Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksamkeit einer Kündigung in der Elternzeit. Unwirksamkeit der Kündigung nach Aufhebung der behördlichen Zustimmung. Keine Aussetzung des Verfahrens wegen noch anhängigem Verwaltungsrechtsstreit zur behördlichen Zustimmung
Leitsatz (amtlich)
1. Wird der Bescheid, mit dem die zuständige Behörde eine Kündigung während der Elternzeit für zulässig erklärt hat, im Widerspruchsverfahren aufgehoben, ist die Kündigung nach § 18 Abs. 1 Satz 3 BEEG unwirksam. Das gilt auch dann, wenn der die Zulässigkeitserklärung aufhebende Widerspruchsbescheid noch nicht bestandskräftig ist.
2. Eine Aussetzung des Rechtsstreits nach § 148 Abs. 1 ZPO bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den die Zulässigkeitserklärung aufhebenden Widerspruchsbescheid kommt aufgrund des arbeitsrechtlichen Beschleunigungsgrundsatzes regelmäßig nicht in Betracht.
Normenkette
BEEG § 18 Abs. 1; ZPO §§ 148, 237, 91a; ArbGG § 61a Abs. 1, § 9 Abs. 1; ZPO §§ 238, 97 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Stralsund (Entscheidung vom 23.09.2020; Aktenzeichen 11 Ca 262/19) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund (Kammern Neubrandenburg) vom 23.09.2020 - 11 Ca 262/19 - wird im noch anhängigen Umfang zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung während der Elternzeit.
Die im April 1988 geborene Klägerin nahm am 21.09.2018 bei der Beklagten, die ein Kaffeehaus betreibt und durchschnittlich 3 Arbeitnehmer beschäftigt, eine Tätigkeit als Konditorin, Köchin, Küchen- und Servicefachkraft auf. Der Arbeitsvertrag vom 23.09.2018 sieht eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden bei einem monatlichen Gehalt von € 1.548,00 brutto vor.
Mit Schreiben vom 17.01.2019 sprach die Gynäkologin der Klägerin gemäß § 3 MuSchG ein individuelles Beschäftigungsverbot zum 20.01.2019 aus. Am 06.03.2019 gebar die Klägerin einen Sohn. Es handelte sich um eine Frühgeburt mit einem Geburtsgewicht von 2.890 g und bescheinigter wesentlich erweiterter Pflegebedürftigkeit.
Mit Schreiben vom 20.03.2019 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Elternzeit ab dem 25.06.2019.
Die Beklagte stellte beim Landesamt für Gesundheit und Soziales Mecklenburg-Vorpommern (LaGuS) mit Schreiben vom 02.04.2019 den Antrag, die beabsichtigte ordentliche Kündigung der Klägerin während der Elternzeit für zulässig zu erklären. In der an das LaGuS gerichteten E-Mail vom 10.04.2019 warf sie der Klägerin vor, immer wieder Geld entwendet zu haben und bei ihren Arbeitszeitaufzeichnungen die gewährten Pausen nicht abgezogen zu haben. Mit Bescheid vom 12.06.2019 ließ das LaGuS die Kündigung antragsgemäß zu. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin unter dem 17.06.2019 Widerspruch ein.
Mit Schreiben vom 21.07.2019, der Klägerin zugegangen am 24.07.2019, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.08.2019, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin. Die Klägerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 25.07.2019, eingegangen beim Arbeitsgericht am 29.07.2019, fristgerecht Kündigungsschutzklage erhoben.
Da die Beklagte zur Güteverhandlung am 26.08.2019 nicht erschienen ist, hat das Arbeitsgericht das folgende Versäumnisurteil erlassen:
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 21.07.2019, zugegangen am 24.07.2019, aufgelöst worden ist, sondern über den 31.08.2019 hinaus fortbesteht.
2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu den im Arbeitsvertrag geregelten Arbeitsbedingungen als Konditorin zu einem monatlichen Gehalt von € 1.595,38 brutto weiterzubeschäftigen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ein wohlwollendes, berufsförderndes Zwischenzeugnis zu erteilen.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Arbeitslohn für den Monat Mai 2019 in Höhe von € 1.595,38 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2019 zu zahlen.
5. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Arbeitslohn für den Monat Juni 2019 in Höhe von € 1.595,38 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2019 zu zahlen.
Dieses Versäumnisurteil ist der Beklagten ausweislich der Zustellungsurkunde am 31.08.2019 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 05.09.2019, eingegangen als Original am 10.09.2019 im Gerichtszentrum Neubrandenburg, hat die Beklagte Einspruch gegen das Versäumnisurteil eingelegt. Dem Einspruch war eine Fax-Sendebestätigung beigefügt, nach der dieser Schriftsatz bereits am 05.09.2019 um 15:06:12 Uhr an die Faxnummer 03831205813 gesandt wurde.
Am 06.01.2020 zahlte die Beklagte an die Klägerin einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld für den Monat Mai 2019 in Höhe von € 712,60 und für den Monat Juni 2019 in Höhe von € 626,50 netto. Am 16.03.2020 vollstreckte die Klägerin aus dem Versäumnisurteil Zinsen in Höh...