Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitgebervereinigung. Tarifvertrag. OT-Mitgliedschaft. Satzung. Sonderzuwendung. Referenzzeitraum. Anwartschaft. Krankengeld. OT-Mitgliedschaft im Einzelhandelsverband Nord e.V.. Sonderzuwendung nach § 12 Manteltarifvertrag Einzelhandel Mecklenburg-Vorpommern. Unbillige Kürzung tariflicher Sonderzuwendung bei Bezug von Krankengeld infolge Erkrankung eines Kindes. Mitgliedschaft ohne Tarifbindung im Einzelhandelsverband Nord e.V.

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die wirksame Begründung einer OT-Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband setzt voraus, dass es für diese Mitgliedschaftsform zu dem Zeitpunkt, zu dem sie begründet werden soll, eine wirksame satzungsmäßige Grundlage gibt (BAG 20. August 2009 - 4 AZR 300/08). Die Satzung des Einzelhandelsverbandes Nord e. V. in der Fassung vom 21. Dezember 2006 erfüllt die dazu von der Rechtsprechung entwickelten Vorgaben trotz der sehr allgemein gehaltenen Regelungen zur Trennung der Befugnisse von OT- und Vollmitgliedern (ebenso LAG Mecklenburg-Vorpommern Urteile vom 6. Oktober 2011 - 1 Sa 76/11 - und - 1 Sa 77/11).

2. Soweit die Satzung des Einzelhandelsverband Nord e.V. darauf abstellt, dass Vollmitglieder in den Status des OT-Mitgliedes wechseln können, schließt das nicht aus, neue Mitglieder unmittelbar im Status eines OT-Mitglieds aufzunehmen (ebenso LAG Mecklenburg-Vorpommern Urteile vom 6. Oktober 2011 aaO.).

3. Nach § 13 des Manteltarifvertrages für den Einzelhandel in Mecklenburg-Vorpommern, abgeschlossen zwischen dem Einzelhandelsverband Nord e.V. und der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Landesbezirk Nord, (MTV) steht den Arbeitnehmern einmal jährlich eine Sonderzuwendung in Höhe eines halben Monatsentgelts zu. Die weiteren Regelungen in § 12 sind so auszulegen, dass der Anspruch lediglich gekürzt entsteht, wenn im Referenzeitraum (Kalenderjahr) für ganze Kalendermonate kein Entgeltanspruch besteht. Pro vollem Kalendermonat ohne Entgeltanspruch im Referenzzeitraum reduziert sich der Anspruch auf die Sonderzuwendung um 1/12.

4. Die weitere Option für den Arbeitgeber aus § 12.3 Satz 2 MTV, die Sonderzuwendung auch dann zu kürzen, wenn die Ausfallzeit keinen ganzen Kalendermonat umfasst, sondern die Arbeitsleistung nur für einige Tage in einem oder mehreren Kalendermonaten entfallen ist, ist nur eröffnet, wenn diese Ausfallzeiten in Zusammenhang mit Ausfallzeiten stehen, die zu ganzen Kalendermonaten ohne Entgelt geführt haben.

5. Die Kürzungsoption aus § 12.3 Satz 2 MTV kann nur nach billigem Ermessen im Sinne von § 315 BGB ausgeübt werden (so schon Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 2. Juni 2005 - 1 Sa 551/04, 16. Mai 2008 - 3 Sa 20/08, 1. Dezember 2009 - 5 Sa 102/09). Eine Kürzung der Sonderzuwendung wegen Ausfallzeiten, für die die Arbeitnehmerin das besondere Krankengeld nach § 45 SGB V erhalten hat (Krankengeld bei Erkrankung des Kindes), kommt nach diesem Maßstab nicht in Betracht.

 

Normenkette

MTV Einzelhandel Mecklenburg-Vorpommern § 12; SGB V § 45; BGB § 315; TVG § 1; GG Art. 9 Abs. 3; BGB §§ 25, 611 Abs. 1; TVG § 3 Abs. 1; MTV Einzelhandel Mecklenburg-Vorpommern § 12 Abs. 3 Sätze 1-2, § 13

 

Verfahrensgang

ArbG Rostock (Entscheidung vom 18.08.2011; Aktenzeichen 2 Ca 1038/10)

 

Tenor

1. Auf die klägerische Berufung wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin weitere Sonderzuwendungen in Höhe von 156,34 Euro für das Jahr 2009 zuzüglich 211,06 Euro für das Jahr 2010 beides nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

4. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten einerseits um die Frage der Tarifbindung der beklagten Arbeitgeberin und andererseits um die Frage, ob die Beklagte berechtigt war, die Sonderzuwendung für die Klägerin in den Jahren 2009 und 2010 wegen deren Fehlzeiten zu kürzen.

Die 1976 geborene verheiratete Klägerin, Mutter zweier Kinder, begründete 1999 ein Arbeitsverhältnis mit der M. GmbH & Co. OHG (im Folgenden: M.). M. war zu diesem Zeitpunkt durch Mitgliedschaft im Einzelhandelsverband Nord e.V. an die Tarifverträge für den Einzelhandel in Mecklenburg-Vorpommern gebunden. Auch der Arbeitsvertrag vom 30. August 1999 verweist in verschiedenen Regelungen auf den "jeweils gültigen Manteltarifvertrag". § 14 des Arbeitsvertrages (Kopie als Anlage 1 überreicht, hier Blatt 8 ff) mit der Überschrift "Tarifliche Regelungen, Betriebsvereinbarungen" lautet im Unterpunkt 1 wörtlich:

"Es wird vereinbart, dass auf das Arbeitsverhältnis ergänzend die Bestimmungen des Manteltarifvertrages sowie des Lohn- und Gehaltstarifvertrages, jeweils in der letzten gültigen Fassung, Anwendung finden. Gleiches gilt für Betriebsvereinbarungen; sie gelten ebenfalls in der jeweils gültigen Fassung".

Die Parteien haben im Arbeitsvertrag einen Arbeitsumfang von 77 Prozent einer Vollzeitkraft (30 Wochenstunden) vereinbart, eine Regelu...

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