Entscheidungsstichwort (Thema)
Erfüllung des abgetretenen Anspruchs auf Arbeitslohn durch Zahlung an den Zessionar
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Abtretung auch künftiger Forderungen ist grundsätzlich zulässig. Der Umfang einer solchen Abtretung muss allerdings bestimmt oder zumindest bestimmbar sein. Nur dann kann der Arbeitgeber erkennen, in welchem Ausmaß die Leistung an den neuen Gläubiger erfolgen muss.
2. Für den Nachweis über eine Abtretung reicht es aus, wenn eine Abtretungsbestätigung seitens des Zedenten und Zessionars vorgelegt wird, in der hinreichend konkret auf die zuvor erfolgte Abtretung Bezug genommen und diese bestätigt wird. Denn dem gewöhnlichen Geschehensablauf nach kann bei einer derartigen Bestätigung davon ausgegangen werden, dass die darin konkret in Bezug genommene und bestätigte Abtretung erfolgt ist (BGH, Beschluss vom 22.05.2019 - VII ZB 87/17 - Rn. 29, juris).
3. Im allgemeinen Rechtsverkehr werden Fotokopien den Originalurkunden gleich geachtet. Nur wenn der Schuldner verständliche Bedenken gegen die Zulässigkeit der Fotokopie erhebt, besteht die Verpflichtung zur Vorlage des Originals (BAG, Urteil vom 27.06.1968 - 5 AZR 312/67 - Rn. 25, juris; KG Berlin, Beschluss vom 16.11.2005 - 11 W 2/04 - Rn.8, juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 15.11.2011 - 10 U 66/10 - Rn. 66, juris; BSG, Urteil vom 29.06.1995 - 11 RAr 109/94 - Rn. 32, juris).
4. § 411 BGB stellt kein Formerfordernis als Wirksamkeitsvoraussetzung auf. Die Vorschrift bindet eine wirksame Abtretung nicht an die Vorlage einer vom Gläubiger ausgestellten öffentlich oder amtlich beglaubigten Urkunde an die auszuzahlende Kasse, sondern stellt lediglich eine Schutzvorschrift zu ihren Gunsten dar. Dies bedeutet, dass der Dienstherr als Schuldner des Besoldungsanspruchs auch auf eine nicht in der Form des § 411 BGB angezeigte Abtretung in befreiender Form leisten kann. Er tut dies allerdings auf eigene Gefahr (VG München, Urteil vom 23.09.2014 - M 5 K 12.1520 - Rn. 33, juris).
Normenkette
BGB §§ 611a, 362, 398, 400, 409, 411; ZPO § 850c
Verfahrensgang
ArbG Schwerin (Entscheidung vom 14.10.2021; Aktenzeichen 5 Ca 618/21) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 14.10.2021 zum Az.: 5 Ca 618/21 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Vergütungsansprüche.
Am 10.06.2009 schlossen die Klägerin und ihr damaliger Ehemann mit der S. C. Bank AG einen Darlehensvertrag (Anlage B 2, Bl. 61, 62 d.A.) zur Nr. XXXXXXXXXX, der u.a. folgende Erklärungen enthält:
"Sicherheiten sowie sonstige Bedingungen:
Die Darlehensnehmer treten hiermit nach Maßgabe der nachfolgend auf Seite 2 aufgeführten Einzelbedingungen den pfändbaren Teil ihrer Ansprüche auf Arbeitseinkommen und Sozialleistungen bis zur Höhe der Darlehenssumme zzgl. 15 % an die Bank ab.
...
Abtretung von Ansprüchen auf Arbeitseinkommen und Sozialleistungen
1. Die Darlehensnehmer treten hiermit den pfändbaren Teil ihrer gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche auf
- Arbeitseinkommen jeder Art einschließlich Betriebsrenten und Ruhegeldansprüche ... gegen den jeweiligen Arbeitgeber
...
an die dies hiermit annehmende Bank ab.
...
4. Die Bank ist berechtigt, die abgetretenen Ansprüche beim Drittschuldner einzuziehen, wenn der Darlehensnehmer mit einem Betrag, der mindestens zwei vollen Raten entspricht, in Verzug ist, mindestens zweimal schriftlich gemahnt und ihm die Offenlegung der Lohnabtretung mindestens ein Monat zuvor schriftlich angekündigt worden ist."
Gemäß schriftlichem Arbeitsvertrag (Anlage K 1, Bl. 8 ff d.A.) ist die Klägerin seit dem 01.08.2009 bei der Beklagten beschäftigt.
Mit Schreiben vom 04.02.2021 (Anlage B 1, Bl. 59 d.A.) zeigte die XXX G. Deutschland GmbH (fortan: XXX) gegenüber der Beklagten die Abtretung der gegen die Klägerin aus dem Darlehensvertrag Nr. XXXXXXXXX bestehenden Forderung von der S. C. Bank AG an sie an und fügte Kopien des Darlehensvertrages, einer notariell beglaubigten Abtretungsbestätigung über einen zwischen der XXX und der S. C. Bank AG geschlossenen Kauf- und Abtretungsvertrag vom 31.03.2016 über Forderungen bei. Nach der Abtretungsbestätigung ist der Kauf- und Abtretungsvertrag mit einer Anlage fest verbunden, welche Forderungen der S. C. Bank AG gegen namentlich bezeichnete Schuldner, darunter die Klägerin, unter Angabe von Anschrift, Geburtsdatum, Darlehensvertragsnummer, Gesamtforderung, Hauptforderung, Kosten sowie Zinsen usw. (Anlagen B 3, B 4, Bl. 63 ff d.A.) ausweist.
Die Beklagte überwies pfändbare Bestandteile der klägerischen Vergütung an die XXX und zwar für März 2021 193,66 €, für April 2021 228,12 €, für Mai 2021 247,22 €, für Juni 2021 265,92 €. Im Juni 2021 machte die Beklagte sodann gegenüber der XXX von ihrem Zurückbehaltungsrecht gemäß § 411 BGB Gebrauch und erbrachte ab Juli 2021 keinerlei Zahlungen mehr an die XXX.
Mit der der Beklagten am 02.07.2021 zugestellten Klage hat die Klägerin Differenzvergütung für die Monate März - Juni 2021 ...