Verfahrensgang
ArbG Rostock (Urteil vom 16.11.1993; Aktenzeichen 10 Ca 286/93) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Rostock vom16.11.1993 wird zurückgewiesen.
II. Auf die Anschlußberufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Rostock vom 16.11.1993 wie folgt abgeändert.
- Es wird festgestellt daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die dem Kläger am 26.6.1993 zugegangene Kündigung zum 15.7.1993 aufgelöst worden ist.
- Es wird festgestellt, daß dem Kläger die tarifliche Vergütung für die Zeit vom 10.6.1993 bis 30.9.1993 unter Berücksichtigung des vom Arbeitsamt gezahlten Arbeitslosengeldes zuzüglich Abgeltung des restlichen Jahresurlaubs 1993 von 21 Arbeitstagen, tarifliches Urlaubsgeld 1993, Jahreszuwendung 1993 sowie vermögenswirksame Leistungen und die sich daraus ergebenden Beträge zuzüglich 4 % Zinsen auf die Nettobeträge seit dem 1.10.1993 als Masseforderungen im Range des § 13 Ziffer 1 GesO abzurechnen und zu zahlen ist.
- Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Der Kläger trägt 1/3, der Beklagte 2/3 der Kosten des Rechtsstreits.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten noch im Rahmen der Anschlußberufung über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung, über den gesamtvollstreckungsrechtlichen Rang noch ausstehender Gehaltsansprüche und die Zahlung eines Nachteilsausgleichs.
Der Kläger war seit 1980 bei der Gemeinschuldnerin, der Bagger-, Bugsier- und Bergungsreederei GmbH (BBB), zuletzt als Einsatzleiter und stellvertretender Leiter Diving beschäftigt.
Am 15.9.1992 wurde das Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der BBB eröffnet und der Beklagte zum Verwalter bestellt. Dieser führte den Betrieb zunächst unter Aufrechterhaltung der Arbeitsverhältnisse fort und beschäftigte den Personalleiter der BBB, den Zeugen … in gleicher Funktion weiter.
Am 4.3.1993 verkaufte der Beklagte den Unternehmensbereich Schleppen, Bergen- und Lotsenversetzdienst an die Reederei Fairplay in …
Am 1.4.1993 verkaufte der Beklagte Material und Ausrüstung der Abteilung Dredging sowie Umwelt und Entsorgung an die Firmengruppe … in … u. a. Diese hatten im Bereich Dredging 30 Arbeitnehmer der Beklagten eingestellt. Am 19.4.1993 verfügte dann der Beklagte die Stillegung dieser Bereiche. Der Betrieb wurde am 10.6.1993 stillgelegt. Einen holländischen Auftrag über Strandauffüllungsarbeiten führte der Beklagte zunächst mit 100 Arbeitnehmern fort, kündigte ihnen aber aus finanziellen Gründen mit Schreiben vom 22.4.1993.
Zuvor war von dem Betriebsrat ein vom Beklagten ihm vorgelegter Interessenausgleich nicht unterschrieben worden. Am 6.4. und 19.4. wurde in zwei Sitzungen der angerufenen Einigungsstelle über Interessenausgleich und Sozialplan beraten. Mit Spruch vom 19.4.1993 stellte die Einigungsstelle das Verfahren ohne Abschluß eines Interessenausgleichs ein, nachdem der Betriebsrat erklärt hatte, daß er gegenwärtig nicht an einem Sozialplan interessiert sei.
Mit Schreiben vom 8.6.1993 wurde der Kläger ab 10.6.1993 freigestellt (Anlage K 5). Mit Schreiben vom 17.6.1993 unterrichtete der Beklagte den Betriebsrat, dem der Stillegungsbeschluß bekannt war, von der beabsichtigten Kündigung des Klägers. Mit Schreiben vom 23.6.1993 widersprach der Betriebsrat dieser Kündigung.
Mit Schreiben vom 25.6.1993 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 15.7.1993. Die Kündigung ist von dem Personalleiter und dem Zeugen … mit dem Zusatz „i. V. … Leiter Personalwesen” unterzeichnet (Anlage K 3).
Sämtliche 184 Arbeitnehmer des Bereiches Dredging erhielten zwischen April und August 1993 betriebsbedingte Kündigungen. Vier Arbeitnehmer wurden befristet wieder eingestellt zwecks Bewachung in Holland liegender Schiffe, die zwar am 1.6.1993 vom Beklagten verkauft worden waren, deren Übergabe sich aber über den 30.9.1993 hinaus verzögert hatte.
Der Kläger hat u. a. vorgetragen, die Kündigung sei unwirksam. Der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß beteiligt worden. – Die Kündigung sei auch sonst sozial nicht gerechtfertigt. Dem Arbeitsamt sei nicht die erforderliche Massenentlassungsanzeige gemacht worden. – Die Freistellung sei mangels Beteiligung des Betriebsrates unwirksam. Seine arbeitsvertraglichen Bezüge seien als Masseforderung im Range des § 13 Nr. 1 Gesamtvollstreckungsordnung (GesO) zu berücksichtigen. Bei Wirksamkeit der Kündigung habe er Anspruch auf einen Nachteilsausgleich, weil der Beklagte ohne schriftlichen Interessenausgleich oder dessen Versuch wesentliche Betriebsteile veräußert habe.
Der Beklagte hat vorgetragen, die Kündigungserklärung des Zeugen … sei wirksam. Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß unterrichtet worden; ihm seien die Umstände bekannt gewesen. Die Kündigung sei sozial gerechtfertigt. Ein Anspruch auf Nachteilsausgleich bestehe nicht.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 16.11.1993 festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis durch die angegriffene Kündigun...