Entscheidungsstichwort (Thema)

Erfolglose Beschwerde gegen die Zustimmungsersetzung zur Versetzung eines Vorgesetzten. Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats wegen möglicher Nachteile anderer Arbeitnehmer und der Überforderung des durch die Versetzung betroffenen Arbeitnehmers. unterbliebene Gefährdungsbeurteilung am neuen Arbeitsplatz. Zustimmungsersetzung bei Widerspruch des Betriebsrats gegen Versetzung. unbegründeter Widerspruch des Betriebsrats bei fehlender Gefährdungsbeurteilung und unsubstantiierten Darlegungen zur Benachteiligung anderer Beschäftigter durch mangelnde Führungskompetenz

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei seinem Widerspruch gegen eine personelle Maßnahme der Arbeitgeberin ist der Betriebsrat gehalten, sämtliche Umstände, auf Grund derer er seine Zustimmung zu der geplanten personellen Einzelmaßnahme verweigert, innerhalb einer Woche der Arbeitgeberin mitzuteilen (§ 99 Abs. 3 BetrVG); im nachfolgenden arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren (Zustimmungsersetzungsverfahren) kann der Betriebsrat keine weiteren (neuen) Gründe nachschieben.

2. Ein auf § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG gestützter Widerspruch setzt voraus, dass die Maßnahme selbst gegen ein Gesetz, einen Tarifvertrag oder eine sonstige Norm verstößt; dazu muss die Maßnahme selbst auf Grund des Gesetzes, der Verordnung oder einer sonstigen Rechtsvorschrift untersagt sein.

3. Eine Zustimmungsverweigerung gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG ist nicht allein deshalb gerechtfertigt, weil die personelle Maßnahme in irgendeiner Weise rechtlichen Vorgaben widerspricht; Voraussetzung ist vielmehr, dass der Zweck der verletzten Vorschrift nur durch das Unterbleiben der Maßnahme (Versetzung) insgesamt erreicht werden kann.

4. § 3 Abs. 3 ArbStättV sieht lediglich die Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung durch die Arbeitgeberin und deren Dokumentation vor Aufnahme der Tätigkeiten vor; eine Versetzung an sich wird von § 3 Abs. 3 ArbStättV nicht erfasst.

5. Die Versetzung auf eine andere Stelle bedeutet noch nicht, dass der Arbeitnehmer auf dieser tatsächlich eingesetzt wird, da die Versetzung zunächst nur zu einer Neubestimmung des arbeitsvertraglich maßgeblichen Tätigkeitsbereiches und damit einer Neubestimmung der geschuldeten Tätigkeit des Arbeitnehmers führt; da der Arbeitnehmer im Falle einer wirksamen Versetzung unter Verstoß der konkret auszuübenden Tätigkeit gegen anderweitige Vorschriften die Tätigkeitsaufnahme verweigern kann, kommt ein Widerspruchsrecht des Betriebsrats gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG im Hinblick auf § 3 Abs. 3 ArbStättV allein dann in Betracht, wenn von vornherein aufgrund feststehender Gefährdungen feststeht, dass der betreffende Mitarbeiter die Tätigkeit überhaupt nicht wird ausüben können.

6. Eine auf Tatsachen begründete Besorgnis, dass durch eine Versetzung Nachteile für andere Mitarbeiter entstehen (§ 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG), setzt voraus, dass der Betriebsrat hinreichend konkrete Tatsachen vorträgt, damit die Arbeitgeberin deren Berechtigung beurteilen kann; lediglich formelhafte und nicht dem Einzelfall angepasste Begründungen reichen dazu ebenso wenig aus wie eine Zustimmungsverweigerung ohne Angabe konkreter Tatsachen.

7. Hat der Betriebsrat frühere Widersprüche darauf gestützt, dass in der bisherigen Abteilung Konfliktfälle aufgetreten sind und deshalb erhebliche Zweifel an der Sozial- und Führungskompetenz des versetzten Arbeitnehmers bestehen, deren Fortsetzung auch für die Zukunft zu befürchten sind, wird damit lediglich auf Konfliktfälle Bezug genommen, die aus Sicht des Betriebsrats Zweifel an der Führungskompetenz entstehen lassen; ohne konkrete Darlegungen, welcher Art die jeweiligen Konfliktfälle waren und woraus sich diese ergeben hatten, ist die Wertung des Betriebsrats nicht nachvollziehbar.

 

Normenkette

BetrVG § 99 Abs. 4, § 100; ArbStättV § 3; ArbSchG § 5; BetrVG § 99 Abs. 2 Nrn. 1, 3-4, Abs. 3; ArbStättV § 3 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG München (Entscheidung vom 08.06.2011; Aktenzeichen 37 BV 7/11)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Betriebsrats (Beteiligten zu 2.) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 8. Juni 2011 - 37 BV 7/11 wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten auch im Beschwerdeverfahren über die Zustimmungsersetzung zur beabsichtigten Versetzung des Mitarbeiters Dr. S. sowie über die Feststellung der dringenden Erforderlichkeit der vorläufigen Durchführung der Versetzung.

Die Beteiligte zu 1 (nachfolgend: Arbeitgeberin) ist ein Unternehmen, das Sicherheitstechnologie entwickelt und herstellt. Sie beschäftigt in ihrem Betrieb in A-Stadt ca. 2.600 Mitarbeiter. Der Beteiligte zu 2 (nachfolgend: Betriebsrat) ist der im Betrieb in A-Stadt gebildete Betriebsrat.

Am 27.10.2010 schrieb die Arbeitgeberin im Zuge einer Neuorganisation zum 1. Jan. 2011, mit der sie ihr Angebot für sichere mobile Anwendungen in einem Geschäftsbereich "M." zusammenfassen wollte und von der am Standort A-Stadt ca. 500 Mitarbeiter betroffen waren, die Stelle eines Leit...

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