Entscheidungsstichwort (Thema)

Gegenstandswert für einen Zustimmungsersetzungsantrag

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Entscheidung des Erstgerichts ist vom Beschwerdegericht nicht nur auf Ermessensfehler zu überprüfen. Vielmehr hat das Beschwerdegericht eine eigene hiervon unabhängige Ermessensentscheidung zu treffen. 2. Bei der Bewertung von Verfahren nach den §§ 99 Abs. 4, 100 und 101 BetrVG geht das Beschwerdegericht vom Hilfswert des § 23 Abs. 3 Satz 2, 2. Halbsatz RVG aus (II.14.2.1 Streitwertkatalog).

 

Normenkette

RVG § 23 Abs. 3 S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Augsburg (Entscheidung vom 19.10.2023; Aktenzeichen 4 BV 31/22)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Augsburg vom 19.10.2023 - 4 BV 31/22 - teilweise unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen abgeändert und wie folgt gefasst:

Der Gegenstandswert für das Verfahren wird auf 14.375,10 € festgesetzt.

Die Gebühr nach Nr. 8614 der Anlage 1 zum GKG ist nicht zu erheben.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten stritten um die Zustimmungsersetzung zu Einstellungen von 20 Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer für den Zeitraum September/Oktober 2022 im Umfang von wenigen Tagen oder nur wenigen Stunden als Verkaufskraft nach § 99 Abs. 4 BetrVG und die Feststellung der Dringlichkeit der vorläufigen Einstellungen nach § 100 BetrVG. Die Unterrichtung zu den beabsichtigten Einstellungen erfolgte durch die Anlagen Ast1 und Ast3. Die Zustimmungsverweigerungsgründe waren identisch. Der Beteiligte zu 2) erhob zudem einen Widerantrag über den Umfang der Unterrichtungspflicht im Zusammenhang mit den Anlagen Ast1 und Ast3. Bezüglich der Anträge der Beteiligten zu 1) wurden übereinstimmende Teilerledigterklärungen abgegeben. Der Widerantrag wurde durch Beschluss wegen fehlendem Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO) abgewiesen, weil es sich im Ergebnis um eine im arbeitsgerichtlichen Verfahren unzulässige Fortsetzungsfeststellungsklage handele. Der Beteiligte zu 2) begehre die Feststellung, dass im Rahmen der 20 erledigten personellen Einzelmaßnahmen durch die zur Verfügung gestellten Unterlagen keine ordnungsgemäße Unterrichtung des Beteiligten zu 2) nach § 99 Abs. 2 BetrVG erfolgt sei.

Mit Beschluss vom 19.10.2023 hat das Arbeitsgericht den Gegenstandswert auf 48.125,- € festgesetzt. Auf der Grundlage des § 23 Abs. 3 RVG hat es für den ersten im Antrag genannten Leiharbeitnehmer 5.000,00 € und für jede bzw. jeden der 19 weiteren Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer einen Wert von jeweils 25 % des Ausgangswertes von 5.000,00 €, d. h. 1.250,00 € berücksichtigt. Der Feststellungsantrag zu 2) sei mit dem hälftigen Wert in Ansatz zu bringen. Für den Widerantrag seien weitere 5.000,00 € anzusetzen, da er wirtschaftlich nicht mit dem Antrag zu 1) identisch sei.

Gegen diesen ihr am 02.11.2023 zugestellten Beschluss hat die Beteiligte zu 1) am 16.11.2023 beim Arbeitsgericht Beschwerde eingelegt. Bei der Bemessung des Gegenstandswertes eines Beschlussverfahrens nach §§ 99 ff. BetrVG sei es angemessen, sich am Bruttoverdienst der Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer zu orientieren. Dieser würde sowohl den Umfang und die Schwierigkeit der Angelegenheit als auch die wirtschaftlichen Auswirkungen zutreffend abbilden. Bei insgesamt 470 Stunden für den Einsatz der betreffenden 20 Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer und einem Mindestlohn von 12,00 €/Stunde errechne sich ein Betrag von 5.640,00 €. Der Antrag zu 2) sei mit 50 % des für den Antrag zu 1) festgesetzten Werts anzusetzen. Der Widerantrag sei nicht gesondert zu bewerten, weil die Prüfung der ordnungsgemäßen Unterrichtung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG inzident im Rahmen des Zustimmungsersetzungsantrags erfolge.

Die Verfahrensbevollmächtigte des Beteiligten zu 2) haben die Auffassung vertreten, dass der Gegenstandswert zutreffend festgesetzt worden sei. Das Arbeitsgericht sei den Bewertungsgrundsätzen nach LAG München, Beschluss vom 19.09.2023 - 3 Ta 145/23 - gefolgt.

Das Arbeitsgericht half der Beschwerde mit Beschluss vom 21.02.2024 nicht ab und legte das Verfahren dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vor.

Das Landesarbeitsgericht räumte den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 02.04.2024, insb. zu seiner Wertberechnung i. H. v. 14.375,10 € ein. Mit Schriftsatz vom 27.03.2024 hat die Beteiligte zu 1) hiermit ihr Einverständnis erklärt. Die Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 2) haben auf die bisherigen Ausführungen und die Begründung des erstinstanzlichen Beschlusses verwiesen.

II.

Die nach § 33 Abs. 3 S. 1 statthafte Beschwerde ist zulässig (§ 33 Abs. 3 S. 1 und 3 RVG, § 569 Abs. 2 ZPO), aber nur teilweise begründet.

1. Der Wert für den Zustimmungsersetzungsantrag zu 1) ist mit 9.583,40 € zu bewerten.

a) Für die Bewertung sind nachfolgende Grundsätze maßgeblich:

aa) Die seit dem 01.06.2023 für Gegenstands- und Streitwertbeschwerden zuständige Kammer gibt die von ihr bisher vertretene Auffassung ausdrücklich auf, dass die Entscheidung des Erstgerichts v...

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