Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderung des täglichen Arbeitzeitrahmens und Freistellung von der Samstagsarbeit als Anspruch eines Arbeitnehmers
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach § 8 Abs. 1 TzBfG kann ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestanden hat, eine Arbeitszeitverringerung verlangen, soweit betriebliche Gründe nicht entgegenstehen.
2. Ein rollierendes Schichtsystem als Bestandteil des Organisationskonzepts kann einem Teilzeitverlangen entgegenstehen.
Normenkette
GewO § 106 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Schwerin (Entscheidung vom 12.07.2022; Aktenzeichen 6 Ca 73/22) |
Tenor
Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung für die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 12.07.2022 - 6 Ca 73/22 - wird zurückgewiesen.
Gründe
A.
Die Parteien streiten über den täglichen Arbeitzeitrahmen und eine Freistellung von der Samstagsarbeit.
Die im Januar 1989 geborene Klägerin nahm am 01.03.2013 bei der Beklagten eine Beschäftigung als Bäckereiverkäuferin mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden auf. Die Beklagte betreibt in Norddeutschland zahlreiche Verkaufsfilialen, davon mehrere Filialen allein in Schwerin. Nach dem Arbeitsvertrag vom 18.01.2013 kann die Klägerin in sämtlichen Filialen der Beklagten eingesetzt werden. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen richten sich laut Arbeitsvertrag nach der Übung des Betriebes. Des Weiteren ist die Klägerin vertraglich verpflichtet, in dem gesetzlich zulässigen Rahmen Sonntags-, Feiertags- und Mehrarbeit zu leisten.
Die Klägerin war zuletzt langjährig in der Filiale ..., eingesetzt, der zu ihrer Wohnung nächstgelegenen Filiale. Der Arbeitsweg beträgt etwa einen Kilometer. Die Filiale verfügt über ein Café.
Bedingt durch Einschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie galt 2021 das folgende 3-Schicht-Modell:
In der Frühschicht ab 05: 30 Uhr müssen die Mitarbeiterinnen das Frühstück für die Kunden vorbereiten. Zwischen 07: 30 und 08: 30 Uhr ist das Kundenaufkommen am höchsten. Die Spätschicht endet mit dem Säubern von Tischen und Stühlen sowie des Verkaufsbereichs.
Die Klägerin gebar am 18.07.2020 Zwillinge und befand sich bis zum 17.07.2021 in Elternzeit. Anschließend war sie zunächst arbeitsunfähig. Die Kinder besuchen eine in Wohnortnähe befindliche Kindertagesstätte, die nach den Feststellungen des Arbeitsgerichts seinerzeit montags bis freitags von 07: 00 bis 17: 00 Uhr geöffnet hatte. In Schwerin befindet sich zumindest 1 Kita, die länger geöffnet ist, nämlich montags bis freitags von 05: 30 Uhr bis 20: 00 Uhr und samstags von 05: 30 bis 17: 00 Uhr.
Mit Schreiben vom 27.09.2021 erteilte die Beklagte der Klägerin eine Abmahnung, weil sie an diesem Tag nicht zur Arbeitsaufnahme um 05: 30 Uhr erschienen war und bis jedenfalls 12: 15 Uhr eine weitere Arbeitsunfähigkeit nicht mitgeteilt hatte.
Mit Schreiben vom 17.12.2021 beantragte die Klägerin, ab dem 11.01.2022, dem voraussichtlichen Ende ihrer Arbeitsunfähigkeit, nur noch an den Wochentagen Montag bis Freitag und nur noch zwischen 07: 40 Uhr und 16: 40 Uhr eingesetzt zu werden. Darüber hinaus beantragte sie zum 01.04.2022 eine Arbeitszeitverkürzung auf 35 Wochenstunden, abzuleisten ebenfalls in dem oben genannten Zeitrahmen. Zur Begründung berief sie sich auf ihre Betreuungspflichten als alleinerziehende Mutter. Die Klägerin erschien am 11.01.2022 um 07: 40 Uhr zur Arbeitsaufnahme in der ..., wo sie von der stellvertretenden Filialleiterin nach Hause geschickt wurde.
Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 11.01.2022 zwar nicht die beantragte Arbeitszeitverkürzung ab, widersprach jedoch den beantragten Arbeitszeiten. Zur Begründung verwies sie auf die vergleichbare Position der übrigen Mitarbeiterinnen, ebenfalls mit kleinen Kindern. Des Weiteren forderte sie die Klägerin auf, am 12.01.2022 ihren Dienst zur Frühschicht um 05: 30 Uhr in der Filiale ... anzutreten. Da die Klägerin dem nicht nachkam, erteilte die Beklagte ihr mit Schreiben vom 21.01.2022 eine Abmahnung (Anlage K 5). Mit der Abmahnung wies sie die Klägerin an, in der Filiale ... zu den folgenden Schichtzeiten zu arbeiten:
Tag |
Arbeitszeit |
Dienstag, 25.01.2022 |
05: 30 Uhr bis 13: 30 Uhr |
Mittwoch, 26.01.2022 |
05: 30 Uhr bis 13: 30 Uhr |
Donnerstag, 27.01.2022 |
05: 30 Uhr bis 13: 30 Uhr |
Freitag, 28.01.2022 |
11: 00 Uhr bis 19: 00 Uhr |
Samstag, 29.01.2022 |
11: 00 Uhr bis 19: 00 Uhr |
Dem kam die Klägerin nicht nach.
In der Filiale sind neben der Klägerin drei weitere Stammmitarbeiterinnen beschäftigt, nämlich:
- Frau ... mit 2 Kindern im Alter von 3 und 8 Jahren (Stand Anfang 2022),
- Frau ... mit 1 Kind im Alter von 3 Jahren (Stand Anfang 2022) und
- Frau ... mit 1 Kind im Alter von 2 Jahren (Stand Anfang 2022).
Nachdem die Cafés wieder öffnen durften, etwa Mai 2022, besetzte die Beklagte die Filiale Marienplatz wie folgt:
Die Filiale schloss um 19: 00 Uhr. Für Nacharbeiten sah die Beklagte eine weitere halbe Stunde vor.
Die Klägerin beantragte im Januar 2022 Sozialleistungen und ...