Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksame beschränkte Mandantenschutzklausel, da kein freier Beruf und fehlendes Standesrecht, keine Karenzentschädigung vereinbart. Wirksamkeit eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ist ohne gleichzeitige Vereinbarung einer Karenzentschädigung gemäß § 138 Abs. 1 BGB unwirksam.
2. Die Rechtsprechung über die Wirksamkeit beschränkter Mandantenschutzklauseln unter Rechtsanwälten ist insoweit nicht übertragbar, da letzteren bereits standesrechtlich das Abwerben von Mandaten untersagt ist.
Normenkette
HGB § 74
Verfahrensgang
ArbG Passau (Entscheidung vom 03.04.2012; Aktenzeichen 4 Ca 1262/10) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Passau - Az.: 4 Ca 1262/10 - vom 03.04.2012 wie folgt abgeändert:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der gegeneinander aufgehobenen Kosten des Teilvergleichs vom 03.04.2012.
II. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung einer Vertragsstrafe.
Der Beklagte war bei der Klägerin, einem Unternehmen für Sicherheitstechnik, in der Zeit vom 01.02.2000 bis zum 31.08.2010 als Fachkraft für Arbeitssicherheit zu einem monatlichen Bruttoentgelt in Höhe von 2.950,- € beschäftigt. Seit seinem Ausscheiden bei der Klägerin ist der Beklagte im Bereich der Sicherheitstechnik selbstständig tätig und betreibt ein DEKRA-Partnerbüro. Im Arbeitsvertrag vom 28.06.2006 war ein Wettbewerbsverbot für die Dauer des Arbeitsverhältnisses sowie auch ein entschädigungslos vereinbartes Wettbewerbsverbot für die Dauer von zwei Jahren nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit einem Vertragsstrafenversprechen in Höhe von mindestens 2.000,- € enthalten.
Im Rahmen eines zwischen den Parteien geführten einstweiligen Verfügungsverfahrens (Az. 3 Ga 9/10) stritten die Parteien über die Unterlassung von Wettbewerbshandlungen durch den Beklagten. In diesem Verfahren schlossen die Parteien am 04.10.2010 einen Vergleich, in dem auch der Streit über die Arbeitgeberkündigungen vom 26.04., 10.05. und 17.06.2010, die Weiterbeschäftigung des Beklagten, Vergütungsansprüche und Vertragsstrafenansprüche der Klägerin wegen Wettbewerbsverstößen des Beklagten erledigt wurden. Dabei trafen die Parteien folgende weitere Vereinbarung:
"5. Der Antragsgegner verpflichtet sich, es bis 30.09.2011 zu unterlassen, sich aktiv in eigener Person um Aufträge von den in der Anlage zu diesem Vergleich aufgelisteten Kunden mit Ausnahme der Firma E., der Firma F., Firma A-Stadt, Firma H., Firma I. A-Stadt und Firma J. A-Stadt zu bemühen. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird eine Vertragsstrafe i. H. v. 2.000,00 Euro vereinbart. Im Übrigen bestehen keine nachvertraglichen Wettbewerbsverbote.
6. Die Antragstellerin verzichtet auf die Geltendmachung von Vertragsstrafen, die bis zum heutigen Tag verwirkt wurden."
Dem Protokoll war eine Auflistung mit 176 Firmen beigefügt, die der Beklagte im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses für die Klägerin betreute.
Soweit für das Berufungsverfahren von Bedeutung stritten die Parteien im Rahmen der ersten Instanz um die Zahlung von Vertragsstrafen in Höhe von je 2.000,- € für Verstöße des Beklagten gegen die Wettbewerbsvereinbarung, die im Vergleich vom 04.10.2010 enthalten war. Die Klägerin war der Auffassung, dass im Vergleich eine entschädigungslos wirksame beschränkte Mandantenschutzklausel vereinbart gewesen sei. Durch die Vereinbarung im Vergleich sei nicht umfassend ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart worden, das nur im Falle der Vereinbarung einer Entschädigung für dieses Wettbewerbsverbot wirksam wäre, sondern lediglich eine geringfügige, entschädigungslos zulässige Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit beinhaltet. Der Beklagte habe sich lediglich nicht aktiv in eigener Person um Aufträge der aufgelisteten Kunden der Klägerin bemühen dürfen. Entgegen der Vereinbarung habe er aber die Firmen K, Autohaus L., Autohaus M., Bäckerei N., Autohaus O. GmbH, P. und Autohaus Q. oHG in der Zeit zwischen dem 04.10.2010 und dem 30.09.2011 abgeworben. Insoweit sei auch kein Umstand ersichtlich, warum die vereinbarte Vertragsstrafe im Einzelfall herabgesetzt werden solle.
Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 14.000,- € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit der jeweiligen Vertragsstrafe zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er war der Auffassung, dass die Vereinbarung in Ziff. 5 des Vergleichs vom 04.10.2010 unwirksam sei. Insoweit könne eine entsprechende Vereinbarung nicht ohne gleichzeitige Vereinbarung einer Entschädigung getroffen werden. Er werde umfassend in seiner Berufsausübungsfreiheit eingeschränkt. Die Vereinbarung sei auch deshalb nicht wirks...