Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung bei Einhaltung der Kündigungsfrist und sozialer Gerechtfertigtkeit. Nichtanwendbarkeit des KSchG bei zu geringer Mitarbeiterzahl
Leitsatz (redaktionell)
1. Es steht in der unternehmerischen Freiheit des bisherigen Betriebsinhabers, wie er das in dem Restbetrieb verbliebene Personal, das einem Betriebsübergang widersprochen hat, einsetzt und auch im Einzelfall unter Gehaltsfortzahlung von der Arbeitsleistung freistellt. 2. Entfällt die bisherige Beschäftigungsmöglichkeit eines Arbeitnehmers aufgrund des Betriebnsübergangs und bestehen keine anderen Beschäftigungsmöglichkeiten, liegt allein aufgrund des Widerspruchs regelmäßig ein dringendes betriebliches Erfordernis vor, das eine betriebsbedingte Kündigung sozial rechtfertigen kann.
Normenkette
BGB § 622; KSchG § 23 Abs. 1 S. 3
Verfahrensgang
ArbG München (Entscheidung vom 12.06.2023; Aktenzeichen 33 Ca 7476/22) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 12.06.2023 - 33 Ca 7476/22 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung.
Die am TT.MM.1976 geborene Klägerin war seit dem 11.04.2011 bei der Beklagten, die mehrere Betriebe an mehreren Standorten hat, als Projektleiterin mit einem Bruttomonatsgehalt iHv. zuletzt 9.936,19 € beschäftigt. Seit 2015 war die Klägerin am Standort E-Stadt im Betrieb der Beklagten "E-Stadt G" im sog. Geschäftsbereich Mobility, der sich über mehrere Betriebe und Standorte erstreckte, tätig. Im Betrieb "E-Stadt G" waren weit über zehn Arbeitnehmer beschäftigt und es existierte ein Betriebsrat. In E-Stadt existierte des Weiteren ein sog. Betrieb "E-Stadt F". Im Rahmen einer Umorganisation bei der Beklagten wurden zunächst teilweise Betriebe des Geschäftsbereichs Mobility abgespalten und dann mit Wirkung zum 01.08. 2018 auf die neu gegründete C Mobility GmbH ausgegliedert, wobei teilweise Betriebe der Beklagten auch im Gesamten auf die C Mobility GmbH übertragen wurden. Diese Umorganisation war Gegenstand eines Interessenausgleichs, der zwischen der Beklagten und dem bei ihr gebildeten Gesamtbetriebsrat am 18.05.2018 geschlossen wurde. Zum Inhalt des Interessenausgleichs wird auf Anlage B3 (Bl. 145 ff d.A.) Bezug genommen. Danach wurde vom Betrieb E-Stadt G der Geschäftsbereich Mobility abgespalten als künftiger Betrieb Mobility E-Stadt G (vgl. Ziffer 3.3.1. des Interessenausgleichs = Bl. 149ff d.A.). Im Zuge der Übertragung erfolgte ein Übergang sämtlicher Arbeitsverhältnisse der zuvor im Geschäftsbereich Mobility beschäftigten Arbeitnehmer auf die C Mobility GmbH, wovon auch das Arbeitsverhältnis der Klägerin betroffen war. Nachdem die Klägerin dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses im Jahre 2018 widersprochen hatte, ordnete die Beklagte die Klägerin betriebsorganisatorisch einem sog. "Mobility E- Stadt G Restbetrieb" (im Folgenden: E-Stadt Restbetrieb) zu, ebenso wie weitere 35 Mitarbeiter, die dem Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse ebenfalls widersprochen hatten. Der E-Stadt Restbetrieb war nicht operativ tätig. Sein Geschäftszweck war, die Arbeitnehmer, die dem Betriebsübergang widersprochen hatten, aus dem Restbetrieb heraus im Wege der Versetzung bzw. Änderungskündigung an Fachabteilungen in andere Betrieben, idealerweise dauerhaft, zumindest im Rahmen vorübergehender Projekteinsätze, zu vermitteln. Daneben wurden Möglichkeiten einer einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses geprüft und ggf. verhandelt, alternativ auch Optionen von Eigenkündigungen, Beendigungskündigungen, Renteneintritt oder Altersteilzeit. Die Klägerin war fortan im Wesentlichen unter Gehaltsfortzahlung freigestellt. Sie bewarb sich zwar auf über 60 Stellenangebote der Beklagten, war aber lediglich einige Monate befristet in einem anderen Betrieb der Beklagten im Rahmen eines Projekteinsatzes tätig. Die Zahl der dem E-Stadt Restbetrieb zugeordneten Mitarbeiter reduzierte sich im Lauf der Jahre, durch Vermittlung in andere Geschäftsbereiche der Beklagten oder durch Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis. Zuletzt waren neben der Klägerin noch vier weitere Arbeitnehmer diesem Restbetrieb zugeordnet. Ein Betriebsrat existierte im E-Stadt Restbetrieb nicht. Mit einem Schreiben der Beklagten vom 16.03. 2021 (Bl. 138 -139 d.A.) wurde Herr Dr. F zum "Sprecher der Betriebsleitung MO E-Stadt G Restbetrieb" bestellt. In dem Schreiben stand ua.:
"Die Betriebsleitung hat die Entscheidungsgewalt in allen personellen und sozialen Angelegenheiten für die Arbeitnehmer des MO E-Stadt G Restbetrieb. Abgesehen von örtlichen Besonderheiten hat die Betriebsleitung:
- Die Arbeitgeberfunktion gem. Betriebsverfassungsgesetz (alleiniger Ansprechpartner für den Betriebsrat)
- Die Verantwortung für die Infrastruktur
Die Betriebsleitung [...] hat bezüglich der zu einem Betrieb gehörenden Unternehmenseinheiten die alleinige V...