Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Organstellung eines Verbandsgeschäftsführers. Satzungsbedingte Organstellung. Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes auf Geschäftsführer eines Verbands. Unwirksame verhaltensbedingte Kündigung mangels Abmahnung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Geschäftsführer einer rechtsfähigen Körperschaft des öffentlichen Rechts ist kein Organ derselben, wenn in der Satzung als Organe ausschließlich die Verbandsversammlung und der Verbandsvorsteher genannt sind. Das Kündigungsschutzgesetz ist daher anwendbar.

 

Normenkette

KSchG §§ 1, 9, 14 Abs. 1-2; ZPO § 91 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Schwerin (Entscheidung vom 24.09.2020; Aktenzeichen 6 Ca 690/20)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers vom 03.11.2020 gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 24.09.2020 - 6 Ca 690/20 - wird das Urteil abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

a) Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung vom 19.05.2020 aufgelöst worden ist.

b) Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten Bedingungen als Geschäftsführer weiter zu beschäftigten.

c) Der Antrag des Beklagten auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Kündigung.

Der Kläger war seit 2001 im Zweckverband zunächst bis Dezember 2010 über die Betriebsführung der W. AG und ab 01.01.2011 über ein Ausschreibungsverfahren als Geschäftsführer tätig. Gewählt wurde der Kläger durch die damalige Verbandsversammlung. Der Kläger ist eingruppiert in die EG 14/3 TV-V; dies entspricht einem Bruttogehalt von derzeit 8.044,30 Euro. In dem "Anstellungsvertrag" wurde u.a. in Ziffer 1. festgehalten, dass der Kläger als Geschäftsführer eingestellt wird. Die Tätigkeit sollte sich nach der dem Vertrag beigefügten Stellenbeschreibung richten. In § 2 ist geregelt:

"Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Tarifvertrag für Versorgungsbetriebe ..."

Unter Ziffer 5. ist weiter geregelt:

"Der Arbeitnehmer wird gem. § 22 des Tarifvertrages für Versorgungsbetriebe (TV-V) in die Vergütungsgruppe EG 14/3 eingruppiert. Durch die Vergütung sind sämtliche Ansprüche auf Vergütung von Überstunden, Sonntags-, Feiertags- oder sonstiger Mehrarbeiter abgegolten. Am Zeiterfassungssystem des ZKWAL nimmt der Arbeitnehmer nicht teil."

Unter § 6 sind folgende Nebenabreden vereinbart:

- "Der Arbeitgeber stellt ab Arbeitsort für dienstliche Zwecke, einen PKW der Mittelklasse zur Verfügung.

Alternativ werden dem Geschäftsführer auf Nachweis die dienstlichen Fahrten mit dem Privat PKW nach der derzeit gültigen Reisekostenverordnung erstattet.

- Der Arbeitnehmer gewährleistet die Unvereinbarkeit von Amt und Mandat (§ 25 der KV-M/V vom 08. Juni 2004).

- Der Arbeitnehmer ist nicht berechtigt, für Andere Dienstleistungen jeglicher Art auf eigene Rechnung zu erbringen. Es sei denn, der Arbeitgeber schließt hierzu einen separaten Vertrag mit Anderen ab.

- Nebentätigkeiten sind anzuzeigen und durch den Vorstand zu genehmigen."

§ 7 sieht eine Kündigungsfrist von 6 Monaten zum Jahresende für beide Parteien vor.

Die Verbandssatzung der Beklagten vom 28.10.2019 sieht als Organe des Zweckverbandes die Verbandsversammlung und den Verbandsvorsteher vor. § 8 der Satzung regelt in Abs. 4, dass zur Durchführung und Vorbereitung der Beschlüsse und in der Führung der laufenden Geschäfte der Verwaltung der Verbandsvorsitzende sich eines Geschäftsführers bedient.

"§ 9 - Geschäftsführer, Angestellte, Arbeiter

Der Zweckverband ist berechtigt, einen Geschäftsführer im Angestelltenverhältnis, Angestellte und Arbeiter zu beschäftigen."

"§ 10 - Geschäfte der laufenden Verwaltung

Die Rechte und Pflichten des Geschäftsführers sind in der vom Verbandsvorstand zu erlassenden Dienstanweisung für die Geschäftsführung zu regeln."

Die Dienst- und Geschäftsanweisung für den Zweckverband sieht unter Ziffer 3. Und 4. vor:

"3. Verantwortung, Weisungen, Vorlagen

...

(3) Entscheidungen in Angelegenheiten von grundsätzlicher oder besonderer Bedeutung trifft der Geschäftsführer. Die Mitarbeiter haben für eine rechtzeitige Information bzw. Vorlage (Vortrag) zu sorgen.

(4) Entscheidungen im personellen Bereich, trifft der Geschäftsführer in Abstimmung mit dem Vorstand. Der jährliche Stellenplan wird im Rahmen des Wirtschaftsplanes durch die Verbandsversammlung beschlossen.

4. Geschäftsführer

(1) Der Geschäftsführer ist verantwortlicher Leiter des Zweckverbands kommunaler Wasserversorgung und Abwasserbehandlung L. Er ist Dienstvorgesetzter aller Arbeitnehmer."

In der Dienstanweisung für die Tätigkeit des Geschäftsführers ab 14.03.2019 ist unter 1. geregelt:

"1. Der Geschäftsführer des Zweckverbandes (...) ist zuständig für die Abwicklung der Geschäfte der laufenden Verwaltung und der Kassengeschäfte. Im Falle seiner Verhinderung wird der Geschäftsführer durch seinen Stellvertreter ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge