Kündigung in der Elternzeit wird bei Aufhebung der behördlichen Zustimmung unwirksam
Eine Arbeitnehmerin nahm im September 2018 eine Tätigkeit als Konditorin, Köchin sowie Küchen- und Servicefachkraft auf. Zu diesem Zeitpunkt war sie bereits schwanger. Ab dem 20. Januar 2019 arbeitete die Mitarbeiterin aufgrund eines individuellen ärztlichen Beschäftigungsverbotes gemäß § 3 MuSchG nicht mehr. Am 6. März 2019 kam ihr Kind zur Welt. Mit Schreiben vom 20. März 2019 beantragte die Arbeitnehmerin bei ihrem Arbeitgeber Elternzeit ab dem 25. Juni 2019.
Zustimmung zur Kündigung während der Elternzeit zunächst erteilt
Der Arbeitgeber stellte beim Landesamt für Gesundheit und Soziales Mecklenburg-Vorpommern (LaGuS) mit Schreiben vom 2. April 2019 den Antrag, die beabsichtigte ordentliche Kündigung der Arbeitnehmerin während der Elternzeit für zulässig zu erklären. In einer an das LaGuS gerichteten E-Mail vom 10. April 2019 warf er der Arbeitnehmerin vor, immer wieder Geld entwendet zu haben und bei ihren Arbeitszeitaufzeichnungen die gewährten Pausen nicht abgezogen zu haben. Mit Bescheid vom 12. Juni 2019 ließ das LaGuS die Kündigung antragsgemäß zu. Gegen diesen Bescheid legte die Arbeitnehmerin am 17. Juni 2019 Widerspruch ein.
Ungeachtet dessen kündigte der Arbeitgeber aufgrund der zunächst erteilten Zustimmung des LaGuS mit Schreiben vom 21. Juli 2019 das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31. August 2019, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin. Dagegen erhob die Arbeitnehmerin Kündigungsschutzklage. Sie machte geltend, die vom LaGuS erteilte Zustimmung sei unwirksam, da sie hierzu nicht angehört worden sei. Der Arbeitgeber habe dem LaGuS lediglich pauschale Vorwürfe mitgeteilt, ohne diese in irgendeiner Weise zu konkretisieren. Die erhobenen Vorwürfe seien völlig haltlos. Sie habe nicht gegen Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verstoßen.
LaGuS nimmt die zunächst erteilte behördliche Zustimmung zurück
Das Arbeitsgericht gab ihrer Klage in erster Instanz statt, der Arbeitgeber legte Berufung ein. Er hielt das Urteil für falsch, weil entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts das Kündigungsschutzgesetz auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung finde, da er regelmäßig lediglich drei bis vier Mitarbeitende beschäftige. Die Zustimmung des LaGuS habe vorgelegen und könne nach Ablauf eines Jahres auch nicht mehr zurückgenommen werden.
Zwischenzeitlich hob das LaGuS am 8. Januar 2021 im Widerspruchsverfahren den ursprünglichen Zustimmungsbescheid vom 12. Juni 2019 auf, da der Arbeitgeber die erhobenen Vorwürfe eines massiven und gravierenden Fehlverhaltens nicht hatte belegen können.
Ordentliche Kündigung wegen fehlender Zustimmung unwirksam
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern bestätigte auch im Berufungsverfahren die Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung. Die Kündigung verstößt gegen § 18 Abs. 1 Satz 3 BEEG. Danach darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit nicht kündigen. Zwar kann in besonderen Fällen ausnahmsweise eine Kündigung für zulässig erklärt werden (§ 18 Abs. 1 Satz 4 BEEG). Eine solche Zustimmung der hierfür zuständigen Behörde lag jedoch nicht (mehr) vor, da diese im Widerspruchsverfahren aufgehoben wurde.
Zwar muss die behördliche Zustimmungserklärung bei Ausspruch der Kündigung noch nicht rechtskräftig sein. Wird der entsprechende Bescheid von der oder dem Beschäftigten durch Widerspruch oder Anfechtungsklage angegriffen, so ist er bis zu einer gegenteiligen Entscheidung als "schwebend wirksam" anzusehen. Wird der Bescheid dann jedoch im Nachgang zur Kündigung aufgehoben, wird die Kündigung damit rückwirkend rechtsunwirksam. Mit der Aufhebung des zunächst erteilten Zustimmungsbescheids im Widerspruchs- oder Klageverfahren fehlt der Kündigung die gesetzlich erforderliche Zustimmung, was ihre Unwirksamkeit zur Folge hat.
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Arbeitsgericht muss nicht auf Verwaltungsgericht-Entscheidung warten
Der Arbeitgeber hatte gegen die Aufhebung des Zustimmungsbescheids Klage beim Verwaltungsgericht Greifswald erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Er war der Ansicht, das Berufungsverfahren müsse ausgesetzt werden, bis eine endgültige Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die Wirksamkeit des Zustimmungsbescheids vorliege. Das sah das LAG jedoch nicht so. Der Rechtsstreit müsse nicht gemäß § 148 Abs. 1 ZPO ausgesetzt werden, da mit einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die Wirksamkeit der Zustimmungserklärung in absehbarer Zeit nicht zu rechnen sei. Aufgrund dessen würde sich das arbeitsgerichtliche Verfahren langfristig, gegebenenfalls über mehrere Jahre, verzögern. Demgegenüber erleide der Arbeitgeber durch die abschließende Entscheidung des arbeitsgerichtlichen Rechtsstreits keine Nachteile, die nicht rückgängig zu machen sind.
Sollte sich in dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren am Ende herausstellen, dass die von der zuständigen Behörde erteilte Zustimmung zur Kündigung zu Unrecht aufgehoben wurde, bestehe die Möglichkeit einer Restitutionsklage gemäß § 580 ZPO. Die Entscheidung des LAG habe jedenfalls die arbeitsrechtlichen Fragen abschließend geklärt. Die Auseinandersetzung zwischen den Arbeitsvertragsparteien um die Wirksamkeit der behördlichen Zustimmungserklärung sei ein rein verwaltungsrechtlicher Rechtstreit, mit dem die Arbeitsgerichte nichts zu tun hätten. Für die Entscheidung der Arbeitsgerichte sei der Sachstand ausschlaggebend, wie er sich zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung darstelle.
Hinweis: Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 11. Mai 2021, Az: 5 Sa 263/20
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