Entscheidungsstichwort (Thema)

Berechnung von Urlaubsentgelt und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Überraschungsentscheidung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Weist das Arbeitsgericht eine Klage mangels Schlüssigkeit ab, stellt dies auch ohne vorherigen Hinweis des Arbeitsgerichts keine Überraschungsentscheidung dar, wenn die Beklagte im Verfahren diesen Mangel ausdrücklich gerügt hat.

2. Ein Beweisantrag, einen Gewerkschaftssekretär zur Auffassung einer tarifschließenden Gewerkschaft zu einer tariflichen Regelung zu vernehmen, ist unzulässig und unbeachtlich.

3. Freischichttage wirken sich auf den Teiler eines Jahresarbeitsverdienstes zur Berechnung eines kalendertäglichen Anspruchs auf Urlaubsentgelt und/oder Entgeltfortzahlung nach dem Manteltarifvertrag Nr. 10 für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Bayern nicht mindernd aus.

 

Normenkette

GG Art. 103; ZPO § 139 Abs. 2, § 373; Manteltarifvertrag Nr. 10 vom 01.08.2006 für die gewerblichen Arbeitnehmer des Wach- und Sicherheitsgewerbes in Bayern

 

Verfahrensgang

ArbG München (Urteil vom 11.12.2007; Aktenzeichen 32 Ca 12089/07)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 19.01.2010; Aktenzeichen 9 AZR 425/09)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen dasEndurteil des Arbeitsgerichts München vom11.12.2007 (Az.: 32 Ca 12089/07) wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Berechnung der Höhe des Anspruchs des Klägers auf Urlaubsentgelt nach auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden tariflichen Bestimmungen.

Der 1965 geborene Kläger ist seit 01.03.1990 bei der Beklagten, die einen Betrieb des Wach- und Sicherheitsgewerbes betreibt, als Sicherheitsfachkraft in der U-Bahn-Bewachung beschäftigt. Er erzielt dabei bei einer regelmäßigen monatlichen Arbeitszeit von 176 Stunden einen Stundenlohn von EUR 14,06 brutto.

Rechtsgrundlage des Arbeitsverhältnisses der Parteien ist ein zwischen ihnen am 20.09.2000 geschlossener Arbeitsvertrag (Bl. 39 bis 41 d. A.), in dem es u. a. wie folgt heißt:

§ 2 Arbeitsvertragliche Grundlagen

2.1 Grundlagen des Arbeitsvertrages sind, soweit nicht in einer vorrangigen Bestimmung Regelungen getroffen worden sind, in nachfolgender Rangfolge: 1. die Bestimmungen des Arbeitsvertrages nebst von dem/der Mitarbeiter/in ausgefülltem Bewerbungsbogen, 2. die Bestimmungen des Verbandstarifvertrages, 3. die im Beschäftigungsbetrieb geltenden Betriebsvereinbarungen.

§ 10 Urlaub

Der jährliche Urlaubsanspruch richtet sich nach den gesetzlichen, tariflichen und betrieblichen Bestimmungen.

Der Kläger arbeitet im 3-Schicht-System regelmäßig vier Tage und hat anschließend zwei Tage frei. In einigen Monaten arbeitet der Kläger auch fünf Tage und hat anschließend zwei Tage frei.

Im Februar 2007 brachte der Kläger vier Tage Urlaub ein. Für diese Tage bezahlte die Beklagte Urlaubsentgelt i.H.v. je EUR 89,24 pro Tag. Im Mai 2007 brachte der Kläger erneut vier Tage Urlaub ein, für den die Beklagte jeweils EUR 90,64 Urlaubsentgelt pro Tag bezahlte. Der Kläger nahm in den Monaten Juni 2007 zehn Tage, August 2007 sechzehn Tage und September 2007 drei Tage Erholungsurlaub, für die die Beklagte im Monat Juni 2007 EUR 91,09, August 2007 EUR 90,25 und September 2007 EUR 89,94 je Urlaubstag leistete.

Der Kläger hat vorgetragen, die Beklagte habe den Urlaubsentgeltanspruch jeweils falsch berechnet. Nach den der Berechnung zugrundeliegenden Regelungen des Manteltarifvertrages Nr. 10 vom 01.08.2006 für die gewerblichen Arbeitnehmer des Wach- und Sicherheitsgewerbes in Bayern errechne sich zwar der Urlaubsentgelt- wie der Lohnfortzahlungsanspruch nach dem Bruttoverdienst der letzten 12 Monate vor Urlaubsantritt bzw. Beginn der Krankheit, den die Beklagte auch jeweils zutreffend ermittelt hat. Auch sind grundsätzlich sowohl das kalendertägliche Urlaubsentgelt wie das Krankengeld mit 1/364 des ermittelten Bruttoarbeitsverdienstes zu errechnen. Der Manteltarifvertrag bestimme jedoch für die Berechnung des Urlaubsentgelts, dass Abwesenheitszeiten ohne bestehenden Lohnanspruch den Divisor um die entsprechende Zahl dieser Tage verkürze. Der Kläger habe aber pro Jahr 100 Freischichttage, für die kein Lohnanspruch bestehe. Diese seien von dem Divisor in Abzug zu bringen, so dass sich das kalendertägliche Urlaubsentgelt nur mit einem Faktor von 1/264 errechne. Dass die Freischichten bei Ermittlung des Divisors abzuziehen seien, ergebe sich sowohl aus dem Tarifwortlaut wie Sinn und Zweck des Tarifvertrags. Für den Monat Februar 2007 ergebe sich daher pro Tag ein Anspruch auf EUR 123,04 und damit eine Differenz von insgesamt EUR 135,20, im Mai 2007 pro Tag ein Anspruch i.H.v. EUR 124,97 und damit eine Differenz von insgesamt EUR 137,32, für Juni 2007 pro Tag ein Anspruch i.H.v. EUR 125,59 und damit eine Differenz von insgesamt EUR 345,00, für August 2007 ein Anspruch i.H.v. EUR 124,43 pro Tag und damit eine Differenz von insgesamt EUR 546,88 und für September 2007 ein Anspruch auf EUR 124,01 pro Tag und damit insgesamt eine Differenz von EUR 102,21.

Der ...

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