Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung gem. Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 5 Ziff. 2 Einigungsvertrag (Abs. 5 Ziff. 2 EV) durch die Deutsche Telekom Aktiengesellschaft
Leitsatz (amtlich)
1. Nach Privatisierung steht den Nachfolgegesellschaften der Deutschen Bundespost das Sonderkündigungsrecht nach Abs. 5 Ziff. 2 EV nicht mehr zu, da die bei ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisse keine solchen des öffentlichen Dienstes mehr sind.
2. Die Bedeutung des § 22 Postpersonalrechtsgesetzes besteht darin, daß die Nachfolgegesellschaften auf Abs. 5 Ziff. 2 EV gestützte, vor Privatisierung ausgesprochene Kündigungen von Arbeitsverhältnissen (damals: des öffentlichen Dienstes) auch nach der Privatisierung (1.1.1995) weiterverfolgen können.
Normenkette
EV Abs. 5 Ziff. 2; Postpersonalrechtsgesetz § 22
Verfahrensgang
ArbG Schwerin (Urteil vom 28.08.1996; Aktenzeichen 4 Ca 2433/96) |
Nachgehend
Tenor
Das klagabweisende Urteil des Arbeitsgerichtes wurde abgeändert und die ausgesprochene außerordentliche Kündigung für unwirksam erachtet. Die Revision wurde zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer auf Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 5 Ziffer 2 Einigungsvertrag (im folgenden: Absatz 5 Ziffer 2 EV) gestützten außerordentlichen Kündigung. Der … geborene Kläger war seit 1957 bei der … der ehemaligen DDR im Fernmeldedienst beschäftigt. Am 3. Oktober 1990 wurde er von der Beklagten, der damaligen …, übernommen und zuletzt als Gruppenleiter Service zu einem monatlichen Bruttoentgelt von zirka DM 3.500,00 beschäftigt.
Ab November 1978 bis zur Auflösung des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR im Herbst 1989 führte der Kläger laut den Aufzeichnungen seiner Führungsoffiziere, die ihn als IMS … führten, auftragsgemäß Telefonschaltungen für den Staatssicherheitsdienst durch, und zwar sowohl im Bereich der Telefonüberwachung als auch der akustischen Überwachung. Es ist nicht ersichtlich, daß der Kläger jemals eine Verpflichtungserklärung abgegeben hätte. Dagegen hat er finanzielle/materielle Zuwendungen des MfS abgelehnt, ein ihm überreichtes Geburtstagsgeschenk bezahlt und es abgelehnt, über Personen in seinem persönlichen Umfeld zu berichten.
Wegen der Einzelheiten dieser Tätigkeit wird auf den Bericht des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik vom 26.02.1996 (in Fotokopie Blatt 36 bis 42 der Akten) sowie auf die Fotokopie der MfS-Arbeitsakte des Klägers verwiesen, die beigezogen wurde und Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Unter dem 06.02.1996 schlossen die Parteien einen Aufhebungsvertrag, demzufolge das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30.06.1996 auf Veranlassung der Beklagten aus betriebs-/rationalisierungsbedingten Gründen einvernehmlich beendet werden sollte. Gemäß § 2 des Aufhebungsvertrages sollte der Kläger ein Überbrückungsgeld auf der Grundlage des Tarifvertrages Nummer 1 (DTAG) längstens bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres erhalten.
Am 28.02.1996 wurde bei der Beklagten der Bericht der Gauck-Behörde über den Kläger bekannt. Am 14. März 1996 wurde daraufhin der Kläger zu seiner früheren Tätigkeit für das MfS befragt (vgl. Protokoll in Fotokopie Blatt 32 bis 35 der Akten). Der Leiter der Niederlassung … der Beklagten beteiligte unter dem 20. März 1996 den bei der Niederlassung gebildeten Betriebsrat an der gegenüber dem Kläger beabsichtigten Kündigung. Zur Erläuterung des Kündigungsgrundes wurde dem Betriebsrat das Schreiben der Direktion … an den Niederlassungsleiter vom 14. März 1996 (vgl. Fotokopie Blatt 71 f. der Akten) zur Verfügung gestellt. Ferner das Protokoll der Klägeranhörung und der Einzelbericht des Bundesbeauftragten nebst Anlagen. Unter dem 22.03.1996 beriet der Betriebsrat das Kündigungsvorhaben, erhob Einwände und teilte diese der Beklagten noch am gleichen Tage mit (vgl. Fotokopie Blatt 70 der Akten).
Auf den 20. März 1996 datiert sprach die Beklagte dem Kläger eine außerordentliche sowie eine weitere hilfsweise ordentliche Kündigung zum 30.09.1996 aus (Fotokopien Blatt 12, 13 der Akten). Diese gingen dem Kläger am 27. März 1996 zu. Seine hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage ist beim Arbeitsgericht am 12.04.1996 eingegangen.
Der Kläger hat behauptet, das Einrichten von Abhörschaltungen für das MfS habe zu seinem dienstlichen Aufgabenfeld bei der … gehört. Jedenfalls habe er dies so verstanden und auch verstehen müssen, was auch daraus hervorgehe, daß er besondere Zuwendungen hierfür stets abgelehnt habe, ebenso wie eine über die technische Hilfestellung hinausgehende Berichtstätigkeit.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 20. März 1996, zugestellt am 27. März 1996, nicht mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden ist;
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die orden...