Verfahrensgang
ArbG Rostock (Urteil vom 01.03.1994; Aktenzeichen 7 Ca 471/93) |
Nachgehend
Tenor
DasUrteil des Arbeitsgerichts Rostock vom1.3.1994 wird wie folgt auf die Anschlußberufung abgeändert:
- Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die dem Kläger am 29.4.1993 zugegangene Kündigung des Beklagten zum 30.6.1993 aufgelöst worden ist.
- Es wird festgestellt, daß dem Kläger die tarifliche Vergütung für die Zeit vom 29.4. bis 19.6.1993 und vom 25.6. bis 24.9.1993 unter Berücksichtigung des vom Arbeitsamt gezahlten Arbeitslosengeldes zuzüglich Abgeltung des vollen Jahresurlaubs 1993, tarifliches Urlaubsgeld 1993, Jahreszuwendung 1993 sowie vermögenswirksame Leistungen für die Monate Mai bis Dezember 1993 von 52 × 8 = DM 416,00 und die sich daraus ergebenden Beträge zuzüglich 4 % Zinsen auf die Nettobeträge seit dem 1.10.1993 als Masseforderungen im Range des § 13 Ziffer 1 GesO abzurechnen und zu zahlen ist.
- Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
- Der Kläger trägt 1/3, der Beklagte 2/3 der Kosten des Rechtsstreits.
- Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten noch im Rahmen der Anschlußberufung über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung, über den gesamtvollstreckungsrechtlichen Rang noch ausstehender Gehaltsansprüche und die Zahlung eines Nachteilsausgleichs.
Der Kläger war seit 1977 bei der Gemeinschuldnerin, der Bagger-, Bugsier- und Bergungsreederei (BBB), zuletzt als Technischer Offizier Elektrik (TOE) im Bereich Baggern- und Kiesgewinnung (Dredging) beschäftigt. Er arbeitete auf Seeschiffen.
Am 15.9.1992 wurde das Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der BBB eröffnet und der Beklagte zum Verwalter bestellt. Dieser führte den Betrieb zunächst unter Aufrechterhaltung der Arbeitsverhältnisse fort und beschäftigte den Personalleiter der BBB, den Zeugen … in gleicher Funktion weiter.
Am 4.3.1993 verkaufte der Beklagte den Unternehmensbereich Schleppen, Bergen- und Lotsenversetzdienst an die Reederei Fairplay in …
Am 1.4.1993 verkaufte der Beklagte Material und Ausrüstung der Abteilung Dredging sowie Umwelt und Entsorgung an die Firmengruppe … in Ostfriesland u. a. Diese hatten im Bereich Dredging 30 Arbeitnehmer der Beklagten eingestellt. Am 19.4.1993 verfügte dann der Beklagte die Stillegung dieser Bereiche. Der Betrieb wurde am 10.6.1993 stillgelegt. Einen holländischen Auftrag über Strandauffüllungsarbeiten führte der Beklagte zunächst mit 100 Arbeitnehmern fort, kündigte ihnen aber aus finanziellen Gründen mit Schreiben vom 22.4.1993.
Zuvor war von dem Betriebsrat ein vom Beklagten ihm vorgelegter Interessenausgleich nicht unterschrieben worden. Am 6.4. und 19.4. wurde in zwei Sitzungen der angerufenen Einigungsstelle über Interessenausgleich und Sozialplan beraten. Mit Spruch vom 19.4.1993 stellte die Einigungsstelle das Verfahren ohne Abschluß eines Interessenausgleichs ein, nachdem der Betriebsrat erklärt hatte, daß er gegenwärtig nicht an einem Sozialplan interessiert sei.
Mit Schreiben vom 20.4.1993 unterrichtete der Beklagte den Betriebsrat, dem der Stillegungsbeschluß bekannt war, von der beabsichtigten Kündigung des Klägers. Am 26.4.1993 widersprach der Betriebsrat dieser Kündigung.
Mit dem am 29.4.1993 zugegangenen Schreiben vom 28.4.1993 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30.6.1993. Die Kündigung ist von dem Personalleiter und dem Zeugen … mit dem Zusatz „i. V. … Leiter Personalwesen” unterzeichnet (Anlage K 3). Am selben Tage ging dem Kläger ein Schreiben vom 27.4.1993 zu, mit dem der Beklagte ihn ab sofort von der Arbeit freistellte (Anlage K 6). Unter dem 4.5.1993 wies der Kläger Kündigung und Freistellung mangels beigefügter Vollmacht zurück. Ab 30.4.1993 stellte der Beklagte die Gehaltszahlungen an den Kläger ein.
Sämtliche 184 Arbeitnehmer des Bereiches Dredging erhielten zwischen April und August 1993 betriebsbedingte Kündigungen. Vier Arbeitnehmer wurden befristet wieder eingestellt zwecks Bewachung in Holland liegender Schiffe, die zwar am 1.6.1993 vom Beklagten verkauft worden waren, deren Übergabe sich aber über den 30.9.1993 hinaus verzögert hatte.
Der Kläger hat u. a. vorgetragen, die Kündigung sei mangels beiliegender Vollmacht des Zeugen … unwirksam. Der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß beteiligt worden: deshalb seien seine arbeitsvertraglichen Bezüge ab 30.4.1993 als Masseforderung im Range des § 13 Nr. 1 Gesamtvollstreckungsordnung (GesO) zu berücksichtigen. Dem Arbeitsamt sei nicht die erforderliche Massenentlassungsanzeige gemacht worden. – Die Freistellung sei mangels Beteiligung des Betriebsrates unwirksam. Bei Wirksamkeit der Kündigung habe er Anspruch auf einen Nachteilsausgleich, weil der Beklagte ohne schriftlichen Interessenausgleich wesentliche Betriebsteile veräußert habe. Nicht die Beendigung des Hollandauftrages, sondern der Verkauf von Unternehmensteilen an die Firmengruppe … sei Ursache für seine Entlassung gewese...