Entscheidungsstichwort (Thema)

Eigenmächtige Pausennahme als Arbeitsverweigerung. Darlegungs- und Beweislast im Kündigungsschutzprozess bei einer verhaltensbedingten Kündigung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Einzelfallbezogene Ausführungen zu der Frage, ob die Arbeitnehmerin einen Arbeitszeitbetrug begangen hat.

2. Der eigenmächtige weisungswidrige Antritt einer Pause kann unter dem Gesichtspunkt der beharrlichen Arbeitsverweigerung gegebenenfalls eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Legt der Arbeitnehmer eigenmächtig eine Pause ein, weil er in der vorgesehenen Pausenzeit durcharbeiten musste, kann im Regelfall die Beharrlichkeit der Arbeitsverweigerung nicht festgestellt werden.

3. Der Arbeitgeber trägt im Kündigungsschutzprozess die Darlegungs- und Beweislast auch dafür, dass solche Tatsachen nicht vorgelegen haben, die das Verhalten des Arbeitnehmers gerechtfertigt oder entschuldigt erscheinen lassen (BAG 21. Mai 1992 - 2 AZR 10/92 - BAGE 70, 262; BAG 18. Oktober 1990 - 2 AZR 204/90). Will der Arbeitnehmer geltend machen, er sei aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen gehindert gewesen, seine Pflichten ordnungsgemäß zu erfüllen, muss er diese Gründe genau angeben (BAG 3. November 2011 - 2 AZR 748/10 - AP Nr. 65 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung = DB 2012, 926). Trägt der Arbeitnehmer ausreichend konkret einen Sachverhalt vor, der ihn entlastet, ist es am Arbeitgeber nun nachzuweisen, dass das Entlastungsvorbringen nicht zutrifft.

 

Normenkette

KSchG § 1; BGB § 626; GewO § 106

 

Verfahrensgang

ArbG Stralsund (Entscheidung vom 12.12.2017; Aktenzeichen 13 Ca 76/17)

 

Tenor

1. Die Berufung wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Frage, ob die beklagte Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis zur Klägerin, das ordentlich nicht mehr kündbar ist, durch zwei außerordentliche Kündigungen aus wichtigem Grund im Sinne von § 626 Absatz 1 BGB wirksam beendet hat.

Die Klägerin ist seit September 1983 im Krankenhaus in A-Stadt beschäftigt. Sie wurde dort zur Krankenschwester ausgebildet und ist sodann dort als Krankenschwester tätig geworden. Aufgrund eines Änderungsvertrages aus dem Jahre 2005 (Anlage BB1, hier Blatt 241) war die Klägerin nur noch mit der Hälfte ihrer regelmäßigen Arbeitszeit in der Krankenpflege eingesetzt. Mit der anderen Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit wird die Klägerin in der Funktion einer Sozialarbeiterin im Sozialdienst des Krankenhauses beschäftigt. Von April 2009 an wurde die Klägerin nur noch im Sozialdienst eingesetzt. Seit dem Jahre 2014 wird die Klägerin weiterhin zur Hälfte ihrer Arbeitszeit im Sozialdienst eingesetzt und zur anderen Hälfte im Funktionsbereich. Dort ist sie an der Erstellung von EKG und an der Anwendung anderer diagnostischer Erkenntnisverfahren beteiligt.

Das Krankenhaus ist nach der Landesgründung 1990 zunächst in kommunaler Trägerschaft betrieben worden. Ab 1993 stand das Krankenhaus in der Trägerschaft einer GmbH, die aufgrund ihrer Mehrheitsgesellschafter dem Bereich der Diakonie der Evangelischen Kirche zuzuordnen war. Einzelheiten des Trägerwechsels sind nicht bekannt. Diese GmbH und eine weitere GmbH aus dem Bereich der Diakonie, die seinerzeit unter anderem das benachbarte Krankenhaus in B-Stadt betrieben hatte, gründeten in den ersten Jahren nach der Jahrhundertwende eine weitere GmbH, die mit dem Namen Kliniken A-Stadt-B-Stadt gGmbH im Handelsregister eingetragen wurde. Diese GmbH ist die Beklagte im hiesigen Rechtsstreit, sie hat sich inzwischen einen anderen Namen gegeben.

Im April 2003 ist das Krankenhaus in A-Stadt ebenso wie das Krankenhaus in B-Stadt begleitet durch einen Personalüberleitungsvertrag im Wege des Betriebsübergangs nach § 613a BGB auf die Beklagte übertragen worden. Ungefähr ein Jahr später ist die Mehrheit der Gesellschaftsanteile der Beklagten an ein Unternehmen des Unternehmensverbundes übertragen worden, der heute den Namen der Beklagten prägt. Es handelt sich um einen Unternehmensverbund, der deutschlandweit, möglicherweise auch in anderen Ländern, Krankenhäuser und Kliniken aller Art mit privatwirtschaftlicher Zielsetzung betreibt.

Die Beklagte beschäftigt im Krankenhaus in A-Stadt bedeutend mehr als 10 Arbeitnehmer. Es besteht ein Betriebsrat.

Die Klägerin ist mit 40 Stunden in der Woche vollzeitbeschäftigt und sie verdient derzeit rund 2.400 Euro brutto monatlich. Zwischen den Parteien ist allerdings noch ein weiterer Rechtsstreit um die vertragsgemäße Vergütung der Klägerin anhängig, bei dessen Erfolg das Einkommen der Klägerin grob überschlagen auf deutlich über 3.000 Euro brutto ansteigen könnte (nach Zurückverweisung auf Grund des Urteils des BAG vom 21. Juni 2018 - 6 AZR 38/17 - nunmehr wiederum anhängig beim Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern unter dem Aktenzeichen 5 Sa 195/18).

Aufgrund einer arbeitsvertraglichen Bindungsklausel finden auf das Arbeitsverhältnis auch heute noch die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Eva...

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