Entscheidungsstichwort (Thema)
Darlehensrückzahlung. Verjährung. Hemmung der Verjährung bei Klagezustellung nach neunzehn Monaten. Zahlungsklage der Arbeitgeberin bei Zustellung an Mitarbeiter im Ausland
Leitsatz (redaktionell)
1. Gemäß § 167 ZPO wird die Verjährung bereits mit Eingang der Klage bei Gericht gehemmt, wenn die Zustellung der Klage demnächst erfolgt.
2. Der in § 167 ZPO verwendete Ausdruck "demnächst" ist nicht allein rein zeitlich zu interpretieren; auch eine erhebliche Verzögerung ist noch nicht unangemessen, wenn die Klägerin um eine alsbaldige Zustellung bemüht war.
3. § 167 ZPO soll diejenige, in deren Interesse die Zustellung erfolgt, vor Verzögerungen schützen, auf die sie keinen Einfluss hat und die ihr demzufolge auch nicht zugerechnet werden können.
4. Sind Verzögerungen im Zustellungsverfahren durch eine fehlerhafte Sachbehandlung des Gerichts oder durch die Unbeholfenheit eines ausländischen Justizbetriebes verursacht, muss sich das die Klägerin nicht zurechnen lassen; selbst mehrmonatige Verzögerungen (hier: 19 Monate) schließen es nicht aus, eine Zustellung noch als demnächst anzusehen.
5. Besondere Maßstäbe sind dann anzulegen, wenn die Zustellung im Ausland zu erfolgen hat, nachdem der Rechtshilfeverkehr ausschließlich Angelegenheit der Justizverwaltung ist.
Normenkette
BGB § 488 Abs. 1 S. 2, §§ 204, § 199 ff., § 195; ZPO § 167; BGB §§ 167, 191 Abs. 1, § 204 Abs. 1 Nr. 1, § 611 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG München (Entscheidung vom 30.03.2010; Aktenzeichen 25 Ca 17901/08) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 30.03.2010 (Az.: 25 Ca 17901/07) wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Bezahlung eines Betrages von € 111.649,94, den die Klägerin als Rückzahlung eines dem Beklagten anlässlich des Arbeitsverhältnisses gewährten Darlehens verlangt.
Der Beklagte war bei der Klägerin seit 01.01.2002 als Projektentwickler beschäftigt. In der Zeit vom 01.01.2003 bis 31.12.2004 war der Kläger Leiter eines Entwicklungsprojekts in Santiago/Chile. Zu diesem Zweck hatten die Parteien einen befristeten Auslandsbeschäftigungsvertrag/Entsendevertrag geschlossen, in dem es unter anderem wie folgt heißt:
§ 4
Vergütung
Herr F. erhält für seine Auslandstätigkeit ein jährliches Bruttogehalt in Höhe von € 127.000,00.
...
In Chile ist Herr F. für die korrekte Versteuerung seiner gesamten Gehaltsbezüge und Nebenleistungen aus diesem Vertrag nach Maßgabe der chilenischen Steuergesetzgebung selbst verantwortlich. Er wird die entsprechende Bestätigung der Steuerbehörden dem Arbeitgeber unaufgefordert vorlegen. Der Arbeitgeber übernimmt die Kosten der jährlichen steuerlichen Beratung über die Versteuerung vorgenannter Bezüge durch einen Steuerberater nach Wahl des Arbeitnehmers.
...
Herr F. erhält einen Dienstwagen. ...
...
§ 12
Weitere Vereinbarungen
...
Sofern Herr F. in der Bundesrepublik Deutschland keinen allgemeinen Gerichtsstand hat, wird München als Gerichtsstand für alle Streitigkeiten vereinbart, die sich in beiderseitigem Einvernehmen nicht klären lassen; sie sind ausschließlich nach deutschem Recht zu entscheiden.
§ 13
Sonstiges
...
Der Arbeitgeber stellt für die Dauer der Entsendung eine Drei- bis Vierzimmerwohnung in einer mittleren Wohnlage, gegebenenfalls in einer seiner Immobilienobjekte.
...
Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Chile besteht kein Doppelbesteuerungsabkommen.
Aus diesem Grund musste der Beklagte seine Einkünfte auch in Chile versteuern.
Am 23.09.2002 schlossen die Parteien daraufhin einen Darlehensvertrag (Bl. 10 - 11 d. A.), in dem es unter anderem wie folgt heißt:
§ 1 Arbeitgeberdarlehen
1. Der Arbeitgeber gewährt dem Mitarbeiter ein unverzinsliches Darlehen. Die Höhe entspricht der abzuführenden Einkommensteuer in Chile für das jeweilige Kalenderjahr.
Für das Jahr 2002 werden für die Monate Januar bis August € 20.649,94 gewährt; zahlbar Ende August 2002. Ab dem Monat September ein Betrag von monatlich € 3.250,00. ...
...
3. Das Darlehen wird für die Dauer gewährt, in der der Mitarbeiter nach Chile entsandt ist. Sollte zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Chile ein Doppelbesteuerungsabkommen geschlossen werden, endet die Darlehenszahlung mit dem Vormonat ab dem eine Freistellungsbescheinigung vom Finanzamt vorliegt.
§ 2 Rückzahlung des Darlehensbetrages
1. Die Rückzahlung des Darlehens erfolgt für das jeweils abgelaufene Kalenderjahr.
Die Rückzahlung hat acht Tage nach Zugang des deutschen Einkommensteuerbescheides für das abgelaufene Kalenderjahr zu erfolgen, spätestens jedoch zum 30.09. des Folgejahres.
...
Die Klägerin zahlte daraufhin an den Beklagten für das Jahr 2002 € 33.649,94 und für die Jahre 2003 und 2004 jeweils € 39.000,00 aus.
Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete zum 31.12.2004. Nach einer Mitteilung der Stadt H. vom 29.03.2007 (Bl. 13 d. A.) verfügt der Beklagte über keinen Wohnsitz ...