Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Einreihung in die zutreffende tarifliche Lebensaltersstufe. Unbegründeter Zustimmungsersetzungsantrag der Arbeitgeberin bei altersbenachteiligender Tarifregelung
Leitsatz (amtlich)
1. Das Mitbeurteilungsrecht des Betriebsrats bei der personellen Maßnahme der Eingruppierung erstreckt sich auch auf die Einreihung in die richtige tarifliche Lebensaltersstufe.
2. Verstößt eine tarifliche Regelung gegen das Verbot der Altersdiskriminierung, kann dies den Betriebsrat berechtigen, seine Zustimmung zur hierauf beruhenden Eingruppierung zu verweigern.
Normenkette
BetrVG § 99 Abs. 1, 2 Nr. 1; AGG §§ 1, 7 Abs. 1-2, § 3 Abs. 1; BetrVG § 99 Abs. 1 S. 1; AGG § 2 Abs. 1, 1 Nr. 2, § 10 S. 1; Gehalts-TV § 1
Verfahrensgang
ArbG Augsburg (Entscheidung vom 06.11.2012; Aktenzeichen 5 BV 15/12) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Betriebsrates hin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Augsburg vom 06.11.2012 (Az. 5 BV 15/12) abgeändert und der Antrag abgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten über die Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung zur Eingruppierung einer Arbeitnehmerin und hierbei allein um die Frage, ob die Arbeitnehmerin der ersten Lebensaltersstufe der tariflichen Gehaltstafel zuzuordnen ist.
Die Antragstellerin vertreibt und verkauft Verbrauchsgüter an Großverbraucher, insbesondere an Hotels und Gaststätten. Der Antragsgegner ist der am Standort Z. gebildete Betriebsrat; im dortigen Betrieb arbeiten mehr als 500 Arbeitnehmer.
Auf die Mitarbeiter der Antragstellerin finden die Tarifverträge für die Angestellten in den Betrieben des Groß- und Außenhandels in Bayern Anwendung. Die Vergütung richtet sich nach dem Gehaltstarifvertrag vom 15.06.2011 (Gehalts-TV). In § 1 Gehalts-TV findet sich folgende Regelung:
"§ 1 Gehälter
Ab 1. Juli 2011 erfolgt die Vergütung für die Angestellten nach Maßgabe der nachstehenden Gehaltstafeln. [...]
Gehaltsgruppe |
I Euro |
II Euro |
III Euro |
IV Euro |
V Euro |
VI Euro |
bis zum voll. 23. Lj. |
[...] |
[...] |
1710,00 |
[...] |
[...] |
[...] |
ab dem voll. 23. Lj. |
[...] |
[...] |
1828,00 |
[...] |
[...] |
[...] |
ab dem voll. 25. Lj. |
[...] |
[...] |
1951,00 |
[...] |
[...] |
[...] |
ab dem voll. 27. Lj. |
[...] |
[...] |
2084,00 |
[...] |
[...] |
[...] |
ab dem voll. 29. Lj. |
[...] |
[...] |
2217,00 |
[...] |
[...] |
[...] |
[...]"
In § 12 des für allgemeinverbindlich erklärten Manteltarifvertrags vom 23.06.1997 findet sich zur Entlohnung folgende Regelung:
"§12 Lohn- und Gehaltsregelung
1. Die Entlohnung erfolgt nach Maßgabe der in den Gehalts- und Lohntarifverträgen vereinbarten Sätzen (Vergütungsgruppen). Der Gehalts- und Lohngruppenkatalog ist Bestandteil des jeweiligen Gehalts- und Lohntarifvertrags. [...]
4. Die Eingruppierung in eine der Vergütungsgruppen erfolgt gemäß dem Gehalts- und Lohngruppenkatalog nach Maßgabe der Tätigkeit, nicht aber der beruflichen Bezeichnung. [...]
10. Die Lohn- bzw. Gehaltserhöhung durch Eintritt in eine höhere Altersstufe tritt mit dem 1. des jeweiligen Monats in Kraft, in welchem der Geburtstag liegt. [...]"
Zum Gehalts-TV vereinbarten die Tarifvertragsparteien am 20.06.2007 eine Protokollnotiz, wonach durch die Altersstufung die Einstellung und der berufliche Aufstieg von Jugendlichen und jungen Erwachsenen gefördert sowie Beschäftigte mit Unterhalts- bzw. Fürsorgepflichten geschützt werden sollen (Bl. 25 d.A.).
Mit Schreiben vom 16.01.2012 (Bl. 5 d.A.) beantragte die Arbeitgeberin beim Betriebsrat die Zustimmung zur Einstellung der Mitarbeiterin M. als Sachbearbeiterin Verkaufsinnendienst/Abt. Verkaufsbüro Innendienst ab 01.03.2012 sowie deren Eingruppierung in die "Tarifgruppe G 3 unter 23. Lj.".
Mit Schreiben vom 18.01.2012 (Bl. 6 d.A.) stimmte der Betriebsrat der Einstellung zu, widersprach jedoch der vorgesehenen Eingruppierung wegen eines Verstoßes "gegen das AGG/Altersdiskriminierung".
Die Arbeitgeberin hat vorgetragen, die Bestimmungen des Gehalts-TV seien wirksam; die Lebensaltersstufen trügen dem Umstand Rechnung, dass bei älteren Mitarbeitern ein erhöhtes Maß an Berufserfahrung vorliege. Dem Betriebsrat stehe eine Rechtmäßigkeitskontrolle des Tarifvertrags nicht zu.
Die Arbeitgeberin hat beantragt:
Die verweigerte Zustimmung des Beteiligten zu 2) vom 18.01.2012 zur Eingruppierung der Frau M., geboren am 01.01.1991, als Sachbearbeiterin im Verkaufsinnendienst/Abteilung Verkaufsbüro Innendienst in die Tarifgruppe "G 3 unter 23 Lebensjahren" des Gehaltstarifvertrages für Angestellte in den bayerischen Betrieben des Groß- und Außenhandels wird ersetzt.
Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
Der Betriebsrat hat vorgetragen, die Lebensaltersstufen des Gehalts-TV verstießen gegen das Verbot der Diskriminierung des Alters. Die Ungleichbehandlung könne nur durch eine Anpassung nach oben beseitigt werden; demnach sei die Mitarbeiterin in die Gehaltsgruppe "G 3 ab dem vollendeten 29. Lebensjahr" einzugruppieren.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben; die Zuordnung zu den Lebensaltersstufen...