Bl. 328 der Akte) nicht abgeholfen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf Blatt 296 bis 328 der Akte Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 11 Abs. 1 RPflG iVm. § 104 Abs. 3 Satz 1, § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte sofortige Beschwerde des Beklagten ist zulässig. Sie ist form- sowie fristgerecht eingelegt worden (§ 569 ZPO). Der Wert des Beschwerdegegenstands übersteigt 200,- € (§ 567 Abs. 2 ZPO).
Die sofortige Beschwerde ist unbegründet. Eine 1,1 Verfahrensgebühr nach Nr. 3507 VV RVG iVm. Nr. 3201 VV RVG zzgl. der Post- und Telekommunikationspauschale nach Nr. 7002 VV RVG hat der Beklagte zu erstatten.
1.
Gemäß § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO gehören zu den erstattungsfähigen Kosten die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei. Daraus ist zu entnehmen, dass ein Beteiligter eines Verfahrens, in dem diese Vorschrift Anwendung findet, einen Rechtsanwalt zu Hilfe nehmen darf und die dadurch entstandenen Kosten auch erstattungsfähig sind. Eine Einschränkung dieses Grundsatzes für die Fälle, in denen ein Rechtsmittel nur vorsorglich eingelegt wird, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen (vgl. BGH 28. Februar 2013 - V ZB 132/12 - Rn. 11 mwN).
Von der grundsätzlichen Anerkennung der Notwendigkeit der Beauftragung eines Rechtsanwalts zu unterscheiden ist die Frage, welche Maßnahmen der einmal bestellte Rechtsanwalt zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung für notwendig iSv. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO hal...