Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachträgliche Geltendmachung von Vergütungsansprüchen aufgrund rückwirkender Anerkennung der Lehrbefähigung
Leitsatz (amtlich)
1. Nach der geltenden Tarifautomatik des TV-L bewirkt eine rückwirkende Anerkennung einer Lehrbefähigung eine rückwirkende Eingruppierung. Damit wird das "Stammrecht" betroffen, welches nicht an einen Fälligkeitszeitpunkt geknüpft ist und nicht von der Ausschlussfrist des § 37 TV-L erfasst wird.
2. Der tarifliche Vergütungsanspruch entsteht mit Erbringung der Arbeitsleistung. Seine Fälligkeit liegt am letzten Tag des Monats. Die Anerkennung einer Lehrbefähigung wirkt sich auf beides nicht aus, kann allein die Höhe des Anspruchs betreffen. Ein höherer Vergütungsanspruch kann vor Anerkennung einer Lehrbefähigung geltend gemacht werden.
Leitsatz (redaktionell)
Nachträglich geltend gemachte Vergütungsansprüche aufgrund rückwirkender Anerkennung der Lehrbefähigung unterliegen der 6-monatigen Ausschlussfrist gem. § 37 TV-L.
Normenkette
BGB §§ 611a, 242; TV-L § 24 Abs. 1, § 37; LehbildG MV § 2 Abs. 1, 5-6
Verfahrensgang
ArbG Stralsund (Entscheidung vom 08.06.2021; Aktenzeichen 2 Ca 449/20) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 08.06.2021 zum Az.: 2 Ca 449/20 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Vergütung.
Die Klägerin ist bei dem beklagten Land als Grundschullehrerin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft arbeitsvertraglicher Inbezugnahme der TV-L Anwendung. Auf den klägerischen Antrag vom 16.04.2020 auf Zuerkennung einer Lehrbefähigung gemäß § 2 Lehrerbildungsgesetz M-V wurde mit Bescheid vom 07.07.2020 die Lehrbefähigung für das Lehramt an Grundschulen zuerkannt. In diesem Bescheid heißt es zudem:
"Die Voraussetzungen für die Anerkennung der Lehrbefähigung lagen am 08.08.2016 vor. Ihre personalführende Stelle erhält eine Kopie dieses Bescheids und wird ggf. die Neueingruppierung von Amts wegen und rückwirkend vornehmen. Ich weise dabei ausdrücklich auf die Regelung in § 9 der Lehrbefähigungsanerkennungsverordnung hin. ..."
Die Klägerin erhielt rückwirkend ab dem 01.10.2019 Vergütung nach der Entgeltgruppe 11 TV-L.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 18.09.2020 forderte die Klägerin erfolglos Vergütung nach der Entgeltgruppe 11 TV-L ab dem 08.08.2016.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Auffassung vertreten, sie müsse ab dem 08.08.2016 Vergütung nach der Entgeltgruppe 11 TV-L erhalten. Ihr dementsprechender Vergütungsanspruch sei mit Anerkennung der Lehrbefähigung durch Bescheid vom 07.07.2020 entstanden und zu diesem Zeitpunkt fällig geworden. Da die Ausschlussfrist somit erst am 07.07.2020 zu laufen begonnen habe, sei mit anwaltlichem Schreiben eine rechtzeitige Geltendmachung von Vergütungsansprüchen erfolgt, so dass sich das beklagte Land nicht auf einen Verfall von Vergütungsansprüchen wegen des Eingreifens von Ausschlussfristen berufen könne.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, der Klägerin ab dem 08.08.2016 Vergütung entsprechend der Entgeltgruppe 11 des TV-L zu zahlen.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das beklagte Land hat sich auf den Verfall etwaiger Vergütungsansprüche berufen, hilfsweise die Einrede der Verjährung erhoben. Es hat vorgetragen, es habe keinerlei Ursache für die verspätete Antragstellung der Klägerin gesetzt, den klägerischen Antrag als Geltendmachungsscheiben gewertet und für sechs Monate rückwirkend ab Antragstellung Vergütung nach der Entgeltgruppe 11 TV-L gezahlt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die von der Klägerin begehrten Ansprüche seien gemäß § 37 TV-L verfallen, weil sie nicht innerhalb der Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht worden seien. Der Vergütungsanspruch entstehe jeden Monat neu. Sei der Beschäftigte mit der Höhe des abgerechneten Entgelts nicht einverstanden, müsse er dies schriftlich innerhalb der Ausschlussfrist von sechs Monaten selbst dann geltend machen, wenn sich die Ansprüche erst im Nachhinein als berechtigt erweisen. Es sei auch möglich gewesen, diese Geltendmachung noch vor Antragstellung auf Zuerkennung der Lehrbefähigung zu erheben, da sich aus § 9 der Lehrbefähigungsanerkennungsverordnung ergebe, dass die Anerkennung rückwirkend erfolge. Da es an der erforderlichen Geltendmachung fehle, seien die erhobenen Ansprüche verfallen.
Gegen dieses der Klägerin am 24.06.2021 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit am 21.07.2021 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 24.08.2021 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.
Hierzu trägt die Klägerin vor, dass Arbeitsgericht habe erkennen müssen, dass gemäß § 37 TV-L Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit geltend gemacht werden. Fälligkeit...