Entscheidungsstichwort (Thema)
Fristlose Kündigung wegen Vermögensdelikt zu Lasten des Arbeitgebers
Leitsatz (amtlich)
Außerordentliche Kündigung eines als Buchhalter angestellten Betriebsratsvorsitzenden Kündigung mit Zustimmung des Betriebsrats und des Integrationsamts, weil dieser eine Forderung des Arbeitgebers auf Zahlung von EUR 20,00 wegen Verlustes und Neuausstellung einer Zugangskarte zum Betrieb in der Weise selbst umgebucht hat, dass dieser Betrag in zwei Teilbeträge zu je EUR 10,00 aufgeteilt und auf ein anderes Konto als Aufwand des Betriebsrats zu Lasten des Betriebsrats-Budgets gebuche hat. Das Landesarbeitsgericht hat die Kündigung im Gegensatz zum Arbeitsgericht als wirksam angesehen.
Normenkette
BGB § 626; BetrVG § 103; SGB IX § 91
Verfahrensgang
ArbG München (Urteil vom 28.05.2010; Aktenzeichen 31 Ca 18907/09) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 28.05.2010 – 31 Ca 18907/09 – geändert: Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte.
Der Kläger war bei der Beklagten seit 01.09.1987 als kaufmännischer Angestellter im Finanz- und Rechnungswesen/Anlagenbuchhaltung beschäftigt. Er ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 90 und war zuletzt Betriebsratsvorsitzender.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers, der mit Ablauf des 31.01.2010 ohnehin infolge Erreichens des Rentenalters ausgeschieden wäre, fristlos, nachdem der Betriebsrat, der mit Schreiben der Beklagten vom 16.11.2009 um Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen fristlosen Kündigung gebeten wurde, am selben Tage der Kündigung zugestimmt und das Integrationsamt mit Schreiben vom 30.11.2009 auf Antrag der Beklagten vom 13.11.2009 hin mitgeteilt hatte, die Zustimmung gelte nach § 91 Abs. 3 Satz 2 SGB IX als erteilt.
Der Kündigung liegt das Verhalten des Klägers nach Verlust seiner elektronischen Zugangskarte zu den Betriebsräumen im Juni 2009 zugrunde. Bei Erhalt dieser Karte war der Kläger in der Empfangsbestätigung darauf hingewiesen worden, dass für eine Ersatzkarte ein Betrag in Höhe von 20,00 EUR berechnet werde, der zu Lasten des Arbeitnehmers gehe. Nachdem der Kläger eine solche Ersatzkarte erhalten hatte, wurde ihm von der Beklagten unter dem 30.06.2009 ein Betrag in Höhe von 20,00 EUR in Rechnung gestellt und von der zuständigen Mitarbeiterin der Beklagten auf dem Konto 1405 „Diverse Forderungen”, also einem Debitoren-Konto, eingebucht. Nachdem der Kläger Anfang September 2009 vom Personalleiter der Beklagten auf den Rechnungsbetrag angesprochen worden war und Begleichung zugesagt hatte, spaltete er den genannten Betrag am 03.11.2009 in zwei Beträge von jeweils 10,00 EUR auf und nahm eine Buchung dieser Beträge mit der – bei der Beklagten nur für Buchungen im Bereich der Anlagenbuchhaltung, also im Aufgabengebiet des Klägers, verwendeten – Belegart „AA” gegen das Konto 65900 „Übrige Sonstige Personalaufwendung” zu Lasten des Betriebsratsbudgets vor. Dabei verwendete er als Buchungstext das Kürzel „umb.” für „Umbuchung”, wobei allerdings der buchhalterische Vorgang einer „Ausbuchung” entsprach, weil der Berechungsbetrag nicht mehr in der Liste offener Posten als „offen” aufgeführt, sondern auf dem Gegenkonto 65900 – einem Kreditorenkonto – als Aufwand für den Betriebsrat deklariert wurde. Nachdem eine Nachfrage der Personalsachbearbeiterin bei der Buchhaltungs-Sachbearbeiterin am 09.11.2009 ergeben hatte, dass der Rechnungsbetrag noch nicht einbezahlt worden war, wurde eine Kassenprüfung vorgenommen und die vom Kläger durchgeführte „Umbuchung” am 11.11.2009 entdeckt. Hierauf beantragte die Beklagte beim Integrationsamt die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung und beim Betriebsrat am 16.11.2009 dessen Zustimmung zur Kündigung. Der Kläger schickte den Betrag von 20,00 EUR mit Begleitschreiben vom 17.11.2009 an die (damalige) stellvertretende Betriebsratsvorsitzende.
Der Kläger trägt vor, die Umbuchung habe zu seinem Aufgabengebiet gehört. Er habe den Vorgang auch ohne Genehmigung durchführen dürfen. Er habe beabsichtigt, den Betrag zu zahlen, und sei sich nahezu sicher, dass er als Erinnerungsstütze einen gelben Klebezettel an den Rahmen seines PC-Monitors angebracht habe. Die Umbuchung in zwei Teilbeträgen sei darauf zurückzuführen, dass er sich aufgrund seiner eingeschränkten Sehfähigkeit vertippt habe. Weil er zunächst versehentlich 10,00 EUR eingetippt habe, habe er nochmals 10,00 EUR eingegeben, damit der Gesamtbetrag in Höhe von 20,00 EUR zusammenkomme. Bei den von der Beklagten beanstandeten Buchungsvorgängen habe er sich stets im Rahmen seiner Zuständigkeiten bewegt. Auch habe er nichts verheimlicht. Vielmehr habe er durch die Buchung auf die Kostenstelle „Betriebsrat” einen auffälligen Tatbestand gesetzt, der zu Nachforschungen geradezu Anlass gegeben habe....