Entscheidungsstichwort (Thema)
Einigungsstelle. Ermessensüberschreitung. Mitbestimmung. Arbeitszeit. Tarifauslegung
Leitsatz (redaktionell)
Der Tarifvertrag Nr. 75c bei der Deutschen Post AG vom 11.10.2000 stellt in § 4 Abs. 4 eine abschließende Regelung i.S.v. § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG dar. Das hat zur Folge, dass bei einer Überschreitung von weniger als 2,5 Stunden der individuellen Wochenarbeitszeit kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht.
Normenkette
BetrVG § 76 Abs. 5 S. 3, § 87 Abs. 1 S. 1, Abs. 1 Nr. 2; TVG § 1
Verfahrensgang
ArbG Neubrandenburg (Beschluss vom 07.11.2001; Aktenzeichen 2 BV 10/01) |
Nachgehend
Tenor
I.
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1. wird der Beschluss des Arbeitsgerichtes Neubrandenburg vom 07.11.2001 – 2 BV 10/01 – wie folgt abgeändert:
Es wird festgestellt, dass der Spruch der Einigungsstelle der Niederlassung Produktion B. N. vom 04.09.2001 unwirksam ist.
II.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Arbeitgeberin und der Betriebsrat streiten in dem vorliegenden Verfahren über die Wirksamkeit eines Spruches der Einigungsstelle vom 4. September 2001 (Blatt 48 f der Akten). Diese Einigungsstelle ist bei der Arbeitgeberin in der Angelegenheit „Arbeitszeitfragen im Zusammenhang mit der Umsetzung des TV 75 c in der Niederlassung B. N.” gebildet worden.
Dieser Tarifvertrag 75 c regelt die Arbeitszeit für zirka 5.000 Zusteller in Deutschland im Rahmen eines Pilotprojektes grundsätzlich anders wie für die übrigen Zusteller. Traditionell wurde und wird die Arbeitszeit der Zusteller bemessen, d.h. für jeden Zustellbezirk wird unter Verwertung diverser Parameter festgestellt, wie viel Zeitaufwand mit der Zustellung der Sendungsmengen im Jahresdurchschnitt zu veranschlagen ist. Dieser Wert wird sodann als Arbeitszeit des Zustellers in diesem Bezirk angesehen. Da die Arbeitnehmer und ihre Vertreter derzeit das Vertrauen in die Gerechtigkeit dieses Systems verloren haben, ist nunmehr im Bereich des TV 75 c die sogenannte Ist-Zeit-Erfassung eingeführt worden. In den Zustellstützpunkten, in denen dieser Tarifvertrag gilt, wird daher nunmehr die Arbeitszeit anhand ihres tatsächlichen Verbrauchs ermittelt. Als Arbeitszeit zählt jetzt die Zeit vom Dienstbeginn bis zum Ende des Dienstes ausschließlich der (unbezahlten) Pausen. Außerdem führt der TV 75 c die Gruppenarbeit ein. Mehrere Zusteller werden zu Gruppen zusammengefasst und dieser Gruppe werden eigene Rechte und Pflichten zugeordnet.
In § 4 Abs. 5 des TV 75 c heißt es:
„(4) Über Anträge auf Freizeitgewährung ist innerhalb von einer Woche zu entscheiden. Eine Ablehnung des Antrags ist dem Arbeitnehmer unter Angabe der Gründe mitzuteilen.
Soweit das Arbeitszeitkonto des Arbeitnehmers Mehrleistungen über die Höhe der einfachen individuellen Wochenarbeitszeit hinaus ausweist, sind Anträge auf Freizeitgewährung zu genehmigen, soweit keine zwingenden betrieblichen Gründe entgegenstehen.
Soweit das Arbeitszeitkonto des Arbeitnehmers Mehrleistungen in Höhe der 2,5-fachen individuellen Wochenarbeitszeit ausweist, darf der Arbeitnehmer zu keinen weiteren Mehrleistungen herangezogen werden, bis zwischen den Betriebsparteien eine Freizeitausgleichsplanung vorgenommen wurde. Durch Betriebsvereinbarung können Mehrleistungen, die auf Grund der täglichen Verkehrsmengenschwankungen entstehen, ausgenommen werden. Ein für einen späteren Zeitpunkt festgelegter Freizeitausgleich wird wie eine bereits erfolgte Freizeitgewährung gewertet. Eine Veränderung der Freizeitausgleichsplanung kann nur zwischen den Betriebsparteien vereinbart werden.”
Zwischen der Arbeitgeberin und dem bei ihr gebildeten Betriebsrat wurde in Umsetzung des TV 75 c im Rahmen der Verhandlungen vor der Einigungsstelle eine Betriebsvereinbarung geschlossen, in der es unter § 4 Abs. 2 heißt:
„(2) Thema: Schwellenwerte für Mehrarbeitsverbot in Abhängigkeit vom Stand des Stundenkontos und vom Stand der Freizeitausgleichsplanung – Verfahren: Über diesen Punkt soll die Einigungsstelle durch Beschluss entscheiden.”
Der angefochtene Spruch der Einigungsstelle hat zu § 4 Abs. 2 der Betriebsvereinbarung folgende Fassung vorgesehen:
„Wird für Beschäftigte, deren Mehrarbeitshöhe die einfache WAZ erreicht oder überschritten hat und die einen Antrag auf Freizeitabwicklung gestellt haben, nicht innerhalb einer Woche nach Antragstellung im Verfahren nach Absatz 3 zwischen den Betriebsparteien der Freizeitausgleich einvernehmlich geregelt, darf der Beschäftigte zu weiterer Mehrleistung nicht herangezogen werden. Beschäftigte, deren Mehrleistungshöhe die 1,5-fache WAZ ereicht hat, dürfen ohne einvernehmliche Freizeitausgleichsplanung nach Absatz 3 nicht zu Mehrleistungen herangezogen werden.”
Hinsichtlich der Begründung wird auf den Beschluss der Einigungsstelle Bezug genommen. Der Spruch der Einigungsstelle ist der Arbeitgeberin am 02.10.2001 zugegangen. Der Antrag auf Unwirksamkeitserklärung des Spruches der Einigungsstelle, der am 16....