Verfahrensgang
ArbG Stralsund (Urteil vom 29.07.1994; Aktenzeichen 17 Ca 918/92) |
Tenor
I. Der Antrag des Klägers, wegen Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wird zurückgewiesen.
II. Die Berufung des Klägers gegen dasUrteil des Arbeitsgerichtes Stralsund vom29. Juli 1994 – 17 Ca 918/92 – wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Rahmen einer Kündigungsschutzklage über einen Wiedereinsetzungsantrag des Klägers wegen Versäumung der Berufungsfrist.
Der Kläger hat zuletzt vor dem Arbeitsgericht Stralsund beantragt,
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 30.04.1992, zugegangen am 8.05.1992, nicht beendet ist:
hilfsweise – im Falle des Obsiegens des Antrags zu 1. –
- das beklagte Land zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen.
Hierauf hat das Arbeitsgericht Stralsund durch Urteil vom 29. Juli 1994 Für Recht erkannt:
- Die Klage wird abgewiesen.
- Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
- Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 8.400,– DM festgesetzt.
Auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils wird gemäß § 543 ZPO Bezug genommen. Das vollständig abgefaßte Urteil ist dem Rechtssekretär des DGB Greifswald als damaligem Prozeßbevollmächtigten des Klägers zugestellt worden gegen Empfangsbekenntnis am 15. September 1994. Auf die Prozeßvollmacht vom 11. Mai 1992 (Bl. 4 d.A.) wird verwiesen.
Der DGB Greifswald schickte die gesamte Handakte am 27. September 1994 an die Einzelgewerkschaft des Klägers, die Polizeigewerkschaft in Schwerin. Deren Rechtssekretäre besaßen zu keiner Zeit eine Prozeßvollmacht des Klägers. Sie sollten nur prüfen, ob dem Kläger auch für ein Berufungsverfahren gewerkschaftlicher Rechtsschutz gewährt werde. Die Handakte kam am 29. September 1994 in Schwerin an.
Mit Schreiben vom 5. Oktober 1994 sollte die Handakte von der Polizeigewerkschaft an die DGB Landesrechtsstelle in Rostock versandt werden, und zwar mit der Mitteilung, daß Rechtsschutz gewährt werde, und mit der Bitte, den Kläger in der Berufungsinstanz zu vertreten (vgl. Bl. 68 d.A.). Diese Postsendung kam jedoch – aus welchen Gründen auch immer – nie bei der DGB Landesrechtsstelle in Rostock an.
Am Montag, dem 17. Oktober 1994, lief die Berufungsfrist ab.
Am 5. Januar 1995 erkundigte sich der Geschäftsführer der Polizeigewerkschaft in Schwerin bei der DGB Landesrechtsstelle in Rostock nach dem Stand des Verfahrens. Spätestens da stellte sich heraus, daß die Postsendung mit der Handakte die DGB Landesrechtsstelle nicht erreicht hatte. Weitere Nachforschungen blieben ergebnislos.
Am 13. Januar 1995 erteilte der Kläger den Rechtssekretären der DGB Landesrechtsstelle Prozeßvollmacht (vgl. Bl. 69 d.A.). Sie haben für ihn am 17. Januar 1995 Berufung eingelegt und gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Glaubhaftmachung sind zwei eidesstattliche Versicherungen beigefügt, auf deren Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 70 und 71 d.A.). Am 15. Februar 1995 ist die Berufung begründet worden.
Der Kläger ist der Ansicht, seinen Prozeßbevollmächtigten treffe kein Verschulden. Der Rechtssekretär vom DGB Greifswald habe sich auf den Postverkehr verlassen dürfen.
Der Kläger beantragt,
- ihm wegen der Versäumung der Berufungsfrist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren:
das Urteil des Arbeitsgerichtes Stralsund vom 29. Juli 1994 abzuändern und
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des beklagten Landes vom 30. April 1992 nicht aufgelöst worden ist;
- das beklagte Land zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluß des vorliegenden Kündigungsschutzverfahrens als Mitarbeiter der Einsatzleitstelle zu den bisherigen Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen.
Das beklagte Land beantragt,
den Wiedereinsetzungsantrag des Klägers zurückzuweisen und die Berufung des Klägers als unzulässig zu verwerfen;
hilfsweise,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Es macht geltend, daß ein Organisationsverschulden des erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des Klägers vorliegen müsse, da das Verschwinden der Handakte über mehrere Monate nicht bemerkt worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens – insbesondere in der Sache selbst – wird gemäß § 543 ZPO ergänzend Bezug genommen auf das erstinstanzliche Urteil sowie auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Sitzungsprotokolle vom 6. Januar 1993, 22. April und 29. Juli 1994 sowie vom 5. Dezember 1995.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist nach § 64 ArbGG in Verbindung mit § 519 b ZPO als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht fristgerecht eingelegt worden ist.
I.
Nach § 66 ArbGG beträgt die Berufungsfrist einen Monat. Sie beginnt gemäß § 64 ArbGG in Verbindung mit § 516 ZPO mit der Zustellung des vollständig abgefaßten Urteils. Da im vorliegenden Fall das Urteil dem Kläger am 15. September 1994 ordnungsgemäß zugestellt...