Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufhebung einer personellen Maßnahme nach § 101 BetrVG in Form des Einsatzes von 14 Leiharbeitnehmern

 

Leitsatz (amtlich)

1. Verfahren nach §§ 99 Abs. 4 und 101 BetrVG sind nach dem Hilfswert des § 23 Abs. 3 Satz 2, 2. HS RVG zu bewerten (vgl. Ziff. II.14.2.1 und 14.6 Streitwertkatalog 2018). Dabei ist bei einer Einstellung von bis zu drei Monaten 1/3 des Hilfswertes, von über drei Monaten bis zu sechs Monaten 2/3 des Hilfswertes und von über sechs Monaten der volle Hilfswert anzusetzen.

2. Liegt ein Massenverfahren mit wesentlich gleichem Sachverhalt vor, wird die erste Einstellung mit dem zuvor ermittelten vollen Wert bewertet; die 2. bis 20. Einstellung mit 25 % , die 21. bis 50. Einstellung mit 12,5 % und alle weiteren Einstellungen mit 10 % dieses Wertes (vgl. Ziff. II.14.7 Streitwertkatalog).

 

Normenkette

RVG § 33; BetrVG § 99 Abs. 4, § 101; RVG § 23 Abs. 3 S. 2 2. Hs

 

Verfahrensgang

ArbG München (Entscheidung vom 11.08.2023; Aktenzeichen 41 BV 238/22)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 11.08.2023 - 41 BV 238/22 - teilweise unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen abgeändert und wie folgt gefasst:

Der Gegenstandswert für das Verfahren wird auf 7.083,38 € festgesetzt.

Die Arbeitgeberin hat die Gebühr nach Nr. 8614 der Anlage 1 zum GKG zu zahlen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten stritten über die Aufhebung einer personellen Maßnahme nach § 101 BetrVG in Form des Einsatzes von 14 Leiharbeitnehmern am 22.11.2022. Die streitgegenständlichen Einstellungen erledigten sich durch Zeitablauf. Nach Erledigterklärung der Beteiligten hat das Arbeitsgericht das Verfahren eingestellt.

Mit Beschluss vom 11.08.2023 hat das Arbeitsgericht den Gegenstandswert auf 8.500,- € festgesetzt. Auf der Grundlage des § 23 Abs. 3 RVG hat es für den ersten im Antrag genannten Leiharbeitnehmer 2.000,00 € und für jeden weiteren der 13 Leiharbeitnehmer einen Wert von jeweils 25% des Ausgangswertes von 2.000,00 €, d. h. jeweils 500,00 € berücksichtigt. Der Abschlag vom Hilfswert des § 23 Abs. 3 RVG rechtfertige sich aus der nur kurzen Dauer der Einstellung; insoweit seien 2.000,00 € angemessen. Durch die weiteren Leiharbeitnehmer erhöhe sich der Umfang und die Bedeutung der Rechtssache.

Gegen diesen ihnen am 11.08.2023 zugestellten Beschluss hat die Arbeitgeberin am 23.08.2023 beim Arbeitsgericht Beschwerde eingelegt. Bei der Bemessung des Gegenstandswertes eines Beschlussverfahrens nach § 101 BetrVG sei es angemessen, sich an der Wertermittlungsvorschrift des § 42 Abs. 2 S. 1 GKG zu orientieren. Maßgeblich sei der geschätzte Bruttoverdienst der Leiharbeitnehmer bzw. eine Schätzung des an den Verleiher gezahlten Entgelts. Im vorliegenden Fall ergebe sich deshalb ein Gegenstandswert von 287,60 €.

Die Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats haben die Auffassung vertreten, dass der Gegenstandswert nach § 23 Abs. 3 S. 2 RVG festzusetzen sei. Bei Anträgen nach § 101 BetrVG handele es sich um nichtvermögensrechtliche Streitgegenstände. Es gehe um den Wert des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats, für dessen Wert es keine genügenden tatsächlichen Anhaltspunkte gebe. Der Antrag auf Aufhebung der personellen Maßnahme sei für den ersten Arbeitnehmer mit 2.000,00 € zu bewerten. Da es sich um parallel gelagerte Fälle mit im wesentlich gleichen Sachverhalt handele, sei ein Abschlag von 75% für die weiteren Leiharbeitnehmer je Person angemessen.

Das Arbeitsgericht half der Beschwerde mit Beschluss vom 30.10.2023 nicht ab und legte das Verfahren dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vor.

Das Landesarbeitsgericht räumte den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 24.11.2023, insb. zu seiner Wertberechnung i. H. v. 7.083,38 € ein. Mit Schriftsatz vom 24.11.2023 hat die beschwerdeführende Arbeitgeberin hiermit ihr Einverständnis erklärt.

Die Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats haben keine Stellungnahme abgeben.

II.

Die nach § 33 Abs. 3 S. 1 statthafte Beschwerde ist zulässig (§ 33 Abs. 3 S. 1 und 3 RVG, § 569 Abs. 2 ZPO), aber nur teilweise begründet.

1. Der Wert für den Unterlassungsantrag zu 1) ist mit 7.083,38 € zu bewerten.

a) Für die Bewertung sind nachfolgende Grundsätze maßgeblich:

aa) Die seit dem 01.06.2023 für Gegenstands- und Streitwertbeschwerden zuständige Kammer gibt die von ihr bisher vertretene Auffassung ausdrücklich auf, dass die Entscheidung des Erstgerichts vom Beschwerdegericht nur auf Ermessensfehler zu überprüfen ist und das Beschwerdegericht keine eigene hiervon unabhängige Ermessensentscheidung zu treffen hat (vgl. LAG München, Beschluss vom 06.06.2023 - 3 Ta 59/23 - Rn. 50 f.).

bb) Die Beschwerdekammer folgt im Interesse der bundesweiten Vereinheitlichung der Rechtsprechung zur Wertfestsetzung und damit verbunden im Interesse der Rechtssicherheit und -klarheit bei bestimmten typischen Fallkonstellationen den Vorschlägen der auf Ebene der Landesarbeitsgerichte eingerichteten Streitwertkommission, die im jeweils aktuellen Streitwertka...

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