Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung einer „Betreuungsassistentin” bei der Arbeiterwohlfahrt
Leitsatz (redaktionell)
Das tarifliche Eingruppierungsmerkmal „Ausbildung” verlangt weder eine Abschlussprüfung noch eine bestimmte Mindestdauer oder eine Berufsausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf. Ausreichend ist jede für die auszuübende Tätigkeit förderliche Ausbildung, die sowohl zeitlich als auch inhaltlich von einigem Gewicht ist.
Normenkette
SGB XI § 87b; BetrVG § 99 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 23. September 2016 – 6 TaBV 10/16 – wird zurückgewiesen.
Tatbestand
A. Die Beteiligten streiten über die Ersetzung der verweigerten Zustimmung des Beteiligten zu 2. (Betriebsrat) zu der Eingruppierung der Arbeitnehmerin W.
Der zu 1. beteiligte Arbeitgeber ist ein Kreisverband der Arbeiterwohlfahrt. Er beschäftigt mehr als 20 Arbeitnehmer. Auf die Arbeitsverhältnisse finden die für die Arbeiterwohlfahrt Nordrhein-Westfalen abgeschlossenen Tarifverträge Anwendung, darunter der Tarifvertrag für die Arbeiterwohlfahrt in Nordrhein-Westfalen vom 5. Januar 2008 (TV AWO NRW) und der Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der AWO in den TV AWO NRW und zur Regelung des Übergangsrechts vom 5. Januar 2008 (TV-Ü AWO NRW). Diese verweisen hinsichtlich der Eingruppierung von Beschäftigten bis zum Inkrafttreten einer neuen Entgeltordnung für die AWO weitgehend auf den Bundesmanteltarifvertrag für die Arbeiterwohlfahrt vom 1. November 1977 (BMT-AW II) und den Tarifvertrag über die Tätigkeitsmerkmale zum BMT-AW II vom 1. November 1997 (TV TM AWO).
Der Arbeitgeber unterhält ua. eine Einrichtung in W, in der an Demenz erkrankte pflegebedürftige Menschen, die von ihren Angehörigen zu Hause betreut oder gepflegt werden, in der Tagespflege von montags bis freitags von 8:00 Uhr bis 16:00 Uhr betreut und versorgt werden. In dieser Einrichtung werden auch „Betreuungsassistenten” als zusätzliche Betreuungskräfte iSd. § 87b SGB XI aF (nunmehr § 43b SGB XI) eingesetzt. Dazu hat der GKV-Spitzenverband die vom Bundesministerium für Gesundheit genehmigten Richtlinien nach § 87b Abs. 3 SGB XI aF zur Qualifikation und zu den Aufgaben von zusätzlichen Betreuungskräften in stationären Pflegeeinrichtungen (Betreuungskräfte-RL) vom 19. August 2008 in der Fassung vom 29. Dezember 2014 beschlossen, die auszugsweise lauten:
„…
Diese Richtlinien regeln die Aufgaben und Qualifikationen von zusätzlich in stationären Pflegeeinrichtungen einzsetzenden Betreuungskräften im Rahmen des § 87b SGB XI, damit diese in enger Kooperation und fachlicher Absprache mit den Pflegekräften und den Pflegeteams die Betreuungs- und Lebensqualität von Anspruchsberechtigten in stationären Pflegeeinrichtungen verbessern. Ihnen soll durch mehr Zuwendung, zusätzliche Betreuung und Aktivierung eine höhere Wertschätzung entgegen gebracht, mehr Austausch mit anderen Menschen und mehr Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ermöglicht werden.
§ 2 |
Grundsätze der Arbeit und Aufgaben der zusätzlichen |
Betreuungskräfte |
(1) |
Die zusätzlichen Betreuungskräfte sollen die Anspruchsberechtigten betreuen und aktivieren. Als Betreuungs- und Aktivierungsmaßnahmen kommen Maßnahmen und Tätigkeiten in Betracht, die das Wohlbefinden, den physischen Zustand oder psychische Stimmung der betreuten Menschen positiv beeinflussen können. |
(2) |
Die Aufgabe der zusätzlichen Betreuungskräfte ist es, die Anspruchsberechtigten zum Beispiel zu folgenden Alltagsaktivitäten zu motivieren und sie dabei zu betreuen und zu begleiten: |
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- Malen und basteln,
- handwerkliche Arbeiten und leichte Gartenarbeiten,
- Haustiere füttern und pflegen,
- Kochen und backen,
- Anfertigung von Erinnerungsalben oder -ordnern,
- Musik hören, musizieren, singen,
- Brett- und Kartenspiele,
- Spaziergänge und Ausflüge,
- Bewegungsübungen und Tanzen in der Gruppe,
- Besuch von kulturellen Veranstaltungen, Sportveranstaltungen, Gottesdiensten und Friedhöfen,
- Lesen und Vorlesen,
- Fotoalben anschauen.
Die Betreuungskräfte sollen den Anspruchsberechtigten für Gespräche über Alltägliches und ihre Sorgen zur Verfügung stehen, ihnen durch ihre Anwesenheit Ängste nehmen sowie Sicherheit und Orientierung vermitteln. Betreuungs- und Aktivierungsangebote sollen sich an den Erwartungen, Wünschen, Fähigkeiten und Befindlichkeiten der Anspruchsberechtigten unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Biographie, ggf. einschließlich ihres Migrationshintergrundes, dem Geschlecht sowie dem jeweiligen situativen Kontext orientieren. |
(3) |
Zur Prävention einer drohenden oder einer bereits eingetretenen sozialen Isolation sind Gruppenaktivitäten für die Betreuung und Aktivierung das geeignete Instrument. Die persönliche Situation des Anspruchsberechtigten, z. B. Bettlägerigkeit, und seine konkrete sozial-emotionale Bedürfnislage kann aber auch eine Einzelbetreuung erfordern. |
(4) |
Die soziale Betreuung der Anspruchsberechtigten gehört zum Leistungsumfang der stationären Pflegeeinrichtungen. § 87b SGB XI ermöglicht es, die Betreuung und Aktivierung der Anspruchsberechtigten in einem definierten Umfang quantitativ zu verbessern. Gleichzeitig ist es erforderlich, die Tätigkeit der zusätzlichen Betreuungskräfte eng mit der Arbeit der Pflegekräfte und des sonstigen Personals in den stationären Pflegeeinrichtungen zu koordinieren, damit keine Versorgungsbrüche entstehen. Zu den Aufgaben der zusätzlichen Betreuungskräfte gehören auch die Hilfen, die bei der Durchführung ihrer Betreuungsund Aktivierungstätigkeiten unaufschiebbar und unmittelbar erforderlich sind, wenn eine Pflegekraft nicht rechtzeitig zur Verfügung steht. Zusätzliche Betreuungskräfte dürfen nicht regelmäßig in grundpflegerische sowie hauswirtschaftliche Tätigkeiten eingebunden werden. Maßnahmen der Behandlungspflege bleiben ausschließlich dafür qualifizierten Pflegekräften vorbehalten. |
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… |
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§ 4 |
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Qualifikation der Betreuungskräfte |
(1) |
Für die berufliche Ausübung der zusätzlichen Betreuungsaktivitäten ist kein therapeutischer oder pflegerischer Berufsabschluss erforderlich. Allerdings stellt die berufliche Ausübung einer Betreuungstätigkeit in stationären Pflegeeinrichtungen auch höhere Anforderungen an die Belastbarkeit der Betreuungskräfte als eine in ihrem zeitlichen Umfang geringere ehrenamtliche Tätigkeit in diesem Bereich. Deshalb sind folgende Anforderungen an die Qualifikation der Betreuungskräfte nachzuweisen: |
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- das Orientierungspraktikum,
- die Qualifizierungsmaßnahme,
- regelmäßige Fortbildungen.
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(2) |
Das Orientierungspraktikum in einer vollstationären oder teilstationären Pflegeeinrichtung hat einen Umfang von 40 Stunden und ist vor der Qualifizierungsmaßnahme durchzuführen. Damit ist die Zielsetzung verbunden, erste Eindrücke über die Arbeit mit betreuungsbedürftigen Menschen zu bekommen und das Interesse und die Eignung für eine berufliche Tätigkeit in diesem Bereich selbst zu prüfen. |
(3) |
Die Qualifizierungsmaßnahme besteht aus drei Modulen (Basiskurs, Betreuungspraktikum und Aufbaukurs) und hat einen Gesamtumfang von mindestens 160 Unterrichtsstunden sowie ein zweiwöchiges Betreuungspraktikum. |
Modul 1: |
Basiskurs Betreuungsarbeit in stationären Pflegeeinrichtungen |
Umfang: |
100 Stunden |
Inhalte: |
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- Grundkenntnisse der Kommunikation und Interaktion unter Berücksichtigung der besonderen Anforderungen an die Kommunikation und den Umgang mit Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen, mit Demenz, psychischen Erkrankungen oder geistigen Behinderungen,
- Grundkenntnisse über Demenzerkrankungen, psychische Erkrankungen, geistige Behinderungen sowie somatische Erkrankungen wie z. B. Diabetes und degenerativen Erkrankungen des Bewegungsapparats und deren Behandlungsmöglichkeiten
- Grundkenntnisse der Pflege und Pflegedokumentation (Hilfen bei der Nahrungsaufnahme, Umgang mit Inkontinenz, Schmerzen und Wunden usw.) sowie der Hygieneanforderungen im Zusammenhang mit Betreuungstätigkeiten zur Beurteilung der wechselseitigen Abhängigkeiten von Pflege und Betreuung,
- Erste Hilfe Kurs, Verhalten beim Auftreten eines Notfalls.
Modul 2: |
Betreuungspraktikum in einer stationären Pflegeeinrichtung |
Umfang: |
zwei Wochen |
Inhalte: |
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- Das Praktikum erfolgt in einer vollstationären oder teilstationären Pflegeeinrichtung unter Anleitung und Begleitung einer in der Pflege und Betreuung erfahrenen Pflegefachkraft, um praktische Erfahrungen auch in der Betreuung von Menschen mit einer erheblichen Einschränkung der Alltagskompetenz zu sammeln. Ist in einer stationären Pflegeeinrichtung eine Pflegefachkraft mit einer gerontopsychiatrischen Zusatzausbildung beschäftigt, soll dieser nach Möglichkeit die Anleitung und die Begleitung während des Praktikums übertragen werden. Das Praktikum muss nicht in einem Block absolviert werden, sondern kann zur besseren Vereinbarkeit mit beruflichen und familiären Pflichten auch aufgeteilt werden.
Modul 3: |
Aufbaukurs Betreuungsarbeit in stationären Pflegeeinrichtungen |
Umfang: |
60 Stunden |
Inhalte: |
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- Vertiefen der Kenntnisse, Methoden und Techniken über das Verhalten, die Kommunikation und die Umgangsformen mit betreuungsbedürftigen Menschen,
- Rechtskunde (Grundkenntnisse des Haftungsrechts, Betreuungsrechts, der Schweigepflicht und des Datenschutzes und zur Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen),
- Hauswirtschaft und Ernährungslehre mit besonderer Beachtung von Diäten und Nahrungsmittelunverträglichkeiten,
- Beschäftigungsmöglichkeiten und Freizeitgestaltung für Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen und/oder mit Demenzerkrankungen,
- Bewegung für Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen und/oder mit Demenz, psychischen Erkrankungen oder geistigen Behinderungen,
- Kommunikation und Zusammenarbeit mit den an der Pflege Beteiligten, z.B. Pflegekräften, Angehörigen und ehrenamtlich Engagierten.
(4) Die regelmäßige Fortbildung umfasst jährlich mindestens insgesamt 16 Unterrichtsstunden, in denen das Wissen aktualisiert wird und eine Reflexion der beruflichen Praxis eingeschlossen ist.
…”
Mit einem Mitteilungsformular vom 12. Mai 2015 beantragte der Arbeitgeber die Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung von Frau W mit Wirkung zum 19. Mai 2015 als „Betreuungsassistentin (87b SGB XI)” mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 10 Stunden und gab in der Spalte „EG / Stufe” als beabsichtigte Eingruppierung „EG 2/ Stufe 1” an.
Frau W hat einen Abschluss als Diätassistentin und eine Qualifikation gemäß § 4 Betreuungskräfte-RL. Sie hat im Rahmen der Betreuung und Aktivierung der in der Tagespflegeeinrichtung des Arbeitgebers versorgten Menschen mit den Pflegebedürftigen folgende Aktivitäten auszuführen:
- Malen und Basteln (8 Prozent der Gesamtarbeitszeit),
- handwerkliche Arbeiten und leichte Gartenarbeiten (17 Prozent der Gesamtarbeitszeit),
- Kochen und Backen (19 Prozent der Gesamtarbeitszeit),
- Anfertigung von Erinnerungsalben oder Ordnern (4 Prozent der Gesamtarbeitszeit),
- Musik hören, Musizieren und Singen (11 Prozent der Gesamtarbeitszeit),
- Spielen von Brett- und Kartenspielen (16 Prozent der Gesamtarbeitszeit),
- Spaziergänge und Ausflüge (5 Prozent der Gesamtarbeitszeit),
- Bewegungsübungen und Tanzen in der Gruppe (9 Prozent der Gesamtarbeitszeit),
- Lesen und Vorlesen (11 Prozent der Gesamtarbeitszeit).
Mit Schreiben vom 13. Mai 2015 stimmte der Betriebsrat der Einstellung von Frau W zu und erklärte zugleich den Widerspruch zur im Mitteilungsformular des Arbeitgebers angegebenen Eingruppierung. Unter Bezugnahme auf die Betreuungskräfte-RL begründete er den Widerspruch damit, Frau W müsse zutreffenderweise in die Entgeltgruppe 3 TV AWO NRW eingruppiert werden. Die Voraussetzungen der – dieser entsprechenden – VergGr. VIII Fallgr. 2 BMT-AW II (Sozial- und Erziehungsdienst) lägen vor.
Mit seiner dem Betriebsrat am 12. Juni 2015 zugestellten Antragsschrift hat der Arbeitgeber die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu der von ihm beabsichtigten Eingruppierung begehrt. Er hat dazu die Ansicht vertreten, die Arbeitnehmerin W sei zutreffend in die Entgeltgruppe 2 TV AWO NRW eingruppiert. Da das Berufsbild der Betreuungskräfte den Tarifvertragsparteien nicht bekannt gewesen sei, müsse die Vergütungsgruppe gefunden werden, die diesem Berufsbild am ehesten gerecht werde. Eine Eingruppierung gemäß Teil II (Vergütungsordnung für Angestellte im Pflegedienst) des TV TM AWO scheide aus, da die Arbeitnehmerin W nicht im pflegerischen Bereich tätig werde. Sie werde auch nicht in einem Seniorenheim, sondern in einer teilstationären Einrichtung eingesetzt. Der Schwerpunkt der Tätigkeit einer Betreuungskraft liege im sozialen Bereich, so dass Teil I des TV TM AWO einschlägig sei. „Am ehesten” passe hier die im Teil I Abschnitt B Unterabschn. 2 („Ambulante Sozial- und Gesundheitsdienste”) des TV TM AWO aufgeführte Fallgruppe 1 der VergGr. IXa („Mitarbeiterinnen ohne entsprechende Ausbildung, die persönliche und pflegerische Betreuung einschließlich Versorgung des Haushalts und Instandhaltung der Wohnung nach Anweisung wahrnehmen”). Für die Senioren entspreche die Tageseinrichtung während der Betreuung einer „Wohnung” im Sinne der Tarifvorschrift. Da hier auch aufgeräumt und Mahlzeiten zubereitet würden, lägen die Voraussetzungen einer „Versorgung des Haushalts und Instandhaltung der Wohnung” vor. Die von dem Betriebsrat im Widerspruchsschreiben aufgeführte Fallgruppe 2 der VergGr. VIII („Angestellte als Helfer im Sozial- und Erziehungsdienst mit einer für ihre Tätigkeit förderlichen Ausbildung …”) in Teil I Abschnitt B Unterabschn. 1 („Sozial- und Erziehungsdienst”) des TV TM AWO sei nicht einschlägig. Die Betreuungskräfte seien schon keine Helfer im Sinne der Tarifnorm, da sie nicht den Pflegefachkräften assistierten, sondern eigene Aufgaben erfüllten. Vor allem aber verfüge die Arbeitnehmerin W nicht über eine förderliche Ausbildung im Sinne der Tarifnorm. Die Qualifizierung zur zusätzlichen Betreuungskraft iSd. Betreuungskräfte-RL sei keine hinreichende Ausbildung, da hierfür – unstreitig – keine Abschlussprüfungen durchgeführt werden. Auch auf die Ausbildung zur Diätassistentin könne nicht abgestellt werden, da das Kochen und Backen mit den Senioren lediglich 19 Prozent der Gesamttätigkeit ausmache.
Der Arbeitgeber hat beantragt,
die verweigerte Zustimmung des Beteiligten zu 2. zur Eingruppierung der Mitarbeiterin W in die Entgeltgruppe 2 Stufe 1 der Anlage A zu § 19 TV AWO NRW zu ersetzen.
Der Betriebsrat hat die Zurückweisung dieses Antrags beantragt und dazu die Auffassung vertreten, eine Eingruppierung nach den Regeln für die ambulanten Sozial- und Gesundheitsdienste schiede aus, weil die Betreuungsassistenten gemäß § 2 Abs. 4 Betreuungskräfte-RL gerade nicht regelmäßig in grundpflegerische sowie hauswirtschaftliche Tätigkeiten eingebunden werden dürften, sondern das Wohlbefinden und den physischen sowie psychischen Zustand der Demenzerkrankten aktivieren sollten. Zudem finde die Betreuung in der Einrichtung des Arbeitgebers statt. Einschlägig sei Teil I Abschnitt B Unterabschn. 1 („Sozial- und Erziehungsdienst”) des TV TM AWO, da hier Tageseinrichtungen erfasst seien, bei denen nicht der pflegerische Aspekt im Vordergrund stehe. Die Arbeitnehmerin W sei dort in die VergGr. VIII Fallgr. 2 TV TM AWO einzureihen, weil sie als Helferin zu qualifizieren sei. Sie unterstütze die bislang eingesetzten Kräfte, was auch den der Regelung in § 1 Betreuungskräfte-RL genannten Tätigkeiten entspreche. Zudem stelle der in § 4 Betreuungskräfte-RL geregelte Kurs eine Ausbildung iSd. Tätigkeitsmerkmals dar. Bei der Ausbildung zur Betreuungsassistentin handele es sich um eine Ausbildung iSd. tariflichen Regelung. Da die Betreuungskräfte-RL erstmals 2008 beschlossen worden sei, hätten die Tarifvertragsparteien dieses Berufsbild in ihrem über 38 Jahre alten Tarifwerk nicht erfassen können. Hätten die Tarifvertragsparteien grundsätzlich eine bestimmte Ausbildungsdauer voraussetzen wollen, so hätten sie das Erfordernis einer solchen problemlos der Regelung hinzufügen können. Da sie dies nicht getan hätten, erfasse der Begriff auch kürzere Ausbildungsgänge, und zwar selbst solche, die damals noch unbekannt, aber nunmehr als förderlich iSd. tariflichen Regelung anzusehen seien.
Das Arbeitsgericht hat dem Zustimmungsersetzungsantrag des Arbeitsgebers stattgegeben. Auf die Beschwerde des Betriebsrats hat das Landesarbeitsgericht den erstinstanzlichen Beschluss abgeändert und den Antrag zurückgewiesen. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Arbeitgeber weiterhin die gerichtliche Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung.
Entscheidungsgründe
B. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Der Zustimmungsersetzungsantrag hat keinen Erfolg.
I. Der Antrag des Arbeitgebers ist zulässig. Insbesondere besteht für den auf die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung der Arbeitnehmerin W gerichteten Antrag das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.
1. Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Zustimmungsersetzungsantrag nach § 99 Abs. 4 BetrVG setzt voraus, dass der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 Abs. 1 BetrVG bei der noch beabsichtigten endgültigen personellen Einzelmaßnahme hat und der Arbeitgeber daher der Zustimmung des Betriebsrats dafür bedarf (BAG 14. April 2015 – 1 ABR 58/13 – Rn. 14; 9. Oktober 2013 – 7 ABR 1/12 – Rn. 31).
2. Bei der hier verfahrensgegenständlichen erstmaligen Einreihung der Arbeitnehmerin W in die beim Arbeitgeber, der in der Regel mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt, geltende Vergütungsordnung handelt es sich um eine nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG mitbestimmungspflichtige Eingruppierung.
3. Weil der Betriebsrat der vom Arbeitgeber als zutreffend angenommenen Eingruppierung in die Entgeltgruppe 2 Stufe 1 der Anlage A zu § 19 TV AWO NRW seine Zustimmung verweigert hat und die Zustimmung des Betriebsrats auch nicht bereits nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt gilt, hat der Arbeitgeber ein rechtliches Interesse, diese nach § 99 Abs. 4 BetrVG gerichtlich ersetzen zu lassen.
a) Der Arbeitgeber hat das Zustimmungsverfahren ordnungsgemäß eingeleitet. Insbesondere ist die Auslegung des Landesarbeitsgerichts, dass in der „Mitteilung an den Betriebsrat” nicht nur ein Antrag auf Zustimmung zur Einstellung der Arbeitnehmerin W liegt, sondern zugleich zu deren Eingruppierung, obgleich der Arbeitgeber in dem Mitteilungsformular lediglich das Feld „Einstellung” und nicht zugleich das Feld „Entgeltgruppe” angekreuzt hat, nicht zu beanstanden; sie wird auch von keinem der Beteiligten gerügt. Vielmehr hat der Betriebsrat in seinem Schreiben vom 13. Mai 2015 der beantragten Einstellung ausdrücklich zugestimmt und nur der Eingruppierung der Arbeitnehmerin W in die Entgeltgruppe 2 widersprochen (vgl. auch BAG 10. November 2009 – 1 ABR 64/08 – Rn. 19, für eine Unterrichtung über Versetzung und Umgruppierung).
b) Der Arbeitgeber hat die Einhaltung der Form und der Frist des Widerspruchs des Betriebsrats gegen die verfahrensgegenständliche Eingruppierung nicht angegriffen. Hierfür besteht auch kein Anlass.
II. Der Antrag des Arbeitgebers auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats nach § 99 Abs. 4 BetrVG ist unbegründet. Der Betriebsrat hat seine Zustimmung zu der Eingruppierung der Arbeitnehmerin W zu Recht verweigert. Im Ergebnis zutreffend hat das Landesarbeitsgericht erkannt, dass die Eingruppierung der Arbeitnehmerin W gegen eine Bestimmung aus einem Tarifvertrag verstößt (§ 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG). Sie ist nicht in der Entgeltgruppe 2 Stufe 1 der Anlage A zu § 19 TV AWO NRW eingruppiert.
1. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass für die Eingruppierung der Arbeitnehmerin W nach § 16 Abs. 1 TV-Ü AWO NRW der § 22 BMT-AW II einschließlich des TV TM AWO maßgebend ist.
a) Der TV AWO NRW in der Fassung des 5. Änderungs-TV vom 31. Januar 2015 enthält ua. folgende Regelungen:
„§ 19 Tabellenentgelt
(1) 1Die Beschäftigten erhalten monatlich ein Tabellenentgelt. 2Die Höhe bestimmt sich nach der Entgeltgruppe, in die sie eingruppiert sind, und nach der für sie geltenden Stufe.
(2) Beschäftigte erhalten Entgelt nach der Anlage A, soweit in einer Sonderregelung keine abweichenden Bestimmungen festgelegt sind.
§ 20 Stufen der Entgelttabelle
(1) |
Die Entgeltgruppen 2 bis 15 umfassen sechs Stufen. |
(2) |
1Bei Einstellung in eine der Entgeltgruppen 2 bis 15 werden die Beschäftigten der Stufe 1 zugeordnet, sofern keine einschlägige Berufserfahrung vorliegt. 2Verfügen die Beschäftigten über eine einschlägige Berufserfahrung von mindestens einem Jahr, erfolgt die Einstellung in die Stufe 2. |
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Protokollerklärungen zu Absatz 2: |
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(1) |
Ein Berufspraktikum nach dem TV-Prakt AWO NRW oder nach dem Tarifvertrag zur Regelung der Praktikantenverhältnisse zwischen dem AWO Bundesverband e.V. und ver.di/ötv vom 29. Mai 1998 gilt grundsätzlich als Erwerb einschlägiger Berufserfahrung. |
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(2) |
Die einschlägige Berufserfahrung muss unter vergleichbaren Strukturen und Arbeitsanforderungen erworben und durch Zeugnisse oder vergleichbare Nachweise dargelegt werden. |
…” |
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|
Soweit für das vorliegende Beschlussverfahren von Interesse bestimmt der TV-Ü AWO NRW in der Fassung des 6. Änderungs-TV vom 10. März 2016:
„§ 16 Eingruppierung
(1) |
1Bis zum Inkrafttreten der Eingruppierungsvorschriften des TV-AWO NRW (mit Entgeltordnung) gelten § 2 ÜbgTV B und – West i.V.m. dem Text der ehemaligen §§ 22 und 22a BMT-AW II einschließlich des Tarifvertrages über die Tätigkeitsmerkmale zum BMT-AW II bzw. die §§ 22 und 22 a BMT-AW II einschließlich des Tarifvertrages über die Tätigkeitsmerkmale zum BMT-AW II über den 31. Dezember 2007 hinaus fort. 2Diese Regelungen finden auf übergeleitete und ab dem 01. Januar 2008 neu eingestellte Beschäftigte im jeweiligen bisherigen Geltungsbereich nach Maßgabe dieses Tarifvertrages Anwendung. 3§ 14 bleibt unberührt. An die Stelle der Begriffe Vergütung und Lohn tritt der Begriff Entgelt. |
(2) |
Abweichend von Absatz 1 gilt § 2 ÜbgTV i.V.m. dem ehemaligen Text des Tarifvertrages über die Tätigkeitsmerkmale zum BMT-AW II oder der Tarifvertrag über Tätigkeitsmerkmale zum BMT-AW II nicht für ab dem 01. Januar 2008 in Entgeltgruppe 1 TV-AWO NRW neu eingestellte Beschäftigte. |
… |
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(7) |
Für Eingruppierungen zwischen dem 01. Januar 2008 und dem Inkrafttreten der neuen Entgeltordnung werden die Vergütungs- und Lohngruppen des Tarifvertrages über die Tätigkeitsmerkmale zum BMT-AW II gemäß Anlage 2 den Entgeltgruppen des TV AWO NRW zugeordnet. |
…” |
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Die Anlage 2 zum TV-Ü AWO NRW hat auszugsweise folgenden Inhalt:
„EG |
Vergütungsgruppe |
Lohngruppe |
… |
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3 |
VIII mit Aufstieg nach VII |
3 mit Aufstieg nach 3a |
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VIII ohne Aufstieg nach VII |
2 mit Aufstieg nach 3 und 3a |
2Ü |
– |
2 mit Aufstieg nach 2a |
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1 mit Aufstieg nach 2 und 2a |
2 |
IXa Aufstieg nach VIII |
1 mit Aufstieg nach 1a |
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IX mit Aufstieg nach aus IXa oder VIII |
(keine Stufe 6) |
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X (keine Stufe 6) |
1 |
Beschäftigte mit einfachen Tätigkeiten, z.B.
- Essens- und Getränkeausgeber/innen
- Garderobenpersonal
- Spülen und Gemüseputzen und sonstige Tätigkeiten im Haus- und Küchenbereich
- Reiniger/innen in Außenbereichen wie Höhe, Wege, Grünanlagen, Parks
- Wärter/innen von Bedürfnisanstalten
- Servierer/innen
- Hausarbeiter/innen,
- Hausgehilfe/Hausgehilfin
- Bote/Botin (ohne Aufsicht sfunktion)
Ergänzungen können durch landesbezirklichen Tarifvertrag geregelt werden. Hinweis: Diese Zuordnung gilt unabhängig von bisherigen tariflichen Zuordnungen zu Vergütungs-/Lohngruppen.” |
b) Damit erfolgt die Eingruppierung der Arbeitnehmerin W anhand der Tätigkeitsmerkmale des TV TM AWO. Eine Entgeltordnung zum TV AWO NRW ist bislang nicht in Kraft getreten. Die Übergangsregelungen, nach denen die bisherigen Eingruppierungsvorschriften maßgebend sind, gelten daher nicht nur für übergeleitete Beschäftigte, sondern grundsätzlich auch für solche, die wie die Arbeitnehmerin W nach dem 1. Januar 2008 neu eingestellt wurden (§ 16 Abs. 1 Satz 2 TV-Ü AWO NRW).
Die Ausnahmeregelung des § 16 Abs. 2 TV-Ü AWO NRW, wonach dies für ab dem 1. Januar 2008 in die Entgeltgruppe 1 neu eingestellte Beschäftigte nicht gilt, greift nicht. Die Arbeitnehmerin W hat keine der in der Entgeltgruppe 1 TV AWO NRW aufgeführten oder mit ihnen vergleichbaren einfachen Tätigkeiten auszuüben. Davon gehen auch Arbeitgeber und Betriebsrat aus.
c) Die Vergütungsgruppen des TV TM AWO werden nach § 16 Abs. 7 TV-Ü AWO NRW gemäß dessen Anlage 2 bzw. für die Beschäftigten im Pflegedienst gemäß dessen Anlage 3 (sh. Protokollerklärung zu § 16 Abs. 7 TV-Ü AWO NRW) den Entgeltgruppen des TV AWO NRW zugeordnet.
2. Die Arbeitnehmerin W ist in keiner Vergütungsgruppe des Tarifvertrags über die Tätigkeitsmerkmale zum BMT-AW II eingruppiert, die zu einer Zuordnung in die Entgeltgruppe 2 TV AWO NRW führte. Sie erfüllt vielmehr die Anforderungen des Tätigkeitsmerkmals der VergGr. VIII Fallgr. 2 TV TM AWO, was zu einer Eingruppierung in der Entgeltgruppe 3 TV AWO NRW führt.
a) Nach § 22 Abs. 2 BMT-AW II ist – ebenso wie bei § 22 Abs. 2 BAT – die zentrale Kategorie der Eingruppierung der Arbeitsvorgang. Das Landesarbeitsgericht hat es zwar unterlassen, Arbeitsvorgänge zu bestimmen. Dies ist jedoch unschädlich, da der Senat die Arbeitsvorgänge der von der Arbeitnehmerin W auszuübenden Tätigkeit selbst bestimmen kann, weil hierzu ausreichende Tatsachenfeststellungen vorliegen (vgl. st. Rspr., zB BAG 17. Juni 2015 – 4 AZR 371/13 – Rn. 21 mwN). Danach besteht die Tätigkeit der Arbeitnehmerin W aus einem einheitlichen Arbeitsvorgang, dem das Arbeitsergebnis der Aktivierung und Betreuung an Demenz erkrankter Pflegebedürftiger in einer Tagespflegeeinrichtung zugrunde liegt.
aa) Der BMT-AW II enthält ua. folgende Regelungen:
„MTV § 22 Eingruppierung
(1) Der Arbeitnehmer ist nach dem Tarifvertrag über die Tätigkeitsmerkmale in die Vergütungs- bzw. Lohngruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmale der gesamten, von ihm nicht nur vorübergehend auszuübenden Tätigkeit entspricht.
(2) Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerkmalen einer Vergütungs- bzw. Lohngruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Vergütungsgruppe bzw. Lohngruppe erfüllen. Kann die Erfüllung einer Anforderung in der Regel erst bei der Betrachtung mehrerer Arbeitsvorgänge festgestellt werden (z.B. vielseitige Fachkenntnisse), sind diese Arbeitsvorgänge für die Feststellung, ob diese Anforderung erfüllt ist, insoweit zusammen zu beurteilen.
Werden in einem Tätigkeitsmerkmal mehrere Anforderungen gestellt, gilt das in Unterabsatz 1 Satz 1 bestimmte Maß, ebenfalls bezogen auf die gesamte auszuübende Tätigkeit, für jede Anforderung.
Ist in einem Tätigkeitsmerkmal ein von Unterabsatz 1 oder 2 abweichendes zeitliches Maß bestimmt, gilt dieses.
Ist in einem Tätigkeitsmerkmal als Anforderung eine Voraussetzung in der Person des Arbeitnehmers bestimmt, muß auch diese Anforderung erfüllt sein.
…”
bb) Nach der Protokollnotiz Nr. 1 zu § 22 Abs. 2 BMT-AW II sind Arbeitsvorgänge Arbeitsleistungen (einschließlich Zusammenhangsarbeiten), die, bezogen auf den Aufgabenkreis des Arbeitnehmers, zu einem bei natürlicher Betrachtung abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen. Jeder einzelne Arbeitsvorgang ist als solcher zu bewerten und darf dabei hinsichtlich der Anforderungen zeitlich nicht aufgespalten werden. Maßgebend für die Bestimmung eines Arbeitsvorgangs ist hiernach das Arbeitsergebnis (st. Rspr., etwa BAG 21. März 2012 – 4 AZR 266/10 – Rn. 24; 25. August 2010 – 4 AZR 5/09 – Rn. 22 mwN). Dabei kann die gesamte vertraglich geschuldete Tätigkeit einen einzigen Arbeitsvorgang ausmachen. Wiederkehrende, gleichartige und gleichwertige Bearbeitungen können zusammengefasst werden; nicht zusammengefasst werden können jedoch Bearbeitungen, die tariflich unterschiedlich zu bewerten sind. Letzteres gilt jedoch nur, wenn die unterschiedlich wertigen Arbeitsleistungen von vorneherein – sei es aufgrund der Schwierigkeit oder anderer Umstände – auseinandergehalten werden können und voneinander getrennt sind. Dafür reicht jedoch nicht die theoretische Möglichkeit, einzelne Arbeitsschritte oder Einzelaufgaben verwaltungstechnisch isoliert auf andere Beschäftigte übertragen zu können, solange sie als einheitliche Arbeitsaufgabe einer Person übertragen sind. Tatsächlich getrennt sind Arbeitsschritte nicht, wenn sich erst im Laufe der Bearbeitung herausstellt, welchen tariflich erheblichen Schwierigkeitsgrad der einzelne Fall aufweist (st. Rspr., zB BAG 22. Februar 2017 – 4 AZR 514/16 – Rn. 34; grdl. 23. September 2009 – 4 AZR 308/08 – Rn. 20, 24 mwN).
cc) Ausgehend davon handelt es sich bei der von der Arbeitnehmerin W auszuübenden Tätigkeit um einen einheitlichen Arbeitsvorgang. Das diesem zugrunde liegende (einheitliche) Arbeitsergebnis ist die Aktivierung und Betreuung an Demenz erkrankter Pflegebedürftiger in einer Tagespflegeeinrichtung. Damit ist nicht jede auf dieses Arbeitsergebnis gerichtete Einzeltätigkeit ein eigenständiger Arbeitsvorgang. Anderenfalls käme es zu einer tarifwidrigen Atomisierung solcher Tätigkeiten (BAG 20. März 1996 – 4 AZR 1052/94 – zu II 2 b der Gründe, BAGE 82, 272). Ebenso wenig bildet die Betreuung jedes einzelnen Pflegebedürftigen einen eigenständigen Arbeitsvorgang, da der der Arbeitnehmerin W zur Betreuung zugewiesene Personenkreis (an Demenz erkrankte Pflegebedürftige) einheitlich bestimmt ist (vgl. BAG 10. Dezember 2014 – 4 AZR773/12 – Rn. 25 mwN). Etwaige im Rahmen der Durchführung der Aktivierungsund Betreuungstätigkeiten unaufschiebbar und unmittelbar erforderlich werdende grundpflegerische oder hauswirtschaftliche Tätigkeiten (vgl. § 2 Abs. 4 Betreuungskräfte-RL) sind als Zusammenhangstätigkeiten anzusehen. Dies wird auch von keinem der Beteiligten anders gesehen.
b) Im Ergebnis zutreffend hat das Landesarbeitsgericht erkannt, dass die Tätigkeit der Arbeitnehmerin W keines der Tätigkeitsmerkmale in Teil II des TV TM AWO, der ausweislich seiner Überschrift Tätigkeitsmerkmale „für Angestellte im Pflegedienst” enthält, erfüllt. Hiervon gehen auch die Beteiligten aus.
aa) Für den Abschnitt A („… in Krankenanstalten”) folgt dies bereits daraus, dass die Tagespflegeeinrichtung, in der die Mitarbeiterin W tätig ist, nicht unter den Geltungsbereich dieses Abschnitts fällt, da der Zweck dieser Einrichtung nicht in der Behandlung von Krankheiten liegt, sondern in der Betreuung von alten, gebrechlichen oder sonstigen hilfsbedürftigen Menschen.
bb) Auch der Abschnitt B („… in Anstalten und Heimen”) ist nicht einschlägig. Diese Einrichtungen dienen ausweislich des Einleitungssatzes der Förderung der Gesundheit, der Erziehung, Fürsorge und Betreuung von Kindern und Jugendlichen, der Fürsorge und Betreuung von obdachlosen, alten, gebrechlichen, erwerbsbeschränkten oder sonstigen hilfsbedürftigen Personen. Dazu gehören zwar auch die Arbeitnehmer in Anstalten, in denen die betreuten Personen nicht regelmäßig behandelt und beaufsichtigt werden. Voraussetzung ist aber die Zuordnung zum Pflegepersonal. Dies ist bei der Arbeitnehmerin W zu verneinen. Sie ist weder Pflegehelferin noch Altenpflegehelferin mit entsprechender Tätigkeit (Fallgruppen 1 und 2 der VergGr. AW-KrT I TV TM AWO) und erst recht nicht mit einjähriger Ausbildung und verwaltungseigener Abschlussprüfung (Fallgruppen 2 und 4 der VergGr. AW-KrT II TV TM AWO).
cc) Auch eine Zuordnung der Tätigkeit der Arbeitnehmerin W zum Abschnitt C scheidet aus, weil die Tagespflegeeinrichtung, in der sie tätig ist, nicht unter dessen Geltungsbereich fällt. In diesem Abschnitt finden sich Tätigkeitsmerkmale für das Pflegepersonal, das in ambulanten Sozial- und Gesundheitsdiensten eingesetzt wird (Einleitungssatz zu Abschnitt C). Nach § 71 Abs. 1 SGB XI sind ambulante Pflegeeinrichtungen selbständig wirtschaftende Einrichtungen, die unter ständiger Verantwortung einer ausgebildeten Pflegefachkraft Pflegebedürftige in ihrer Wohnung pflegen und hauswirtschaftlich versorgen. Ambulante Pflege ist demnach Pflege und hauswirtschaftliche Versorgung in der Wohnung des Pflegebedürftigen und nicht etwa in einer – wie hier – Einrichtung, was im Übrigen auch dem allgemeinen Sprachgebrauch entspricht (BFH 9. September 2015 – X R 2/13 – Rn. 30, BFHE 251, 59). Dafür, dass die Tarifvertragsparteien ein davon abweichendes Verständnis hatten, ist nichts ersichtlich.
c) Dementsprechend scheidet auch die von dem Arbeitgeber vorgesehene Zuordnung der Arbeitnehmerin W zum Teil I Abschnitt B Unterabschn. 2 („Ambulante Sozial- und Gesundheitsdienste”) des TV TM AWO aus.
aa) Die von dem Arbeitgeber in seinem Zustimmungsverlangen angewandte Eingruppierungsregelung hat ua. folgenden Wortlaut:
„Tarifvertrag Tätigkeitsmerkmale Teil 1 B 2. Ambulante Sozial- und Gesundheitsdienste*)
*) Ambulante Sozial- und Gesundheitsdienste bündeln Dienste unterschiedlicher Art. Dazu gehören unter anderem die Krankenpflege, die Haushaltspflege, Hilfen zur Förderung der Mobilität von Betreuten, Hilfen zur Erleichterung der Kommunikation; Unterstützung, Ergänzung oder Ersatz der die Kinder versorgenden Elternteile; Mahlzeitendienste und andere mobile Dienste. Entsprechend dieser Struktur sind die Tätigkeitsmerkmale in Analogie zum pflegerischen Bereich (AW-KrT), zum Sozialdienst und zum Wirtschaftsdienst zu sehen.
…
Vergütungsgruppe IXa
1. Mitarbeiterinnen ohne entsprechende Ausbildung, die persönliche und pflegerische Betreuung einschließlich Versorgung des Haushalts und Instandhaltung der Wohnung nach Anweisung wahrnehmen.
…
Hinweis:
Das Pflegepersonal für ambulante Sozial- und Gesundheitsdienste ist in Teil II C des Tarifvertrages über die Tätigkeitsmerkmale zum Bundes-Manteltarifvertrag (BMT-AW II) für Arbeitnehmer der Arbeiterwohlfahrt (AW-KrT) eingruppiert.
…”
bb) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht eine Eingruppierung nach dieser Regelung verneint. Es ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Arbeitnehmerin W ihre Tätigkeiten nicht ambulant, sondern in einer teilstationären Einrichtung erbringt. Auch die übrigen Voraussetzungen der Fallgruppe 1 zu VergGr. IXa TV TM AWO liegen nicht vor, da die Arbeitnehmerin W keinerlei Versorgung des Haushalts und Instandhaltung der Wohnung von Pflegebedürftigen durchführt, sondern sie ausschließlich in der Tagespflegeeinrichtung des Arbeitgebers betreut.
d) Die Tätigkeit der Arbeitnehmerin W erfüllt jedoch – wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat – die Anforderungen des Tätigkeitsmerkmals der VergGr. VIII Fallgr. 2 Alt. 1 in Teil I Abschnitt B Unterabschn. 1 („Sozial- und Erziehungsdienst”) des TV TM AWO.
aa) Insoweit enthält der TV TM AWO ua. folgende Regelung:
„Tarifvertrag Tätigkeitsmerkmale Teil 1 B 1. Sozial- und Erziehungsdienst
…
Vergütungsgruppe VIII
1. |
Kinderpflegerinnen mit staatlicher Anerkennung oder mit staatlicher Prüfung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben (Hierzu Protokollnotiz Nr. 1) |
2. |
Angestellte als Helfer im Sozial- und Erziehungsdienst mit einer für ihre Tätigkeit förderlichen Ausbildung oder die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben (Hierzu Protokollnotizen Nrn. 1 und 3) |
3. |
Angestellte der Vergütungsgruppe IXa, Fallgruppen 1 und 2 nach zweijähriger Tätigkeit in diesen Fallgruppen |
Vergütungsgruppe IXa
1. |
Angestellte in der Tätigkeit von Kinderpflegerinnen mit staatlicher Anerkennung (Hierzu Protokollnotiz Nr. 1) |
2. |
Angestellte als Helfer ohne Ausbildung im Sozial- und Erziehungsdienst (Hierzu Protokollnotizen Nrn. 1 und 3) |
Protokollnotizen
… |
|
03. |
Als entsprechende Tätigkeit im Sozial- und Erziehungsdienst gilt auch die Betreuung von über 18jährigen Personen (z.B. in Einrichtungen für Behinderte im Sinne des § 39 BSHG oder für Obdachlose). |
…” |
|
bb) Unter Beachtung dieser Tarifregelungen scheidet ein Tätigkeitsmerkmal der VergGr. IXa TM TV AWO, das zu einer Eingruppierung in der Entgeltgruppe 2 TV AWO NRW führen würde, aus. Die Tätigkeit der Arbeitnehmerin W als Betreuungskraft erfüllt vielmehr die Anforderungen des Tätigkeitsmerkmals der Fallgruppe 2 zu VergGr. VIII TV TM AWO.
(1) Mit zutreffender Begründung hat das Landesarbeitsgericht erkannt, dass die Tätigkeit der Arbeitnehmerin W als Betreuungsassistentin in der Tagespflege für demenzkranke Menschen eine Tätigkeit im Sozialdienst iSd. Fallgruppe 2 zu VergGr. VIII TV TM AWO ist.
(a) Sozialdienst ist eine institutionalisierte Hilfe für hilfebedürftige Menschen. Dies beinhaltet nach dem Willen der Tarifvertragsparteien auch die Hilfe für Menschen, die aufgrund von Krankheit oder wegen Alters hilfebedürftig sind. So sind dem entsprechenden Teil I Abschnitt B TV TM AWO mehrere entsprechende Tätigkeiten und Institutionen zugeordnet, zB „Stationäre und Teilstationäre Einrichtungen der Altenhilfe” (hinsichtlich hier nicht einschlägiger Leitungsfunktionen) und „Betreuer von Maßnahmen der Altenerholung”. Dafür dass auch die Betreuung von erwachsenen hilfebedürftigen Menschen, also auch demenzkranken Pflegebedürftigen, eine Tätigkeit im Sozial- und Erziehungsdienst iSd. VergGr. VIII Fallgr. 2 Alt. 1 in Teil I Abschnitt B Unterabschn. 1 TV TM AWO ist, spricht auch die ua. dazu ergangene Protokollnotiz Nr. 03. Die in dieser Protokollnotiz aufgeführten Einrichtungen für Behinderte iSd. § 39 BSHG oder Obdachlose sind lediglich beispielhaft genannt und nicht abschließend. Lediglich für das Pflegepersonal haben die Tarifvertragsparteien in Teil II des TV TM AWO besondere Tätigkeitsmerkmale geschaffen.
(b) Die Arbeitnehmerin W ist eine Angestellte als Helferin im Sozial- und Erziehungsdienst.
(aa) Dieses in der Fallgruppe 2 zu VergGr. IXa TV TM AWO geregelte Tätigkeitsmerkmal hat eine Auffangfunktion und greift ein, wenn – wie hier – für einzelne Tätigkeiten im Sozial- und Erziehungsdienst kein spezielles Merkmal zur Anwendung kommt und eine Zuordnung zu den allgemeinen Merkmalen für Kinderpflegerinnen, Erzieher und Sozialarbeiter/Sozialpädagogen nicht erfolgen kann (Ihlenfeld Eingruppierungsrecht Arbeiterwohlfahrt Rn. 449). Helfer im Sozial- und Erziehungsdienst ist danach ein Mitarbeiter, der keine der in den übrigen Tätigkeitsmerkmalen geforderte Berufsausbildung, staatliche Anerkennung oder Prüfung vorzuweisen oder – in Abgrenzung zu den „sonstigen Angestellten” – gleichwertige Fähigkeiten und Erfahrungen hat und der dementsprechend im Bereich des Sozial- und Erziehungsdienstes eine fachlich einfache und unterstützende oder ergänzende Arbeit leistet. Nicht hingegen ist erforderlich, dass der „Angestellte als Helfer” iSd. VergGr. VIII Fallgr. 2 Teil I Abschnitt B Unterabschn. 1 TV TM AWO eine Tätigkeit unter Anleitung ausübt. Eine solche Spezifizierung weist der TV TM AWO an anderer Stelle eindeutig aus, wenn er beispielsweise bei der VergGr. IXb Fallgr. 1 Teil I Abschnitt B Unterabschn. 2 TV TM AWO ausdrücklich die einschränkende Voraussetzung einer Tätigkeit als Helfer „unter Anleitung” regelt.
(bb) Die Arbeitnehmerin W leistet als Betreuungsassistentin in Bezug auf die Hilfe für an Demenz erkrankte, pflegebedürftige Personen eine ergänzende Arbeit, indem sie mit diesen Personen Alltagsaktivitäten ausführt wie Malen und Basteln, handwerkliche Arbeiten und leichte Gartenarbeiten, Kochen und Backen, Anfertigen von Erinnerungsalben oder Ordnern, Musik hören, Musizieren und Singen, Spielen von Brett- und Kartenspielen, Spaziergänge und Ausflüge, Bewegungsübungen und Tanzen in der Gruppe sowie Lesen und Vorlesen. Diese – hinsichtlich der fachlichen Anforderungen – einfachen Tätigkeiten, ergänzen die Tätigkeiten des Pflegepersonals, dessen Aufgabe die Beratung, Betreuung, Versorgung und Pflege der pflegebedürftigen Menschen ist. Die Tätigkeit der Arbeitnehmerin W besteht gerade in einer über die Betreuung durch die Pflegekräfte hinausgehenden, zusätzlichen Betreuung. Dies entspricht auch der Zielsetzung der Betreuungskräfte-RL, wonach „durch mehr Zuwendung, zusätzliche Betreuung und Aktivierung” die Lebensqualität der Pflegebedürftigen verbessert werden soll.
(2) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht weiterhin erkannt, dass die in§ 4 Betreuungskräfte-RL geregelte und von der Arbeitnehmerin W erworbene Qualifikation eine für ihre Tätigkeit förderliche Ausbildung iSd. VergGr. VIII Fallgr. 2 Teil I Abschnitt B Unterabschn. 1 TV TM AWO ist.
(a) Eine für die Tätigkeit förderliche Ausbildung im tariflichen Sinne beinhaltet die organisierte Vermittlung von zusätzlichen Kenntnissen und Fähigkeiten, die der Qualität der ausgeübten Tätigkeit zugute kommt und nicht nur von völlig untergeordneter Bedeutung ist. Formelle Anforderungen an diese Ausbildung, wie etwa eine Mindestdauer oder einen Abschluss, setzt der Tarifvertrag nicht voraus.
(aa) Unter dem Begriff der „Ausbildung” wird die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten verstanden, die für eine bestimmte Tätigkeit oder Aufgaben Voraussetzung sind (BAG 24. Februar 2010 – 4 AZR 657/08 – Rn. 51 unterBezugnahme auf Duden Das große Wörterbuch der deutschen Sprache 13. Aufl. Stichwort: „Ausbildung”; vgl. auch 18. Juni 1997 – 4 AZR 747/95 – zu II 5.3.1 der Gründe mwN). Indem die Tarifvertragsparteien eine „Ausbildung” voraussetzen, machen sie deutlich, dass die Kenntnisse und Fähigkeiten durch eine ausbildende Stelle in einem geordneten Ausbildungsgang vermittelt werden müssen (BAG 24. Februar 2010 – 4 AZR 657/08 – aaO).
(bb) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht erkannt, dass das Merkmal der Ausbildung – entgegen der Auffassung des Arbeitgebers – weder eine Abschlussprüfung noch eine bestimmte Mindestdauer verlangt. Ebenso wenig erfordert das Tätigkeitsmerkmal eine Berufsausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf. Vielmehr ist jede für die auszuübende Tätigkeit förderliche Ausbildung ausreichend, die sowohl in der zeitlichen Dauer als auch inhaltlich von einigem Gewicht ist (vgl. BAG 18. Juni 1997 – 4 AZR 747/95 – zu II 5.3.4 der Gründe).
(aaa) Hinsichtlich der Dauer der Ausbildung sieht das Tätigkeitsmerkmal der VergGr. VIII Fallgr. 2 TV TM AWO keine bestimmte Mindestdauer vor. Es beschreibt auch nicht deren Inhalt in einer Weise, aus der sich ein Rückschluss auf eine bestimmte Mindestdauer ziehen ließe.
(bbb) Auch hinsichtlich Art und Güte sowie des näheren Inhalts der Ausbildung haben die Tarifvertragsparteien – über das Merkmal der Förderlichkeit hinaus – keine weiteren Mindestanforderungen formuliert. Ein Vergleich mit anderen Tätigkeitsmerkmalen des TV TM AWO macht deutlich, dass die Tarifvertragsparteien an anderer Stelle sehr differenzierte Anforderungen an die geforderte Ausbildung oder Prüfung gestellt haben (vgl. BAG 17. Mai 2001 – 8 AZR 277/00 – zu II 3 b cc der Gründe). So wird zB ausdrücklich eine „abgeschlosse-ne Berufsausbildung” (VergGr. VII Fallgr. 4 Teil I Abschnitt B Unterabschn. 1 TV TM AWO), eine „staatliche Anerkennung” oder „staatliche Prüfung” (VergGr. VIII Fallgr. 1 Teil I Abschnitt B Unterabschn. 1 TV TM AWO), eine „mindestens ein-jährige Ausbildung” und eine „verwaltungseigene Abschlußprüfung” (VergGr. AW-KrT II Fallgr. 2 Teil II Abschnitt B TV TM AWO) oder eine „erfolg-reich abgeschlossene Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von mindestens zweieinhalb Jahren” (LohnGr. 4 Fallgr. 1 Teil III TV TM AWO) gefordert. Derartige Spezifizierungen enthält die Anforderung an die förderliche Ausbildung eines Helfers im Sozial- und Erziehungsdienst gerade nicht, so dass daraus geschlossen werden muss, dass die Tarifvertragsparteien weitergehende spezielle Anforderungen nicht stellen.
(b) Die Ausbildung der Arbeitnehmerin W erfüllt diese tariflichen Anforderungen.
(aa) Bei der Qualifikation zur zusätzlichen Betreuungskraft handelt es sich um eine Ausbildung iSd. tariflichen Regelung und nicht – wie der Arbeitgeber meint – um ein bloßes „Anlernen”. Es ist bereits fraglich, was mit diesem Begriff ausgegrenzt werden soll. Seit der Reform des Berufsbildungsrechts 1969 ist das „Anlernen” kein im Verhältnis zum Begriff der „Berufsausbildung” gestufter juristischer Begriff (vgl. zur Geschichte des „Anlernberufs” instr. BAG 15. Oktober 1986 – 4 AZR 572/85 –; 14. Dezember 1994 – 4 AZR865/93 – zu II 5 a der Gründe, BAGE 79, 21) mehr. Es kann daher an den allgemeinen Sprachgebrauch angeknüpft werden, der von einer Einweisung in eine bestimmte Tätigkeit oder Fertigkeit ausgeht (vgl. Wahrig Deutsches Wörterbuch 9. Aufl.; auch reflexiv: „sich Kenntnisse, Fähigkeiten (oberflächlich) selbst beibringen”; ähnl. Duden Deutsches Universalwörterbuch 5. Aufl.). Insoweit ist im konkreten Zusammenhang mit „Anlernen” letztlich das Einarbeiten in ein bestimmtes berufliches Aufgabenfeld gemeint, das im Betrieb und in der konkret auszuübenden Tätigkeit stattfindet. Die Qualifikation iSd. § 4 Betreu-ungskräfte-RL ist hingegen eine geordnete formalisierte Maßnahme, bei der – losgelöst von einem konkreten Arbeitsplatz – von einer ausbildenden Stelle – hier: einem externen Anbieter – Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt werden, die für die Arbeit als zusätzliche Betreuungskraft Voraussetzung sind. Sie besteht aus drei Modulen (Basiskurs, Betreuungspraktikum und Aufbaukurs) und hat einen Gesamtumfang von mindestens 160 Unterrichtsstunden zuzüglich eines zweiwöchigen Betreuungspraktikums (§ 4 Abs. 3 Betreuungskräfte-RL). Im ersten Modul werden Grundkenntnisse der Kommunikation und Interaktion, über bestimmte Krankheitsbilder, über Pflege und Pflegedokumentation, Hygieneanforderungen sowie Erste Hilfe vermittelt. Das Betreuungspraktikum dient dem Zweck, praktische Erfahrungen auch in der Betreuung von Menschen mit einer erheblichen Einschränkung der Alltagskompetenz zu sammeln und erfolgt in einer vollstationären oder teilstationären Pflegeeinrichtung unter Anleitung und Begleitung einer in der Pflege und Betreuung erfahrenen Pflegefachkraft. Im dritten Modul werden vertiefte Kenntnisse, Methoden und Techniken über das Verhalten, über die Kommunikation und die Umgangsformen mit betreuungsbedürftigen Menschen vermittelt. Zudem beinhaltet dieses Modul die Vermittlung von Grundkenntnissen des Haftungsrechts, Betreuungsrechts, der Schweigepflicht und des Datenschutzes und zur Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen, Kenntnisse über Hauswirtschaft und Ernährungslehre mit besonderer Beachtung von Diäten und Nahrungsmittelunverträglichkeiten, über Beschäftigungsmöglichkeiten und Freizeitgestaltung für Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen und/oder mit Demenzerkrankungen, über Bewegung für Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen und/oder mit Demenz, psychischen Erkrankungen oder geistigen Behinderungen sowie über Kommunikation und Zusammenarbeit mit den an der Pflege Beteiligten, zB Pflegekräften, Angehörigen und ehrenamtlich Engagierten. Diese Ausbildung ist auch sowohl von der zeitlichen Dauer als auch von der inhaltlichen Gestaltung von einigem Gewicht, wie ein Vergleich mit der Senatsentscheidung vom 18. Juni 1997 zeigt, in der eine 28-tägige Ausbildung zur Schwestern-Helferin als in jeder Hinsicht ausreichend gewichtig für die Erfüllung dieser tariflichen Anforderung erachtet wurde (BAG 18. Juni 1997 – 4 AZR 747/95 – zu II 5.3.4 der Gründe).
(bb) Bei der Ausbildung der Arbeitnehmerin W zur zusätzlichen Betreuungskraft handelt es sich auch um eine für ihre Tätigkeit „förderliche” Ausbildung iSd. VergGr. VIII Fallgr. 2 TV TM AWO. Nicht entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass die Ausbildung der Arbeitnehmerin W für ihre Tätigkeit nicht nur förderlich, sondern darüber hinaus speziell auf die Arbeit als Betreuungsassistentin zugeschnitten ist und nach dem Vorbringen des Arbeitgebers für einen Einsatz als solche sogar erforderlich ist. Die Tarifvertragsparteien haben mit dem Merkmal der Förderlichkeit lediglich eine Mindestanforderung an die Ausbildung gestellt. Von diesem Tätigkeitsmerkmal sollen Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst erfasst werden, die zwar keine der in den übrigen Tätigkeitsmerkmalen geforderten Abschlüsse einer Berufsausbildung, einer staatlichen Anerkennung oder einer Prüfung vorzuweisen haben, jedoch zumindest eine für die Tätigkeit förderliche Qualifikation aufweisen können, weil sie entweder eine – allerdings nicht in den anderen Tätigkeitsmerkmalen genannte – Ausbildung absolviert (Alt. 1) oder gleichwertige Fähigkeiten und Erfahrungen haben (Alt. 2).
Unterschriften
Creutzfeldt, Klose, Rinck, Der ehrenamtliche Richter Drechsler ist wegen Ablaufs seiner Amtszeit an der Unterschriftsleistung verhindert. Creutzfeldt, Th. Hess
Fundstellen
Haufe-Index 11220795 |
ArbR 2017, 521 |
PflR 2018, 297 |