Entscheidungsstichwort (Thema)

Treuwidrigkeit der Erhebung einer Kündigungsschutzklage

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Erhebung einer Kündigungsschutzklage kann nur in besonderen Ausnahmefällen als „venire contra factum proprium” unzulässig sein.

 

Normenkette

BGB §§ 623, 242

 

Verfahrensgang

ArbG München (Urteil vom 26.03.2009; Aktenzeichen 3 Ca 16593/07)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 26. März 2009 – 3 Ca 16593/07 – wird zurückgewiesen.

II. Auf die Anschlussberufung des Klägers wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 26. März 2009 in Zf. 13. abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen weiteren Betrag von 1.738,07 EUR brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.01.2008 zu bezahlen.

III. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über eine ordentliche Arbeitgeberkündigung der Beklagten gegenüber dem Kläger und hiervon abhängige Vergütungsansprüche sowie, mittels Anschlussberufung weiter geltend gemachte, rückständige Vergütungsansprüche des Klägers.

Der am 00.00.1966 geborene und für ein Kind unterhaltspflichtige Kläger war auf der Grundlage eines mündlichen Arbeitsvertrags ab 01.08.2004 bei der Beklagten als Rechtsträgerin des Restaurants „N.” in M. als Serviceleiter mit einer Vergütung von zuletzt 0.000,00 EUR brutto/Monat beschäftigt. Während/nach einer Arbeitsunfähigkeit des Klägers fand am 12.11.2007 ein Gespräch zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer W. der Beklagten in dessen Büro statt, zu dem der anwaltliche Vertreter der Beklagten und deren – erstinstanzlich hierzu als Zeuge vernommener – Prozessbevollmächtigter im vorliegenden Verfahren telefonisch und mittels Lauthörtaste hinzugeschaltet wurde und in dem es um die Frage eines Ausscheidens des Klägers ging. Mit vom 12.11.2007 datierendem und dem Kläger am 13.11.2007 ausgehändigtem Kündigungsschreiben (Anl. K2, Bl. 6 d. A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis „aus betriebsbedingten Gründen fristgerecht zum 31.12.2007”, wobei dem Kläger dort eine Wiedereinstellung zum 01.05.2008 in Aussicht gestellt wurde. Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger die fehlende soziale Rechtfertigung dieser Kündigung und die Weiterzahlung der vertragsgemäßen Arbeitsvergütung bis einschließlich Oktober 2008 sowie – hier im Wege der Anschlussberufung – die Zahlung von Restvergütung für Dezember 2007 geltend, während die Beklagte sich im Wesentlichen darauf beruft, dass die Erhebung der Kündigungsschutzklage treuwidrig sei, da die Kündigung in Absprache mit und auch auf Initiative des Klägers ausgesprochen worden sei; dem Restvergütungsanspruch für Dezember 2007 stehe entgegen, dass dem Kläger hier zulässig eine Beschäftigung im Hotel L. in E. zugewiesen worden sei.

Wegen des unstreitigen Sachverhalts im Übrigen und des streitigen Vorbringens sowie der Anträge der Parteien im Ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand des angefochtenen Endurteils des Arbeitsgerichts München vom 26.03.2009, das dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 03.04.2009 zugestellt wurde, Bezug genommen, mit dem dieses der Feststellungsklage und deshalb auch der Leistungsklage auf Weiterzahlung der Vergütung über den 31.12.2007 hinaus mit der Begründung stattgegeben hat, dass die Erhebung der Kündigungsschutzklage durch den Kläger nicht treuwidrig sei, da die Würdigung der Einvernahme des Prozessbevollmächtigten der Beklagten als Zeugen zum Telefongespräch am 12.11.2007 unter Berücksichtigung der Grundsätze des § 286 Abs. 1 ZPO nicht die erforderliche notwendige und gewisse Sicherheit erbracht habe, dass dort mit dem Kläger eine betriebsbedingte Kündigung abgesprochen worden sei. Der anwaltliche Vertreter der Beklagten habe als Zeuge nicht sicher ausführen können, ob in diesem (Telefon)Gespräch eine ausdrückliche Zustimmung hierzu vom Kläger persönlich oder dem Geschäftsführer der Beklagten als unmittelbarem Gesprächspartner des Zeugen erfolgt und der Kläger während dieses Gesprächsteils überhaupt noch im Raum anwesend gewesen sei. Da die Beklagte keine Gründe für die soziale Rechtfertigung dieser Kündigung vorgetragen habe, seien die Feststellungsklage und damit ohne Weiteres auch die Leistungsklage auf Weiterzahlung der Vergütung über den Kündigungstermin am 31.12.2007 hinaus begründet. Hinsichtlich der weiter geltend gemachten Arbeitsvergütung für Dezember 2007 habe der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung von Annahmeverzugslohn für den Zeitraum vom 12.12. bis 31.12.2007, da er dort nicht in der notwendigen Weise leistungsbereit gewesen sei, weil die Beklagte dem Kläger mit Anwaltsschreiben vom 11.12.2007 einen Arbeitsplatz im Hotel L. im E. angewiesen habe, wozu die Beklagte in Ausübung ihres örtlichen Weisungsrechts berechtigt gewesen sei, zumal der Kläger nach eigenem Sachvortrag bereits dreimal dort tätig gewesen sei – was der Kläger abgelehnt habe.

Hiergegen richten sic...

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