Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensersatzansprüche des Arbeitgebers wegen nicht weisungsgemäß erbrachter Arbeitsleistung

 

Leitsatz (redaktionell)

Nach § 628 Abs. 2 BGB ist derjenige, der durch sein schuldhaftes vertragswidriges Verhalten die außerordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses gemäß § 626 Abs. 1 BGB durch den Vertragspartner veranlasst hat, diesem zum Ersatz des durch die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses entstehenden Schadens verpflichtet. Der Vertragsteil, der die Auflösung des Vertrages verschuldet hat, muss gemäß § 249 Satz 1 BGB den anderen so stellen, als wäre das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß durch fristgemäße Kündigung beendet worden. Ein Schaden kann auch der entgangene Gewinn sein, sofern dieser durch die vorzeitige Aufhebung des Dienstverhältnisses entstanden ist. Erkrankt allerdings ein Arbeitnehmer in dem Zeitraum bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist, fehlt es während dieser Zeiten an einem, durch die vorzeitige Vertragsauflösung bedingten Schaden.

Fordert der Arbeitgeber nach § 280 Abs. 1, § 619a BGB Schadensersatz vom Arbeitnehmer, hat er dementsprechend sowohl die Pflichtverletzung als auch Vorsatz oder Fahrlässigkeit sowie den Schaden und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für den Schaden darzulegen und ggf. zu beweisen.

 

Normenkette

BGB § 280 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Stralsund (Entscheidung vom 29.11.2022; Aktenzeichen 2 Ca 122/22)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 29.11.2022 - 2 Ca 122/22 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten zweitinstanzlich noch über Schadensersatzansprüche der Arbeitgeberin wegen nicht bzw. nicht weisungsgemäß erbrachter Arbeitsleistung.

Die Klägerin bietet Dienstleistungen im Ingenieurbereich an und überlässt gewerbsmäßig Arbeitnehmer. Mit Arbeitsvertrag vom 24./28.07.2021 stellte sie den 1975 geborenen Beklagten mit Wirkung zum 01.09.2021 als Projektingenieur ein. Der Beklagte ist als SPS- und KI-Programmierer tätig. Er ist zudem Geschäftsführer eines eigenen Unternehmens. Die Parteien vereinbarten eine regelmäßige Wochenarbeitszeit von 40 Stunden bei einer monatlichen Vergütung von € 6.378,84 brutto, zahlbar spätestens am dritten Werktag des Folgemonats. Die Klägerin überließ den Beklagten an die B.AG, Standort L-Stadt, zwecks Einsatzes in der Planung der Steuerungstechnik von Produktionssystemen für Hochvoltspeicherzellmodule (Projektbezeichnung MP08).

Der Beklagte trat den Dienst am Mittwoch, 01.09.2021, im B.-Werk L-Stadt an und war dort von 10: 30 bis 17: 00 Uhr tätig. Er erhielt von der Entleiherin einen Laptop nebst Netzteil, ein altes iPhone ohne Ladegerät inklusive SIM-Karte, einen Kopfhörer und einen Werksausweis. Das iPhone diente der Zwei-Faktor-Authentifizierung, um mit dem Laptop auf das Netzwerk bei BMW zugreifen zu können.

Am 02./03.09.2021 blieb der Beklagte in seinem Hotel und teilte dem Projektleiter im B-Werk, Herrn M., mit E-Mail vom 02.09.2021, 07: 17 Uhr mit, an Magen-Darm-Problemen zu leiden. Zugleich erklärte er sich bereit, dennoch an den Trainings zu arbeiten und an Meetings per Teams teilzunehmen. Mit einer weiteren E-Mail vom 02.09.2021, 10: 24 Uhr, unterrichtete er Herrn F., den Leiter Steuerungstechnikplanung im B-Werk L-Stadt, über die fehlgeschlagene Anmeldung auf dem iPhone mittels des sechsstelligen Codes auf dem Briefumschlag und bat um Benennung eines Ansprechpartners in der IT zwecks Lösung des Problems.

Am Montag, 06.09.2021, 13: 38 Uhr, teilte der Beklagte Herrn S. im B-Werk per Mail mit, wegen des Magen-Darm-Infekts noch nicht reisefähig zu sein und im Home-Office zu arbeiten. Darüber hinaus wies er nochmals darauf hin, dass das iPhone die mitgeteilte sechsstellige PIN nicht akzeptiere und er deshalb keinen Zugang habe. Am Nachmittag desselben Tages suchte der Beklagte eine Fachärztin für Allgemeinmedizin auf, die ihm eine voraussichtliche Arbeitsunfähigkeit bis zum 12.09.2021 bescheinigte. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung übersandte der Beklagte noch am Abend des 06.09.2021 per Mail sowohl an die Klägerin als auch an das B-Werk und teilte mit, an Fieber und Schüttelfrost zu leiden. Die weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Zeitraum vom 13. - 15.09.2021 leitete der Beklagte der Klägerin per Mail am 14.09.2021 zu. Trotz Arbeitsunfähigkeit nahm der Beklagte am 15.09.2021 online an einer Besprechung teil, woraufhin er am 16.09.2021, 12: 09 Uhr, von Herrn M. die folgende E-Mail erhielt:

"...

Hallo [Beklagter],

wie im Call am 15.09. besprochen ist die Arbeit an den Zuganker-Maschinen sinnvoll für das MP8-Projekt, bitte teile uns noch mit wann Du wieder in L-Stadt sein kannst.

..."

Bei den Zugankern handelt es sich um Aluminiumprofile, auf denen die Batteriezellen montiert werden. Dazu werden die Profile in einer bestimmten Weise maschinell geformt, gestanzt und gelocht. Hergestellt werden die Zuganker in einem Werk in Zarnovica/Slowakei. Die Maschine für deren P...

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