Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflicht zur fachlichen Einarbeitung einer Betreuungskraft im öffentlichen Dienst. Anforderungen der inhaltlichen Einarbeitung von Betreuungskräften nach Richtlinie des § 53b SGB XI. Maßgeblichkeit des Arbeitsergebnisses für Bewertung als Arbeitsvorgang
Leitsatz (amtlich)
Die Ausübung der in der Betreuungskräfte-Richtlinie zu § 53b SGB XI beschriebenen Aufgaben einer zusätzlichen Betreuungskraft in einer stationären Pflegeeinrichtung erfordert im Regelfall eine eingehende fachliche Einarbeitung im Sinne der Entgeltgruppe 3 Teil A Abschnitt I Ziffer 3 TVöD-B.
Normenkette
TVG § 1; TVöD-B § 12; SGB XI §§ 43b, 53b; ZPO § 92 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Schwerin (Entscheidung vom 31.03.2021; Aktenzeichen 4 Ca 994/20) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 31.03.2021 - 4 Ca 994/20 - teilweise abgeändert:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin ab dem 01.05.2019 nach der EG 3 TVöD-B VKA zu vergüten und die sich ab dem 01.05.2019 ergebenden Entgeltdifferenzen abzurechnen und an die Klägerin auszuzahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung einer zusätzlichen Betreuungskraft in einer stationären Pflegeeinrichtung.
Die im September 1966 geborene Klägerin verfügt über eine in der DDR erworbene Ausbildung zur Facharbeiterin Krankenpflege und ist seit dem 16.07.1985 bei der Beklagten bzw. Rechtsvorgängern im Bereich der Seniorenheime beschäftigt. Der Facharbeiterabschluss wurde nach der Wiedervereinigung als Qualifikation für die Tätigkeit einer Altenpflegehelferin anerkannt. In dieser Funktion war die Klägerin langjährig tätig und wurde zuletzt nach der Entgeltgruppe P 6 TVöD-B (Durchgeschriebene Fassung des TVöD für den Dienstleistungsbereich Pflege- und Betreuungseinrichtungen im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände) vergütet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien unterliegt diesem Tarifvertrag kraft einzelvertraglicher Bezugnahme.
Seit dem 01.05.2019 ist die Klägerin auf der Grundlage des Änderungsvertrags vom 03.04.2019 als zusätzliche Betreuungskraft nach § 43b SGB XI mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 50 % einer Vollbeschäftigung tätig. Die bisherigen Aufgaben als Altenpflegehelferin kann sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben. Die Klägerin erhält seitdem die Vergütung der Entgeltgruppe 2 TVöD-B.
Nach § 43b SGB XI haben Pflegebedürftige in stationären Pflegeeinrichtungen nach Maßgabe von § 84 Abs. 8 und § 85 Abs. 8 SGB XI Anspruch auf zusätzliche Betreuung und Aktivierung, die über die nach Art und Schwere der Pflegebedürftigkeit notwendige Versorgung hinausgeht. Für die Leistungen nach § 43b SGB XI hat gemäß § 53b Satz 1 SGB XI (zuvor § 53c Satz 1 SGB XI) der Spitzenverband Bund der Pflegekassen Richtlinien zur Qualifikation und zu den Aufgaben der zusätzlich einzusetzenden Betreuungskräfte in stationären Pflegeeinrichtungen zu beschließen. Die Betreuungskräfte-Richtlinien vom 19.08.2008 in der Fassung vom 23.11.2016 haben, soweit für den Rechtsstreit von Bedeutung, folgenden Wortlaut:
"...
Präambel
Mit der Zahlung von leistungsgerechten Zuschlägen zu den Pflegesätzen für die zusätzliche Betreuung und Aktivierung von Pflegebedürftigen nach den Regelungen der §§ 43b, 84 Abs. 8 und 85 Abs. 8 SGB XI werden den stationären Pflege-einrichtungen finanzielle Grundlagen gegeben, eine bessere Betreuung für die Pflegebedürftigen im Sinne der von den Fachverbänden geforderten "Präsenz-strukturen" zu organisieren, die darauf abzielen, die Pflegebedürftigen bei ihren alltäglichen Aktivitäten zu unterstützen und ihre Lebensqualität zu erhöhen. ...
§ 1
Zielsetzung
Diese Richtlinien regeln die Aufgaben und Qualifikationen von zusätzlich in stationären Pflegeeinrichtungen einzusetzenden Betreuungskräften im Rahmen der §§ 43b, 84 Abs. 8 und 85 Abs. 8 SGB XI, damit diese in enger Kooperation und fachlicher Absprache mit den Pflegekräften und den Pflegeteams die Betreuungs- und Lebensqualität von Pflegebedürftigen in stationären Pflegeeinrichtungen verbessern. Ihnen soll durch mehr Zuwendung, zusätzliche Betreuung und Aktivierung eine höhere Wertschätzung entgegengebracht, mehr Austausch mit anderen Menschen und mehr Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ermöglicht werden.
§ 2
Grundsätze der Arbeit und Aufgaben der zusätzlichen Betreuungskräfte
(1) Die zusätzlichen Betreuungskräfte sollen die Pflegebedürftigen betreuen und aktivieren. Zusätzliche Betreuungskräfte sind keine Pflegekräfte. Als Betreuungs- und Aktivierungsmaßnahmen kommen Maßnahmen und Tätigkeiten in Betracht, die das Wohlbefinden, den physischen Zustand oder die psychische Stimmung der betreuten Menschen positiv beeinflussen können.
(2) Die Aufgabe der zusätzlichen Betreuungskräfte ist es, die Pflegebedürftigen zum Beispiel zu folgenden Alltagsaktivitäten zu motivieren und sie dabei zu betreuen und zu begleiten...