Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtigkeitsklage. Widerspruchsausschuss. Integrationsamt. ehrenamtlicher Richter. Vorbefasstheit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein ehrenamtlicher Richter bei den Gerichten für Arbeitssachen ist nicht deshalb kraft Gesetzes von der Ausübung seines Richteramtes gem. § 41 Nr. 6 ZPO ausgeschlossen, weil er an einer Entscheidung des Widerspruchsausschusses an einem Integrationsamt mitgewirkt hat, in dem über einen Widerspruch gegen den Zustimmungsbescheid zur beabsichtigten Kündigung des Klägers zu dessen Lasten entschieden worden ist.

2. Das vorerwähnte Widerspruchsverfahren (§§ 118 Abs. 1 und 119 SGB IX) mündet in ein Verwaltungsgerichtsverfahren (§ 40 VwGO).

Es handelt sich daher zum einen nicht um einen Rechtszug i. S. von § 41 Nr. 6 ZPO und zum anderen bei der Entscheidung dieses Widerspruchsausschusses nicht um eine solche, die im Rahmen der Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen angegriffen werden kann.

3. Eine analoge Anwendung von § 41 Nr. 6 ZPO auf Beschlüsse dieses Widerspruchsausschusses kommt nicht in Betracht. Mit dieser Norm wird der gesetzliche Richter näher bestimmt, was wegen der verfassungsmäßigen Forderung, ihn im Voraus möglichst eindeutig zu bestimmen, ihre ausweitende Anwendung verbietet (vgl. insoweit BGH vom 5. Dezember 1980 – V ZR 16/80 – NJW 1981, 127).

 

Normenkette

ZPO § 41 Nr. 6, § 579 Abs. 1 Nrn. 1-2

 

Tenor

1.Die Klage wird abgewiesen.

2.Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3.Gegen dieses Urteil wird kein Rechtsmittel zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger greift mit einer Nichtigkeitsklage ein Urteil des Landesarbeitsgerichts an, in dem die Berufungen beider Parteien gegen ein arbeitsgerichtliches Endurteil zurückgewiesen worden sind, das einerseits feststellte, sein Arbeitsverhältnis sei nicht durch eine ordentliche Kündigung aufgelöst worden und es andererseits gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst hat.

Das Urteil, das der Kläger angreift, erging auf Grund der Berufungsverhandlung vom 24. Juni 2003. Darin war der Kläger von Anfang an durch Rechtsanwalt S. vertreten. Es sind zunächst die Anträge gestellt worden und danach wurden verschiedene Erklärungen der Parteien zu Protokoll genommen. Nachdem die Kammer sich zum zweiten Mal zur Beratung zurückgezogen und nach ihrer Rückkehr zu erkennen gegeben hatte, dass die mündliche Verhandlung geschlossen werden solle, hat der Kläger erklärt: „Hiermit entziehe ich meinem Rechtsanwalt das Mandat. Ich kann sein Verhalten im Zusammenhang mit dem Schreiben an den Oberbürgermeister D. in keinster Weise billigen.” Daraufhin erklärte sein Prozessvertreter Rechtsanwalt S.: „Ich beantrage, obgleich mir das Mandat entzogen ist, die Aussetzung des Verfahrens zum Zwecke des Schutzes meines früheren Mandanten, damit dieser einen neuen Anwalt suchen kann, der seine Interessen vertritt.” Hierauf wurde ein Beschluss für einen Entscheidungsverkündungstermin verkündet, in dem den Parteien alternativ noch zwei Vergleichsvorschläge unterbreitet worden sind, ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu gewährt wurde und für den Fall, dass kein Vergleich zu Stande käme, erneuter Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 29. Juli 2004 bestimmt wurde.

Bereits mit Schriftsatz vom 10. Juli 2004, am Landesarbeitsgericht noch am selben Tag eingegangen, hatte sich Rechtsanwältin O. für den Kläger bestellt.

Die mündliche Verhandlung wurde nicht wieder eröffnet und, da eine Einigung auf einen der beiden Vergleichsvorschläge zwischen den Parteien nicht zu Stande kam, wurden im Urteil vom 29. Juli 2004 die Berufungen beider Parteien zurückgewiesen und dagegen keine Revision zugelassen. Bei diesem Urteil hat der ehrenamtlicher Richter Z. mitgewirkt, der Vorsitzender des Widerspruchsausschusses beim Integrationsamt bei der Regierung von Oberbayern war, in dem der Widerspruch des Klägers gegen den Zustimmungsbescheid dieses Integrationsamts zu der angegriffenen Kündigung zurückgewiesen worden ist; der Kläger ist nämlich Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 %. Wann dieser Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 2004 dem Kläger zugestellt worden ist, hat er nicht mitgeteilt.

Das Bundesarbeitsgericht hat die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das vorerwähnte Urteil des Landesarbeitsgerichts mit Beschluss vom 24. Juni 2004, der ihm am 19. Juli 2004 zugestellt worden ist, zurückgewiesen.

Am 11. August 2004 ist die Nichtigkeitsklage gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 29. Juli 2003 in den Gerichtseinlauf gelangt.

Der Kläger führt zur Nichtigkeit des landesarbeitsgerichtlichen Urteils aus, diese beruhe zum einen darauf, dass das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen sei, weil dabei der ehrenamtliche Richter Z. mitgewirkt habe, der bereits im Widerspruchsausschuss beim Integrationsamt der Regierung von Oberbayern über seinen Widerspruch gegen den Zustimmungsbescheid der Hauptfürsorgestelle mitgewirkt habe, worin dieser zu seinen Lasten zurückgewiesen worden ist (§ 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO); zum an...

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