Entscheidungsstichwort (Thema)

Personalratsanhörung bei Probezeitkündigung unter Mitteilung eines personenbezogenen Werturteils als Kündigungsgrund. Unbegründete Kündigungsschutzklage bei unzureichenden Darlegungen der Arbeitnehmerin zur Fehlerhaftigkeit der Personalratsanhörung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei einer Kündigung in der Wartezeit nach § 1 Absatz 1 KSchG ist die Substantiierungspflicht des Arbeitgebers bei der Beteiligung des Personalrats nicht an den objektiven Merkmalen der Kündigungsgründe des noch nicht anwendbaren § 1 KSchG, sondern allein an den Umständen zu messen, aus denen der Arbeitgeber subjektiv seinen Kündigungsentschluss herleitet. Der Personalrat ist demnach immer dann ordnungsgemäß angehört, wenn der Arbeitgeber ihm die Gründe mitgeteilt hat, die nach seiner subjektiven Sicht die Kündigung rechtfertigen und die für seinen Kündigungsentschluss maßgeblich sind. Diesen Kündigungsentschluss hat er regelmäßig unter Angabe von Tatsachen so zu beschreiben, dass der Personalrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe prüfen kann (wie BAG 12. September 2013 - 6 AZR 121/12 - AP Nr. 167 zu § 102 BetrVG 1972 = DB 2013, 2746 zu einem Fall aus der Privatwirtschaft).

2. Stützt der Arbeitgeber seinen Kündigungsentschluss allein auf einem Werturteil, reicht die Mitteilung des Werturteils für eine ordnungsgemäße Anhörung aus. Der Arbeitgeber ist in diesem Fall nicht verpflichtet, im Rahmen des Anhörungsverfahrens sein Werturteil gegenüber der Arbeitnehmervertretung zu substantiieren oder zu begründen. In einem solchen Fall reicht beispielsweise die Mitteilung, die Arbeitnehmerin habe sich "während der Probezeit nicht bewährt" und sei "nicht geeignet, die ihr übertragenen Aufgaben ordnungsgemäß zu erfüllen" (vgl. BAG 22. April 2010 - 6 AZR 828/08 - AP Nr. 2 zu Art 77 LPVG Bayern) aus. Ebenso hat es die Rechtsprechung ausreichen lassen, wenn lediglich mitgeteilt wurde "nach unserer allgemeinen, subjektiven Einschätzung genügt die Arbeitnehmerin unseren Anforderungen nicht" (vgl. BAG 3. Dezember 1998 - 2 AZR 234/98 - AP Nr. 99 zu § 102 BetrVG 1972) oder der Arbeitnehmer habe die "in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllt" (vgl. BAG 18. Mai 1994 - 2 AZR 920/93 - AP Nr. 64 zu § 102 BetrVG 1972).

3. Die nach der Rechtsprechung notwendige Unterscheidung danach, ob die Kündigungsabsicht aus Tatsachen oder aus Werturteilen abgeleitet wird, kann nur aus dem Gesamtverhalten des Arbeitgebers gegenüber dem Personalrat erschlossen werden. Soweit es in diesem Zusammenhang auf das Anhörungsschreiben des Arbeitgebers ankommt, ist dieses aus der Sicht des Empfängers, hier also des Personalrates auszulegen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber seinen Kündigungsentschluss sowohl auf tatsächliche Elemente als auch auf Werturteile stützt. Entscheidend ist, wie der Personalrat die Mitteilung der Kündigungsabsicht verstehen konnte und durfte. Demnach bleibt die Mitteilung einzelner Tatsachenelemente im Anhörungsschreiben für die Klassifizierung folgenlos, soweit die Gesamtbewertung ergibt, dass der Arbeitgeber die Trennungsabsicht trotz vereinzelt vorhandener tatsächlicher Erfahrungen - wie hier - im Kern auf die zusammenfassende Einschätzung der fehlgeschlagenen Probezeit stützt.

 

Normenkette

KSchG § 1; BPersVG § 79 Abs. 4; KSchG § 1 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Stralsund (Entscheidung vom 15.11.2016; Aktenzeichen 1 Ca 167/16)

 

Tenor

1. Die Berufung wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Rahmen einer Kündigungsschutzklage nach Probezeitkündigung um die Frage, ob der bei der Beklagten gebildete Personalrat vorab ordnungsgemäß beteiligt worden ist.

Die 1961 geborene Klägerin stand aufgrund eines auf den 31. Januar 2017 befristeten Arbeitsvertrags seit dem 1. Februar 2016 in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten als vollzeitbeschäftigte Angestellte. Nach dem Arbeitsvertrag haben sich die Parteien an die Tarifverträge für die Deutsche Rentenversicherung Bund gebunden. Die Beschäftigung der Klägerin erfolgte als "Registratorin II" im Dezernat 4713. Beschäftigungsort war B-Stadt. Ausweislich § 4 des Arbeitsvertrages war die Klägerin in die Entgeltgruppe E 3 TV-DRV-Bund eingruppiert und dort der Stufe 1 zugeordnet. Die monatliche Bruttovergütung hat etwas über 2.000 Euro betragen.

Bei der Beklagten liegt die Entscheidungsbefugnis zum Ausspruch von Kündigungen im Regelfall - so auch im vorliegenden Fall - bei der zentralen Dienststelle in C-Stadt, bei der ein Gesamtpersonalrat gebildet ist. Das Anhörungsschreiben der Beklagten vom 24. Mai 2016 zu der beabsichtigten Kündigung der Klägerin ging beim Gesamtpersonalrat noch am selben Tag ein. Das Anschreiben gibt die Rahmendaten des Beschäftigungsverhältnisses und die Sozialdaten der Klägerin wieder. Zur Kündigungsabsicht heißt es dort wörtlich (wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die als Anlage zur Klageerwiderung zur Akte gelangte Kopie des Anhörungsschreiben...

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