Entscheidungsstichwort (Thema)
Unbegründeter Prozesskostenhilfeantrag für Mehrvergleich nach Abschluss des Verfahrens bei fehlenden Anhaltspunkten für stillschweigende Antragstellung
Leitsatz (amtlich)
Im Anschluss an den Beschluss der 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts München vom 09.07.2014 (2 Ta 148/14) kann ein Prozesskostenhilfeantrag regelmäßig nicht dahingehend ausgelegt werden, er erfasse später anhängig gewordene Streitgegenstände oder einen Mehrvergleich. Eine stillschweigende Antragstellung kann nur ausnahmsweise dann angenommen werden, wenn sich ein entsprechender Wille der antragstellenden Partei eindeutig aus den Umständen entnehmen lässt.
Normenkette
ZPO § 117; BGB § 779; ZPO § 114 Abs. 1 S. 1, § 278 Abs. 6
Verfahrensgang
ArbG München (Entscheidung vom 08.08.2014; Aktenzeichen 39 Ca 1554/14) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 08.08.2014 - 39 Ca 1554/14 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger ließ mit Anwaltsschriftsatz vom 10.02.2014 Kündigungsschutzklage erheben und beantragte gleichzeitig die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sowie Beiordnung. Dem Antrag wurde mit Beschluss vom 25.06.2014 entsprochen. Mit Beschluss vom 27.02.2014 war der Abschluss eines prozessbeendenden Vergleichs festgestellt worden.
Mit Schriftsatz vom 04.08.2014 beantragte der Kläger die Erstreckung der Prozesskostenhilfe auf den Vergleich. Das Arbeitsgericht wies diesen Antrag mit Beschluss vom 08.08.2014 zurück und half auch der hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde nicht ab.
II.
Die zulässige sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg, denn das Arbeitsgericht hat dem Erstreckungsantrag zu Recht nicht stattgegeben, da er erst nach Verfahrensbeendigung durch Vergleich gestellt wurde. Die Beschwerdekammer schließt sich insoweit der Auffassung der 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts München (ausführlich begründet mit Beschluss v. 09.07.2014 - 2 Ta 148/14) an. Danach gilt Folgendes:
1. Nach § 114 Abs. 1 ZPO erhält eine bedürftige Partei unter bestimmten Voraussetzungen "auf Antrag" Prozesskostenhilfe. Eine Gewährung von Prozesskostenhilfe von Amts wegen scheidet ebenso aus wie eine Bewilligung aufgrund eines erst nach Beendigung der Instanz gestellten Antrags.
Nach § 114 ZPO wird der mittellosen Partei Prozesskostenhilfe nur für eine beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung bewilligt. Der mittellosen Partei sollen die Prozesshandlungen ermöglicht werden, die für sie mit Kosten verbunden sind. Hat jedoch die Partei - bzw. deren Prozessbevollmächtigter - die aus ihrer Sicht notwendigen Prozesshandlungen schon vor der ordnungsgemäßen Beantragung der Prozesskostenhilfe vorgenommen, so hängen diese Prozesshandlungen nicht mehr davon ab, dass die Partei zuvor die entsprechenden Kosten deckt. Wegen des Zwecks der Prozesskostenhilfe ist daher eine solche nachträgliche Bewilligung nach Instanzende nur in Ausnahmefällen möglich. Eine nachträgliche Bewilligung kommt insbesondere in Betracht, wenn das Gericht zuvor über den Antrag hätte positiv entscheiden können oder wenn das Gericht eine Frist zur Nachreichung der fehlenden Unterlagen und Belege gesetzt hat (vgl. BAG v. 03.12.2003 - 2 AZB 19/03 - MDR 2004, 415).
Damit scheidet eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Vergleichsmehrwert aufgrund des Antrags vom 04.08.2014 aus. Dieser Antrag wurde nämlich erst nach dem Abschluss des Verfahrens durch den Vergleich vom 27.02.2014 gestellt.
2. Es kann auch nicht angenommen werden, bei Abschluss des Vergleichs habe ein konkludenter Antrag vorgelegen, die Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung auf den Vergleich zu erstrecken. Es wird zwar teilweise die Auffassung vertreten, ein Prozesskostenhilfeantrag erfasse alle bis zum Zeitpunkt der Entscheidung anhängigen Streitgegenstände sowie einen Mehrvergleich, solange über den Prozesskostenhilfeantrag noch nicht entschieden ist (vgl. LAG Hamm v. 10.02.2014 - 14 Ta 310/13 - Juris; ähnlich BAG v. 30.04.2014 - 10 AZB 13/14 - Juris und LAG München v. 15.03.2013 - 10 Ta 50/13 - Juris).
Dieser Auffassung kann jedoch aus folgenden Gründen nicht gefolgt werden (ähnlich LAG Düsseldorf v. 12.01.2010 - 3 Ta 581/09 - Juris und Hess. LAG v. 01.08.2006 - 19 Ta 373/06 - Juris):
Auch wenn man annimmt, eine stillschweigende Antragstellung sei möglich und mit dem in dem §§ 114, 115 und 117 ZPO geregelten Prozesskostenhilfeverfahren vereinbar, liegt ein stillschweigender Antrag jedenfalls nur dann vor, wenn sich der Wille der Parteien zur Stellung eines Antrags aus den Umständen ergibt. Dagegen kann nicht unterstellt werden, ein solcher Wille liege regelmäßig vor, wenn die Klage nach Stellung des Prozesskostenhilfeantrags erweitert, eine Widerklage erhoben oder ein Mehrvergleich geschlossen wird. Eine solche Unterstellung lässt sich mit den in § 114 ZPO geregelten Bewilligungsvoraussetzungen nicht vereinbaren. Danach erhält die Partei nur dann Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte ...