Entscheidungsstichwort (Thema)
Bezug einer steuerpflichtigen Leistung in Form eines geldwerten Vorteils durch Ausübung von Aktienoptionen. Gewährung der Beteiligung an einem Aktienoptionsprogramm als arbeitsvertragliche Verpflichtung
Leitsatz (redaktionell)
1. Handelt es sich bei der Gewährung der Beteiligung an einem Aktienoptionsprogramm um eine arbeitsvertragliche Verpflichtung des Arbeitgebers als Vergütungsbestandteil, stellt sich der geldwerte Vorteil aus der Ausübung der Aktienoptionen steuerrechtlich als - lohnsteuerpflichtiger - Arbeitslohn dar, unabhängig davon, ob die Option durch den Arbeitgeber oder durch eine Konzernobergesellschaft, also einen Dritten, eingeräumt wurde; es liegt eine unechte Lohnzahlung eines Dritten vor.
2. Der Arbeitgeber bleibt Inhaber des Erstattungsanspruchs gegenüber dem Arbeitnehmer hinsichtlich von ihm abgeführter Lohnsteuer und Solidaritätszuschlags. Dass er die zu erstattenden Abgaben auch tatsächlich in der angegebenen Höhe abgeführt hat, belegt die dem Arbeitnehmer übermittelte Lohnsteuerbescheinigung. Denn die Lohnsteuerbescheinigung ist Beweispapier über den Lohnsteuerabzug wie er tatsächlich stattgefunden hat.
Normenkette
BGB § 426 Abs. 1 S. 1; EStG § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 42 d Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
ArbG Rostock (Entscheidung vom 16.11.2022; Aktenzeichen 5 Ca 694/22) |
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Rostock vom 16.11.2022 zum Aktenzeichen 5 Ca 694/22 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Erstattungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten wegen durch die Klägerin aufgrund Ausübung einer Aktienoption durch den Beklagten an Dritte geleisteter Zahlungen.
Die Klägerin ist 100 %ige Tochter der niederländischen ..., deren Aktien an der ...-Börse gehandelt werden. Der Beklagte war bei der Klägerin aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages (Bl. 90 ff d.A.) ab dem 14.08.2017 als Director Finance beschäftigt. Im Arbeitsvertrag finden sich u.a. folgende Regelung:
"4. Vergütung
4.1 ...
...
4.3 Die Parteien werden sich über eine Beteiligung des Mitarbeiters an dem virtuellen Aktienoptionsprogramm (VSOP2016) und den entsprechenden Konditionen verständigen, sobald hierfür ein generelles Schema vorliegt.
Die Ausgabe aller virtuellen Optionen unterliegt den Bedingungen der Ausgabevereinbarung sowie des VSOP2016 und wird ein 3-jähriges Lock-Step-Vesting (zu jeweils 3 gleichen Teilen pro Tranche) vorsehen.
...
12. Verfallsfristen
Alle wechselseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht spätestens drei Monate nach Fälligkeit in Textform geltend gemacht werden. Davon ausgenommen sind Ansprüche auf der Haftung wegen vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Handelns. Sie gelten ebenfalls nicht für Ansprüche aus der Verletzung des Lebens, des Körpers, sowie der Gesundheit."
Die Optionsbedingungen für das Mitarbeiterbeteiligungsprogramm 2016 (Anlage K 8, Bl. 160 ff d.A.) sehen unter 11. Folgendes vor:
"11. Steuern
Sämtliche Steuerverbindlichkeiten, die aus oder im Zusammenhang mit der Gewährung oder der Ausübung der Virtuellen Optionen entstehen und die Zahlungen hierauf, insbesondere, aber nicht beschränkt auf Lohnsteuer, Sozialabgaben, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag, sind von den Optionsberechtigten zu tragen. Die Gesellschaft macht keinerlei Zusicherung und gibt keinerlei Garantien betreffend das Bestehen oder Nichtbestehen jedweder Steuerverbindlichkeiten. Die Gesellschaft ist berechtigt, soweit gesetzlich erforderlich, Quellensteuern einzuhalten und an das zuständige Betriebsstättenfinanzamt, die Einzugsstelle des Sozialversicherungsträgers oder jede andere zuständige Stelle abzuführen. Dies gilt auch, wenn der Optionsberechtigte im Zeitpunkt der Zahlung nicht mehr Arbeitnehmer der Gesellschaft ist, die Gesellschaft aber gesetzlich verpflichtet ist, die vorgenannten Steuern und Abgaben einzubehalten und an die zuständigen Behörden abzuführen."
Der Beklagte stimmte unter dem 07.11.2019 (Anlage K 1, Bl. 13 ff d.A.) der Ablösung der bisherigen Mitarbeiterbeteiligung zu Gunsten der Teilnahme an einem neuen Long Term Incentive Program (LTIP) zu. Dem Beklagten wurden 11.066 "Options" unter dem LTIP gewährt.
Mit Schreiben vom 14.07.2020 (Anlage K 3, Bl. 57, 58 d.A.) übte der Beklagte die Aktienoptionen unter dem LTIP aus. Laut Ausgabe-/Ausbuchungsbeleg vom 27.07.2020 (Anlage K 4, Bl. 59 d.A.) gab die Klägerin 11.066 Aktien durch Ausbuchung aus ihrem Depot an den Beklagten aus zu einem seinerzeitigen Aktienkurs von USD 13,30 pro Aktie und einem Umrechnungskurs von 0,86294. Dies entspricht einem Gesamtwert von 127.005,61 €. Die Aktien wurden am 04.09.2020 in das Depot des Beklagten bei der c. bank AG gebucht (Bl. 130, 131 d.A.). Ausweislich der dem Beklagten für das Jahr 2021 erteilten elektronischen Lohnsteuerbescheinigung (Anlage K 5, Bl. 60 d.A.) sind auf einen Bruttoarbeitslohn einschließlich Sachbezüge von 127.005,61 € Lohnsteuer einbehal...