Entscheidungsstichwort (Thema)
Stilllegung eines Spielkasinos. Unbegründete Klage auf Nachteilsausgleich wegen Betriebsänderung ohne Verhandlungen über Interessenausgleich bei unzureichenden Darlegungen zum Beginn der Betriebsänderung vor Abschluss des Interessenausgleichs
Leitsatz (amtlich)
Eine Betriebsänderung in Form der Stilllegung besteht in der Aufgabe des Betriebszwecks unter gleichzeitiger Auflösung der Betriebsorganisation für unbestimmte, nicht nur vorübergehende Zeit. Ihre Durchführung beginnt, sobald der Unternehmer unumkehrbare Maßnahmen zur Auflösung der betrieblichen Organisation ergreift (BAG 14. April 2015 - 1 AZR 794/13 - NJW-Spezial 2015, 403; BAG 30. Mai 2006 - 1 AZR 25/05 - BAGE 118, 222 = AP Nr. 5 zu § 209 InsO = DB 2006, 1851). Ein bloßer Beschluss auf unternehmerischer Ebene lässt die Betriebsorganisation unberührt (BAG 14. April 2015 aaO.). Ein solcher Beschluss schafft erst die Voraussetzung für Verhandlungen mit dem Betriebsrat über Interessenausgleich und Sozialplan. Ohne eine unternehmerische Zielplanung, deren Verwirklichung zu einer Betriebsänderung führen würde, besteht keine Grundlage für Verhandlungen mit dem Betriebsrat.
Normenkette
BetrVG § 113 Abs. 3, §§ 111-112, 112 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Rostock (Entscheidung vom 23.07.2014; Aktenzeichen 4 Ca 382/14) |
Tenor
1. Die Berufung wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der klagende Arbeitnehmer verlangt von seiner ehemaligen Arbeitgeberin die Zahlung von Nachteilsausgleich in Höhe von 12 Monatsgehältern gemäß § 113 Absatz 3 BetrVG. Dabei steht die Frage im Mittelpunkt, ob die Beklagte mit der Stilllegung ihres Betriebes bereits vor Ende Mai 2013 und damit vor Abschluss eines dahingehenden Interessenausgleichs mit dem bei ihr gebildeten Betriebsrat begonnen hatte.
Die Beklagte hat bis zur Stilllegung des Betriebes Anfang August 2013 mit staatlicher Konzession die Spielbanken in D-Stadt und C-Stadt (W.) betrieben. Die Erlaubnis zum Spielbetrieb stammt ursprünglich aus September 1995 und sie wurde zunächst für 10 Jahre ab Eröffnung des Spielbetriebes erteilt. Auf Antrag der Beklagten ist die Erlaubnis einmal verlängert worden und sie sollte dann regulär mit Ablauf des 5. August 2013 enden. Nach § 6 Spielbankgesetz Mecklenburg-Vorpommern (im Folgenden abgekürzt mit SpielbankG bezeichnet) hätte die Möglichkeit bestanden, die Erlaubnis auf Antrag der Beklagten nochmals um 5 Jahre zu verlängern.
Der Umsatz in den Spielbanken in Mecklenburg-Vorpommern hat sich nicht so entwickelt, wie man das in den 90er Jahren bei Verabschiedung des Spielbankgesetzes erhofft hatte. Es gab daher immer wieder Versuche seitens der Betreiber der Spielbanken, die Rahmenbedingungen für ihre Betriebe zu verbessern, eine Diskussion, die sich letztlich um die wirtschaftlich noch tragfähige Höhe der staatlichen Spielbankenabgabe (§ 7 SpielbankG) gedreht hatte. Bei der letzten Änderung des Spielbankengesetzes (Artikel 2 des Gesetzes vom 22. Juni 2012, GVOBl. M-V S. 232, 237) wurden jedoch trotz entsprechender Bemühungen seitens der Spielbanken die Spielbankenabgabe nicht verändert.
Gespräche zur Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Spielbetriebes wurden auch nach der Abänderung des Spielbankengesetzes im B. 2012 mit dem zuständigen Innen- und dem Finanzministerium weiter geführt. Zusätzlich gab es aber auch Versuche, auf politischer Ebene noch etwas zu bewegen. Gesprächs- und Verhandlungsfortschritte im Sinne der Spielbankenbetreiber konnten dabei jedenfalls bis Ende März 2013 nicht festgestellt werden. Vor diesem Hintergrund haben die Gesellschafter der Beklagten am 27. März 2013 eine Gesellschafterversammlung abgehalten und dort einstimmig einen Beschluss gefasst, der wie folgt protokolliert wurde (Kopie des Protokoll der Gesellschafterversammlung hier Blatt 25 f):
"Der Geschäftsführer stellt den Antrag unter den derzeitigen Rahmenbedingungen von dem Optionsrecht auf Verlängerung der Konzession um weitere fünf Jahre (bis August 2018) nicht Gebrauch zu machen.
Beschluss: einstimmig
Der Geschäftsführer wird dem Innenministerium diese Entscheidung umgehend mitteilen."
Mit Schreiben vom 2. April 2013 teilte die Beklagte dem Innenministerium in D-Stadt darauf Folgendes mit (Kopie hier Blatt 27):
"Option auf Verlängerung der Konzession
Werter Herr Dr. D.,
ich teile Ihnen heute mit, dass die Gesellschafterversammlung der [Beklagten] am 27.03.2013 den Beschluss gefasst hat, unter den derzeit gültigen Rahmenbedingungen von ihrem Recht auf Ausübung ihrer Option auf Verlängerung der Konzession keinen Gebrauch machen zu wollen."
Mit Schreiben vom selben Tag wandte sich der Geschäftsführer auch an die eigenen Mitarbeiter. Das Schreiben lautet auszugsweise wie folgt (Kopie hier Blatt 28):
"Option auf Verlängerung der Konzession
Liebe Mitarbeiterinnen, liebe Mitarbeiter,
unsere Gesellschaft besitzt das Recht, ihre Konzession für die beiden Standorte D-Stadt und W. um fünf Jahre bis August 2018 zu verlängern. Die Ge...