Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialplanabfindung
Leitsatz (amtlich)
Einen unternehmensübergreifenden Gesamtbetriebsrat sieht das Betriebsverfassungsgesetz grundsätzlich nicht vor. Es können aber Umstände vorliegen, die ausnahmsweise eine als Gesamtbetriebsrat bezeichnete unternehmensüberschreitende Arbeitnehmervertretung zulassen (hier bejaht, da diese konzerneigene Konzeption für eine Betriebsverfassung seit 1972 praktiziert und von den Gewerkschaften gebilligt wird) – im Nachgang zur Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13. Februar 2007 – 1 ABR 184/06 – AP Nr. 17 zu § 47 BetrVG.
Normenkette
BetrVG § 112
Verfahrensgang
ArbG München (Urteil vom 03.12.2004; Aktenzeichen 37 Ca 23675/03) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin vom 7. Februar 2005 wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 3. Dezember 2004 abgeändert.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 21.686,21 brutto nebst Zinsen in Höhe von 4 % seit dem 1. April 2000 zu bezahlen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Für die Beklagte wird die Revision zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine Abfindung aus dem Sozialplan vom 17. Mai 1999 (Blatt 18 bis 28 der Akte).
Die im November 1964 geborene Klägerin ist seit dem 1. April 1992 bei der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin zuletzt im Service-Zentrum M. als Sachbearbeiterin in der Abteilung telefonischer Schadendienst beschäftigt gewesen. Im Zuge unternehmerischer Umstrukturierungen war ihr zunächst mit der T. AG geschlossenes Arbeitsverhältnis schließlich bei der Beklagten zu 2) unter Beitritt der Beklagten zu 1) – der nunmehr allein Beklagten – geführt worden.
Die Unternehmen der W.-Gruppe, zu denen auch die Beklagte zählte, bildeten jedenfalls ab 1995 mit den Unternehmen der D.-Gruppe unter dem Dach einer Holding einen Konzern.
Am 17. Mai 1999 schlossen die W.-Versicherungen mit dem Gesamtbetriebsrat einen Rahmeninteressenausgleich und einen Sozialplan. Der Rahmeninteressenausgleich enthält u.a. folgende Regelungen:
1. Geltungsbereich
Dieser Rahmeninteressenausgleich gilt für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter … wegen der Maßnahmen im Zusammenhang mit der strategischen Neuausrichtung der Unternehmen. …
2. Ziele und Strukturen
Kern der strategischen Neuausrichtung sind die weitere Umsetzung der Bildung von Geschäftsfeldern (Zielgruppen) … sowie die Nutzung von Synergien …. Der Gesamtbetriebsrat nimmt dabei zur Kenntnis, daß damit eine Reduzierung von Arbeitsplätzen verbunden ist.
Kernelemente der strategischen Neuausrichtung sind die höhere Kundenorientierung und ein konsequentes Kostenmanagement mit folgenden Elementen:
Kundenorientierte Organisation
Neuer Marktauftritt
Opera/Kosten
Kompass
Profit Center Organisation
3. Personelle Maßnahmen
Für die Jahre 1999 bis 2005 ergibt sich der pro Jahr ins Auge gefasste Personalabbau aus dem Ergebnis des Beratungsverfahrens gemäß Ziffer 4. Die Unternehmen verpflichten sich, in einzelnen Teilinteressenausgleichen über eine Überdeckung gegenüber den jeweiligen Jahressollzahlen und über einen Verzicht auf betriebsbedingte Entlassungen … zu verhandeln. …
4. … Beteiligungsverfahren zwischen Unternehmen und Gesamtbetriebsrat
a) Es besteht Einvernehmen darüber, daß die einzelnen Teilmaßnahmen der strategischen Neuausrichtung erst umgesetzt werden dürfen,
wenn Teilinteressenausgleiche i.S. von § 112 BetrVG über die jeweils beschriebenen Teilmaßnahmen zustande gekommen sind, …
Nach Nr. 7 des Rahmeninteressenausgleichs gilt zur Vermeidung oder Milderung möglicher wirtschaftlicher Nachteile der „mit dem Gesamtbetriebsrat abgeschlossene … Sozialplan vom heutigen Tage”.
Der Sozialplan vom 17. Mai 1999 enthält folgende Regelungen:
§ 2 Geltungsbereich
Dieser Sozialplan findet Anwendung auf alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, soweit diese ab 1. Januar 1999 in einem ungekündigten und unbefristeten Arbeitsverhältnis gestanden haben ….
§ 3 Nachteilsausgleich
1. Allgemeine Anspruchsvoraussetzungen
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnis infolge der im Rahmeninteressenausgleich vom heutigen Tage genannten unternehmerischen Maßnahmen endet, sei es durch arbeitgeberseitige (Änderungs-)Kündigung, einen arbeitgeberseitig veranlassten Aufhebungsvertrag oder durch Eigenkündigung nach Erhalt eines Angebots eines unzumutbaren Arbeitsplatzes, erhalten Leistungen, deren Höhe sich entsprechend nachfolgenden Regelungen ermittelt.
Gleichermaßen anspruchsberechtigt sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnis durch betriebsbedingte Beendigungs-/Änderungs-Kündigung endet, auch wenn der Beendigungsgrund nicht im Zusammenhang mit den im Rahmeninteressenausgleich genannten unternehmerischen Maßnahmen steht.
2. Abfindung
…
4. Fälligkeit
Der Anspruch auf die Abfindung entsteht frühestens mit der rechtskräftigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Die Zahlung wird mit dem nächsten Gehaltslauf fällig. …
§ 4 Entfallen der Abfindung bei zumutbarem Arbeitsplatzangebot
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