Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichteinladung eines schwerbehinderten Stellenbewerbers zum Vorstellungsgespräch bei Nichterfüllung des Anforderungsprofils eines öffentlichen Arbeitgebers. Unbegründete Entschädigungsklage bei verspäteter Mitteilung des Erwerbs einer dem Anforderungsprofil entsprechenden Qualifikation

 

Leitsatz (amtlich)

1. Lassen bereits die Bewerbungsunterlagen zweifelsfrei erkennen, dass die durch das Anforderungsprofil zulässig vorgegebenen fachlichen Kriterien nicht erfüllt werden, besteht für den öffentlichen Arbeitgeber keine Verpflichtung, den schwerbehinderten Menschen zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen.

2. Ein im Rahmen eines Postgraduiertenstudienganges erworbener Abschluss als "Master of Laws (Anwaltsrecht und Anwaltspraxis)" ist objektiv nicht mit dem Abschluss als "Master of Laws (Öffentliche Verwaltung)" vergleichbar.

3. Zwar trifft den öffentlichen Arbeitgeber im Prozess die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der/die schwerbehinderte Bewerber/-in offensichtlich fachlich ungeeignet ist. Allerdings muss der öffentliche Arbeitgeber bereits im Verlauf des Auswahlverfahrens prüfen und entscheiden können, ob er einen schwerbehinderten Menschen zu einem Vorstellungsgespräch einladen muss. Ein Bewerber muss insoweit, sofern er die Qualifikation erst im Verlauf des Bewerbungsverfahrens erlangt, den öffentlichen Arbeitgeber über die erlangte Qualifikation informieren. Erfolgt die Information zeitlich nach der vom Arbeitgeber getroffenen Entscheidung über die Einladung zum Vorstellungsgespräch, geht dies zu Lasten des Bewerbers, da dieser seiner Mitwirkungspflicht nicht im ausreichenden Maße nachgekommen ist.

 

Normenkette

AGG § 15 Abs. 2; SGB IX § 165; AGG § 17 Abs. 1; SGB IX § 81 Abs. 2 S. 1-2, § 82 S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Stralsund (Entscheidung vom 20.06.2017; Aktenzeichen 11 Ca 62/17)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Stralsund, Kammern Neubrandenburg vom 20.06.2017 11 Ca 62/17 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darum, ob der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger eine Entschädigung wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Benachteiligung wegen Schwerbehinderung, Alter oder ethnischer Herkunft zu zahlen hat.

Der Kläger ist im Jahre 1980 geboren. Der Grad seiner Behinderung beträgt 50. Der Kläger erlangte zunächst die allgemeine Hochschulreife, leistete sodann Zivildienst und absolvierte von 2004 bis 2007 eine Ausbildung als Industriekaufmann mit der Abschlussnote "gut". Von 2006 bis 2014 studierte der Kläger Rechtswissenschaften an der Universität zu A-Stadt. Im Februar 2014 absolvierte er die erste juristische Prüfung mit der Endnote "befriedigend" (8,13 Punkte). Das Studium musste er zuvor von April 2010 bis Januar 2014 krankheitsbedingt unterbrechen. Im Juni 2014 begann der Kläger das Rechtsreferendariat beim Oberlandesgericht B.. Parallel hierzu, im Zeitraum von Juni 2014 bis Oktober 2016, absolvierte der Kläger an der Fernuniversität in H. ein Aufbaustudium der dortigen rechtswissenschaftlichen Fakultät und legte am 21.10.2016 die Masterprüfung des weiterbildenden Studienganges "Master of Laws (LL.M.) Anwaltsrecht und Anwaltspraxis" ab. Seine Masterarbeit zum Thema "Die Öffentlichkeit des Gerichtsverfahrens - ist § 169 GVG noch zeitgemäß?" wurde mit der Gesamtnote "gut" bewertet.

Der Beklagte schrieb unter dem 02.11.2016 für das Büro des Landrates zum 01.01.2017 die Stelle "Amtsleiter/in Büro Landrat/zentrale Steuerung/Controlling" aus. In der Ausschreibung heißt es auszugsweise:

"Anforderungsprofil:

Die Bewerber/innen sind Volljurist/in (2. Juristisches Staatsexamen) oder verfügen über ein abgeschlossenes Hochschul- oder Fachhochschulstudium mit der Fortbildung zum/zur Verwaltungsfachwirt/in oder weisen den Abschluss als Dipl.-Verwaltungsbetriebswirt/in (FH), Dipl. Verwaltungswirt/in (FH), Master of Laws (öffentliche Verwaltung) nach.

...

Bewerbungen sind bis zum 30.11.2016 an das Personalamt des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte, C-Straße, in C-Stadt zu richten."

Die zu besetzende Stelle wird entsprechend der Entgeltgruppe 15 TVöD vergütet.

Mit Schreiben vom 20.11.2016 bewarb sich der Kläger auf die ausgeschriebene Stelle. Im Anschreiben zur Bewerbung teilte der Kläger auszugsweise mit:

"Zugleich wurde mir im Februar 2014 von der Universität zu A-Stadt der Hochschulgrad Diplom-Jurist verliehen. Das Rechtsreferendariat schließe ich zum 30.11.2016 ab. Den referendarsbegleitenden Master of Laws an der Fernuniversität H. habe ich bereits mit dem Prädikat "gut" abgeschlossen."

In der Bewerbung war ein Lebenslauf beigefügt. Dort lautet es auszugsweise:

"Weiterbildungsstudium 06/14 - 10/16

Fernuniversität H., Master of Laws (LL.M.)

Fachrichtung: Anwaltsrecht & Anwaltspraxis

Thema der Masterarbeit: "Die Öffentlichkeit des Gerichtsverfahrens - ist § 169 GVG noch zeitgemäß"

...

Rechtsreferendariat 06/14 - 12/16

Oberlandesgericht B.

...

vrss 12/16

Landesjustizprüfungsamt Niedersac...

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