Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtung, Eigenkündigung des Arbeitnehmers. Anfechtung der Eigenkündigung. Anfechtung wegen Drohung, Kausalität. Anfechtung wegen Drohung, Zeitdruck: Anfechtung wegen Täuschung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Drohung des Arbeitgebers mit der fristlosen Kündigung, falls der eines Stempelbetrugs bezichtigte Arbeitnehmer nicht gestehe, ist nicht kausal für die Eigenkündigung des Arbeitnehmers, wenn der Arbeitgeber im Zusammenhang mit dieser Drohung nicht zur Eigenkündigung aufgefordert oder diese zumindest nahegelegt hat. Die Eigenkündigung kann in einem solchen Fall nicht wirksam wegen rechtswidriger Drohung nach § 123 BGB angefochten werden.
2. Dies gilt z. B. dann, wenn der Arbeitnehmer erst 10 Tage nach dem Gespräch mit den Vertretern des Arbeitgebers, in dem ihm mit der fristlosen Kündigung gedroht worden sein soll, aufgrund eines Gesprächs mit dem Betriebsratsvorsitzenden und dessen Stellvertreter, in dem ihm zur Eigenkündigung geraten wurde, „um Schlimmeres zu verhüten”, auf den Gedanken zur Eigenkündigung gekommen ist.
3. Es berechtigt nicht zur Anfechtung einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers wegen rechtswidriger Drohung nach § 123 BGB, wenn der Arbeitgeber verlangt, dass die Eigenkündigung innerhalb von zwei Stunden vorliegen müsse.
Normenkette
BGB §§ 123, 174
Verfahrensgang
ArbG Augsburg (Urteil vom 17.01.2005; Aktenzeichen 3 Ca 1461/04 D) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen dasEndurteil desArbeitsgerichts Augsburg vom17.01.2005 – 3 Ca 1461/04 D – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Eigenkündigung des Klägers, den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses sowie die vom Kläger begehrte Unterlassung der Erhebung, Bearbeitung oder Nutzung von Zugangsdaten des Klägers zum Werk.
Der bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin seit 01.01.1992 als „Sachbearbeiter Änderungswesen/Dokumentation” beschäftigte Kläger kündigte sein Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 15.03.2004 zum 30.06.2004, nachdem ihm von Seiten der Beklagten in einem am 05.03.2004 im Büro des Leiters der Entgeltabrechnung geführten Gespräch Vorwürfe im Hinblick auf eine unkorrekte Zeiterfassung gemacht wurden, und nachdem dem Kläger bei einem am 15.03.2004 mit dem Betriebsratsvorsitzenden und dessen Stellvertreter geführten Gespräch geraten wurde, die einzige Möglichkeit, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen, sei jetzt eine sofortige Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Kläger selbst, der Betriebsrat werde keinen Widerspruch gegen die Kündigung einlegen. Der Kläger überbrachte seine Kündigung vom 15.03.2004 dem Personalleiter am selben Tag um 16.00 Uhr persönlich, weil dieser zuvor – um 14.30 Uhr – erklärt hatte, eine Eigenkündigung mit Beendigung zum 30.06.2004 werde nur akzeptiert, wenn sie innerhalb von 2 Stunden auf seinem Schreibtisch liege. Mit Schreiben seines jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 18.03.2004 focht der Kläger seine Eigenkündigung wegen „Vorspiegelung eines in Wahrheit nicht gegebenen Kündigungsgrundes sowie wegen widerrechtlicher Drohung” an. Die Beklagte wies die Anfechtung mit Schreiben vom 25.03.2004 wegen Nichtvorlage einer Originalvollmacht zurück, worauf der Kläger seinerseits durch Schreiben seines jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 29.03.2004 die Zurückweisung der Anfechtung ebenfalls wegen Nichtvorlage einer Vollmacht zurückwies.
Der Kläger hat im ersten Rechtszug die Auffassung vertreten, seine Eigenkündigung sei durch wirksame Anfechtung beseitigt worden. Denn die Beklagte habe ihm widerrechtlich mit der fristlosen Entlassung bei Unterlassung der Eigenkündigung gedroht, weil ein verständiger Arbeitgeber in der gleichen Situation eine Kündigung nicht in Erwägung gezogen hätte. Die angedrohte Kündigung habe auf einer betriebsvereinbarungswidrigen und damit unzulässigen Erhebung von Zugangskontrolldaten beruht. Auch stelle es eine widerrechtliche Drohung dar, dass ihm nur eine Überlegungsfrist von 2 Stunden eingeräumt worden sei. Er hat ferner vorgebracht, auch der Anfechtungsgrund der arglistigen Täuschung liege vor, weil die Beklagte ihm einen nicht vorhandenen Kündigungsgrund vorgespiegelt habe, denn die mittels Zugangskontrolle gewonnenen Mitarbeiterdaten hätten nach der einschlägigen Betriebsvereinbarung zur Einführung eines Zutrittskontrollsystems und auch aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht zum Zwecke der Zeitkontrolle erfasst und ausgewertet werden dürfen.
Die Beklagte hat dagegen die Eigenkündigung für wirksam gehalten. Der Kläger habe bei dem Gespräch am 05.03.2004 eingeräumt, dass er gegen 14.30 Uhr das Werk verlassen habe, um seine gebrochene Brille reparieren zu lassen, und erst – nach Rückkehr in das Werk am Abend – um 18.53 Uhr eine Geht-Buchung vorgenommen habe. Auch habe er in diesem Gespräch bestätigt, dass er seit Anfang 2004 des Öfteren frühzeitig das Werk verlassen habe, um später lediglich zur Auslösung einer Geht-Buchung wieder zurückzukehren. Die Beklagte habe wede...