Entscheidungsstichwort (Thema)
Zustimmungsersetzung zur Einstellung eines Arbeitnehmers bei fehlendem Abschluss der Verhandlungen über Betriebsänderung
Leitsatz (amtlich)
Der Betriebsrat kann die Zustimmung zu einer Einstellung nicht mit der Begründung verweigern, diese verstoße gegen §§ 111 f. BetrVG, wenn sie im Rahmen einer Betriebsänderung durchgeführt wird und die Verhandlungen über den Interessenausgleich noch nicht abgeschlossen sind. Die §§ 111 f. BetrVG haben nicht den Zweck, Einstellungen zu verhindern.
Normenkette
BetrVG §§ 99-100, 111, 99 Abs. 1, 2 Nrn. 1-3, Abs. 3 S. 1, Abs. 4, § 111 S. 1, § 112 Abs. 2, § 113 Abs. 3; EGRL 14/2002 Art. 8 Abs. 2 Fassung: 2002-03-11
Verfahrensgang
ArbG München (Entscheidung vom 05.02.2013; Aktenzeichen 17 BV 246/12) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 5.02.2013 - 17 BV 246/12 - wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats (Beteiligter zu 2) zur Einstellung eines Arbeitnehmers sowie über die Erforderlichkeit ihrer vorläufigen Durchführung.
Die Antragstellerin (Arbeitgeberin) ist ein Distributor für Komponenten der Elektronikindustrie.
Im Betrieb in A-Stadt werden Logistikservice- und Produktveredelungsdienstleistungen für die europäische Elektroindustrie erbracht. Der Beteiligte zu 2 ist der dort gebildete Betriebsrat.
Es gibt eine Betriebsvereinbarung "Auswahlrichtlinien für die Einstellung und Versetzung" vom 08.02.2005 (Bl. 54 f d.A.). In dessen § 2 "Auswahlrichtlinien für die Einstellung" heißt es u.a.:
"Alle neu eingerichteten oder zu besetzenden Stellen werden innerbetrieblich ausgeschrieben. Sollten sich C GmbH Mitarbeiter für eine Planstelle innerhalb des Unternehmens interessieren, so können sie sich, sobald eine interne Stellenausschreibung erfolgt ist, bewerben. Bei gleichzeitiger innerbetrieblicher und externer Stellenausschreibung haben Mitarbeiter der Firma bei gleichwertiger fachlicher und persönlicher Qualifikation den Vorrang. Entscheidend für die Auswahl der Bewerber sind ausschließlich die aus den Bewerbungen ersichtlichen Unterlagen, die bisherigen Leistungen sowie das Verhalten und die gewonnen Informationen aus den geführten Bewerbungsgesprächen.
..."
Die Arbeitgeberin errichtete ein neues Lagergebäude, das ca. 100 Meter vom bisherigen Lagergebäude entfernt ist. Mit der Aufnahme des Betriebs in dem neuen Lagergebäude war die Einführung eines weltweit einheitlichen Warehouse Management Systems (WHS) der Unternehmensgruppe der Arbeitgeberin vorgesehen.
Mit rechtskräftigem Beschluss vom 27.04.2012 hat das Arbeitsgericht München in einem Verfahren nach § 98 ArbGG den Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand "Interessenausgleich und Sozialplan wegen Neugestaltung des Lagers" bestimmt (Bl. 142 ff d.A.). In der Einigungsstellensitzung vom 13.12.2012 hat die Arbeitgeberin erklären lassen, dass die Zuständigkeit der Einigungsstelle mit dem im Beschluss des Arbeitsgerichts definierten Regelungsgegenstand nicht mehr in Frage gestellt werde. Die Verhandlungen der Betriebsparteien über einen Interessenausgleich sind am 04.02.2013 gescheitert.
Am 16.04.2012 schrieb die Arbeitgeberin mehrere Stellen für "Mitarbeiter Leitstand MHS (m/w)" aus (Bl. 53 d.A.). MHS steht für Material Handling System. Es gingen interne Bewerbungen der Mitarbeiter F, G und H sowie u.a. die externe Bewerbung von I ein. Der Mitarbeiter F zog seine Bewerbung am 23.05.2012 zurück.
Nach der Durchführung von Bewerbungsgesprächen bat die Arbeitgeberin den Betriebsrat mit Schreiben vom 23.05.2012, das dem Betriebsratsvorsitzenden am 29.5.2012 übergeben wurde, um Zustimmung zur Einstellung von Herrn I (Bl. 57 ff d.A.). Dem Schreiben waren die Stellenausschreibung sowie die der Arbeitgeberin vorliegenden Bewerbungsunterlagen beigefügt.
Mit Schreiben vom 24.05.2012, dem Betriebsrat ebenfalls am 29.05.2012 zugegangen, wurde der Betriebsrat über die vorläufige Durchführung der Einstellung von Herrn I ab dem 01.06.2012 informiert (Bl. 91 ff d.A.). Am 30.05.2012 bestritt der Betriebsrat, dass die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich sei (Bl. 94 ff d.A.).
Mit Schreiben vom 01.06.2012, das der Arbeitgeberin am selben Tag zuging, verweigerte der Betriebsrat seine Zustimmung zur Einstellung. Wegen des Inhalts seines Schreibens wird auf Bl. 87 ff d.A. Bezug genommen.
Die Arbeitgeberin ist der Auffassung, es gebe keinen Grund, die Zustimmung zur Einstellung des Herrn I zu verweigern. Der Betriebsrat sei umfassend über die beabsichtigte personelle Maßnahme informiert worden. Die Einstellung verstoße nicht gegen die Auswahlrichtlinien.
Danach komme es auf eine gleichwertige fachliche und persönliche Qualifikation an, für deren Vorliegen die Ausführungen des Betriebsrats zu pauschal seien. Herr I erfülle die Anforderungen der Stelle am umfassendsten. Er verfüge über eine abgeschlossene Berufungsausbildung als Elektroinstal...