Entscheidungsstichwort (Thema)

Wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB. Merkmale einer beharrlichen Arbeitsverweigerung. Abmahnungserfordernis bei verhaltensbedingten Kündigungen. Kein ausreichender Kündigungsgrund bei Ankündigung einer Krankschreibung. Kündigungsschutzklage und Annahmeverzug des Arbeitgebers

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine beharrliche Arbeitsverweigerung setzt in der Person des Arbeitnehmers im Willen eine Nachhaltigkeit voraus. Der Arbeitnehmer muss die ihm übertragene Arbeit bewusst und nachhaltig nicht leisten wollen, wobei es nicht genügt, dass der Arbeitnehmer eine Weisung unbeachtet lässt, sondern eine beharrliche Arbeitsverweigerung setzt voraus, dass eine intensive Weigerung des Arbeitnehmers vorliegt.

2. Die bloße Ankündigung, sich krankschreiben zu lassen, stellt keinen Kündigungsgrund dar, wenn es sich dabei auch um den Hinweis auf ein rechtmäßiges Verhalten handeln kann (LAG Köln, Urteil vom 26.02.1999 - 11 Sa 1216/98 - Rn. 16, juris).

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei einer fristlosen Kündigung ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände "an sich", d. h. typischerweise, als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der Umstände des Falls jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht. Beharrliche Arbeitsverweigerung kann ein solcher wichtiger Grund sein.

2. Beruht eine Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Sowohl eine ordentliche wie auch eine außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus.

3. In der Erhebung der Kündigungsschutzklage liegt ein wörtliches Angebot des Arbeitnehmers bzw. Klägers zur Erbringung der Arbeitsleistung nach § 295 BGB.

 

Normenkette

BGB § 626 Abs. 1, §§ 241, 314, 611a, 615; KSchG § 11 S. 1; HGB § 74c Abs. 2; BGB §§ 295-296

 

Verfahrensgang

ArbG Stralsund (Entscheidung vom 25.10.2021; Aktenzeichen 12 Ca 51/21)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund - Kammern Neubrandenburg - vom 25.10.2021 zum Az.: 12 Ca 51/21 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer für das Arbeitsverhältnis der Parteien seitens der Arbeitgeberin ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung sowie um Zahlungsansprüche aus Annahmeverzug.

Der Kläger war seit dem 14.09.2020 gemäß schriftlichem Arbeitsvertrag (Anlage K1, Blatt 13 ff. der Akte) bei der Beklagten, die regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, als Kraftfahrer zu einem Bruttomonatslohn von 2.100,00 Euro sowie 10,00 Euro Anwesenheitsgeld pro Werktag tätig.

Am 20.05.2021 teilte der Kläger dem Geschäftsführer der Beklagten mündlich mit, dass er beabsichtige, das Arbeitsverhältnis der Parteien zu kündigen. Mit der Beklagten wohl am 25.05.2021 zugegangenem Schreiben kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis zum 30.06.2021. Noch am Tag des Zugangs der Kündigung haben sich die Parteien telefonisch darüber verständigt, dass der Kläger in der letzten Woche des Arbeitsverhältnisses die ihm noch zustehende eine Woche Urlaub in Anspruch nehme und bis dahin weiterfahre. Zeitpunkt und Inhalt eines weiteren zwischen den Parteien geführten Telefonates sind streitig. Am 28.05.2021, einem Freitag, um zirka 19:30 Uhr stellte der Kläger den Lkw auf dem Betriebsgelände der Beklagten ab, legte Papiere und Schlüssel in das entsprechende Fach und las die Fahrerkarte aus.

Mit Schreiben vom 28.05.2021, dem Kläger am 29.05.2021 um zirka 08:00 Uhr, 08:30 Uhr zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich. Sie rechnete die klägerische Vergütung bis einschließlich 28.05.2021 in Höhe von 1.960,00 Euro brutto zuzüglich Anwesenheitsgeld und Urlaubsabgeltung ab.

Mit der vorab per Fax am 09.06.2021 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen die außerordentliche Kündigung vom 28.05.2021 gewandt und mit Klageerweiterung vom 27.09.2021 einen Zahlungsanspruch in Höhe von 2.470,00 Euro brutto geltend gemacht.

Zur Begründung der Klage hat der Kläger die Auffassung vertreten, die außerordentliche Kündigung sei mangels Vorliegens eines wichtigen Grundes unwirksam. Insbesondere habe er keine Krankschreibung angekündigt. Am 27.05.2021 habe es kein Telefonat zwischen den Parteien gegeben. Er sei vielmehr am 28.05.2021 durch seine Ehefrau über einen Unfall der Tochter informiert worden. Die Ehefrau habe angefragt, ob er am Montag mit der Tochter zum Arzt gehen könne, um das Ganze noch einmal von diesem abchecken zu lassen. Er habe mitgeteilt, dass er dies mit der Beklagten klären müsse, daraufhin Kontakt zu dem Geschäftsführer der Beklagten aufgenommen und diesen gefragt, ob es...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge