Entscheidungsstichwort (Thema)
Festsetzung eines höheren Gegenstandswerts für das Verfahren und den Vergleich zur Berechnung der Anwaltsgebühren
Leitsatz (redaktionell)
1. Im Hinblick auf Gegenstands- und Streitwertbeschwerden kann nicht (mehr) angenommen werden, dass die Entscheidung des Erstgerichts vom Beschwerdegericht nur auf Ermessensfehler zu überprüfen ist und das Beschwerdegericht keine eigene hiervon unabhängige Ermessensentscheidung zu treffen hat.
2. Ein nicht rechtshängig gewordener Weiterbeschäftigungsantrag ist für die Wertfestsetzung nicht berücksichtigungsfähig.
3. Soweit ein Zeugnisrechtsstreit, sei er isoliert oder als Teilbegehren bei objektiver Klagehäufung in einem Kündigungsschutzverfahren geführt, durch Vergleich über die Erteilung des Zeugnisses und dessen Modalitäten beigelegt wird, treffen die Parteien eine Regelung über den Streitgegenstand "Zwischenzeugniserteilung", der keinen Vergleichsmehrwert begründet.
4. Soweit nach dem Interesse der klagenden Partei Zwischen- und Endzeugnis wertidentisch sind, begründen etwaige Begleitangaben bei wirtschaftlicher Betrachtung keinen in einem zusätzlichen Ansatz auszudrückenden wirtschaftlichen Mehrwert.
5. Ein Streit über ein Rechtsverhältnis besteht nicht, wenn die eine Partei als Erste ihre Meinung zu einem bestimmten Punkt äußert und sich nach (begründetem) Widerspruch der Meinung der anderen Partei anschließt.
Normenkette
GKG § 40
Verfahrensgang
ArbG München (Entscheidung vom 04.10.2023; Aktenzeichen 5 Ca 4182/23) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägerinvertreters und unter ihrer gebührenpflichtigen Zurückweisung im Übrigen wird der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 04.10.2023 - 5 Ca 4182/23 - teilweise abgeändert und wie folgt gefasst:
Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit für den Vergleich wird auf 42.406,41 € unter Berücksichtigung eines Vergleichsmehrwerts von 22.230,07 € festgesetzt.
Der Klägerinvertreter hat die Gebühr nach Nr. 8614 der Anlage 1 zum GKG zu tragen.
Gründe
I.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin begehrt im Beschwerdeverfahren die Festsetzung eines höheren Gegenstandswerts für das Verfahren und den Vergleich zur Berechnung seiner Anwaltsgebühren.
Die Parteien stritten im Ausgangsverfahren über einen Kündigungsschutzantrag, allgemeinen Feststellungsantrag, Zwischenzeugniserteilungsantrag sowie über einen Weiterbeschäftigungsantrag, der mit der Formulierung "Sollte die Beklagten im Gütetermin nicht zu Protokoll des Gerichtes erklären, dass... ", eingeleitet worden war. Ohne Durchführung des Gütetermins stellte das Arbeitsgericht gem. § 278 Abs. 6 ZPO einen Vergleich fest, für dessen Inhalt auf Bl. 93 ff. d. A. Bezug genommen wird.
Auf Antrag des Klägerinvertreters hat das Arbeitsgericht München durch Beschluss vom 04.10.2023 - 5 Ca 4182/23 - den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfahren auf 20.176,40 € und für den Vergleich auf 42.406,41 € festgesetzt. Bei der Wertfestsetzung für das Verfahren ließ es den Weiterbeschäftigungsantrag unberücksichtigt, da dieser nicht rechtshängig geworden sei. Für die Aufschlüsselung des Vergleichsmehrwerts wird auf Bl. 116 d. A. Bezug genommen. Die Verschwiegenheitsregelung wurde mit einem Bruttomonatsgehalt bewertet. Die Regelung über die Zeugniserteilung in Ziff. 4 wirke sich nicht werterhöhend aus, weil sich die Parteien bereits im Verfahren über die Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses gestritten hätten. Der Sonderfall, dass mit der Regelung im Vergleich ein Streit zwischen den Parteien beigelegt worden sei, der unabhängig vom vorliegenden Rechtsstreits bestanden habe, sie nicht gegeben.
Gegen diesen, ihm am 07.10.2023 zugestellten Beschluss hat der Klägerinvertreter im eigenen Namen am 11.10.2023 Beschwerde eingelegt und beantragt, den Gegenstandswert für das Verfahren auf 25.220,50 € und für den Vergleich auf insgesamt 57.538,78 € festzusetzen.
Der Weiterbeschäftigungsantrag sei angekündigt gewesen und deshalb zu berücksichtigen. Jedenfalls sei die Festsetzung eines weiteren Bruttomonatsgehalts für die streitige Weiterbeschäftigung der Klägerin nach dem Beendigungszeitpunkt im Rahmen des Gegenstandswerts für den Vergleich angemessen. Die Klägerin habe einen Anspruch auf Wiedereinstellung geltend gemacht, der von der Beklagten abgelehnt worden sei. Mit der Regelung in Ziff. 1.2 des Vergleichs hätte die Klägerin darauf verzichtet.
Die Regelungen über das Zwischen- und Endzeugnis seien nach der Rechtsprechung des LAG München (8 Ta 71/20; 7 Ta 161/22 und 7 Ta 177/22) werterhöhend zu berücksichtigen. Es sei die Bewertung, die Frage, ob eine Hol- oder Bringschuld vorläge und wer die Unterschrift leisten müsse sowie ob der Anspruch auf eine Dankes-, Bedauerns- und Schlussklausel bestehe, streitig gewesen. Eine Werterhöhung begründe sich auch nach der Rechtsprechung der 3. Kammer des LAG München.
Durch Beschluss vom 10.11.2023 hat das Arbeitsgericht München der Beschwerde des Klägerinvertreters nicht abgeholfen und die Beschwerde dem Landesarbeitsger...