Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags. Änderung der Eingruppierung nach Einführung eines neuen Entgeltrahmentarifvertrags. Tarifliche Eingruppierungssystematik
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Wortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in der tariflichen Norm seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm ermittelt werden können.
2. Die Tarifvertragsparteien können bei Einführung eines neuen Entgeltrahmentarifvertrags die Ersteingruppierung mit tariflichen Vorgaben in einem Einführungstarifvertrag regeln. Damit ist, wie die Auslegung dieses Tarifvertrags ergibt, nicht ausgeschlossen, dass in der Folgezeit die Eingruppierung oder Umgruppierung in eine andere Entgeltgruppe stattfinden kann.
3. Nach den tariflichen Regeln erfolgt die Eingruppierung aufgrund der Anforderungen der gesamten übertragenen Arbeitsaufgabe, wobei zur Bewertung der Arbeitsaufgabe eine ganzheitliche Betrachtung der Anforderungen vorzunehmen ist. Beinhaltet die Arbeitsaufgabe unterschiedliche Anforderungen, so sind die Anforderungen ausschlaggebend, die das Niveau der gesamten Aufgabe prägen.
Normenkette
ERA-TV Metall- und Elektroindustrie § 2 Fassung: 2013-10-09, § 3 Fassung: 2013-10-09; ERA-ETV Metall- und Elektroindustrie § 3 Nr. 1 Fassung: 2005-11-01, Nr. 8 Fassung: 2005-11-01, § 5 Nr. 1 Fassung: 2005-11-01
Verfahrensgang
ArbG München (Entscheidung vom 25.06.2019; Aktenzeichen 16 Ca 13174/18) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 25.06.2019, 16 Ca 13174/18 abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Differenzvergütungsansprüche aufgrund einer von der Klägerin begehrten höheren Eingruppierung.
Die Klägerin war seit dem 15.12.1997 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen am Standort C-Stadt als Assistentin beschäftigt. Der Arbeitsvertrag vom 11.12.1997 / 22.01.1998 (Bl. 82 d. A.) regelt die Anwendbarkeit der Tarifbestimmungen der bayerischen Metallindustrie.
Die Regelungen zu den Entgeltgruppen in II. Grundentgelt §§ 2 und 3 des Entgeltrahmentarifvertrags vom 01.11.2005 für die bayerische Metall- und Elektroindustrie (ERA-TV) i.d. Fassung vom 09.10.2013 lauten auszugsweise wie folgt:
§ 2 Allgemeine Eingruppierungsbestimmungen
1. Die Arbeitnehmer werden nach den folgenden Grundsätzen in eine Entgeltgruppe eingruppiert.
2. Die Eingruppierung erfolgt aufgrund der Anforderungen der gesamten übertragenen Arbeitsaufgabe. Zur Bewertung der Arbeitsaufgabe ist eine ganzheitliche Betrachtung der Anforderungen vorzunehmen.
Anmerkung:
Beinhaltet die Arbeitsaufhabe unterschiedliche Anforderungen, so sind die Anforderungen ausschlaggebend, die das Niveau der gesamten Arbeitsaufgabe prägen. Diese Anforderungen werden im Rahmen einer Gesamtbetrachtung ermittelt. Hierbei sind weder der zeitliche Umfang einzelner Aufgaben noch die Einzelaufgabe mit dem höchsten Niveau allein ausschlaggebend.
3. Die Eingruppierung setzt die Erfüllung der in der Jeweiligen Entgeltgruppe beschriebenen Eingruppierungskriterien voraus.
(I) Eingruppierungskriterien sind fachliche Qualifikation und Handlungsspielraum.
(II) Anforderungen an Einsatzflexibilität, Zusammenarbeit und Kommunikation sind im Rahmen des Kriteriums der fachlichen Qualifikation zu bewerten.
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§ 3 Entgeltgruppen
Entgeltgruppe 5
Es handelt sich um eine Arbeitsaufgabe, die Entscheidungen bei der Arbeitsausführung voraussetzt.
Die Arbeitsaufgabe erfordert Kenntnisse und Fertigkeiten, wie sie in der Regel durch eine einschlägige mindestens dreijährige abgeschlossene Berufsausbildung erworben werden.
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Entgeltgruppe 6
Die Arbeitsaufgabe erfordert Kenntnisse und Fertigkeiten, wie sie in der Regel durch eine einschlägige mindestens dreijährige abgeschlossene Berufsausbildung und fachspezifische Zusatzqualifikation erworben werden.
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Entgeltgruppe 7
Die Arbeitsaufgabe erfordert Kenntnisse und Fertigkeiten, wie sie in der Regel durch eine einschlägige mindestens dreijährige abgeschlossene Berufsausbildung und erweiterte fachspezifische Zusatzqualifikationen erworben werden.
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Entgeltgruppe 8
Die Arbeitsaufgabe erfordert Kenntnisse und Fertigkeiten, wie sie in der Regel durch eine einschlägige mindestens dreijährige abgeschlossene Berufsausbildung und umfangreiche fachspezifische Zusatzqualifikationen erworben werden.
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Entgeltgruppe 9
Es handelt sich um eine Arbeitsaufgabe, die Entscheidungs- und Dispositionsspielraum im R...