Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung von Tarifnormen. Keine Befristung des Jahresurlaubs auf das Kalenderjahr durch die tarifliche Regelung. Schlüssige Fassung des Branchentarifvertrages bezüglich eines nicht von vornherein befristeten Urlaubsanspruchs
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Kommen mehrere Auslegungsergebnisse in Betracht, gilt diejenige Tarifauslegung, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt.
2. Ein tariflicher Urlaubsanspruch erlischt nicht am Ende des Kalenderjahres, wenn der Urlaub "für das laufende Kalenderjahr" gewährt wird. Die umstrittene Tarifnorm enthält keine Hinweise auf einen stringenten Zusammenhang zwischen dem Jahresurlaub und einem von vornherein auf das Ende des Kalenderjahres befristeten Anspruch.
3. Die Möglichkeit einer Urlaubsgewährung im Vorgriff auf das Folgejahr belegt keinesfalls den Willen der Tarifvertragsparteien, den Grundsatz der Befristung des Urlaubs auf das Kalenderjahr in die tarifliche Regelung zu integrieren.
Normenkette
MTV für die privaten und öffentlichen Banken § 15; BUrlG §§ 7, 1, 13 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG München (Entscheidung vom 11.04.2018; Aktenzeichen 36 Ca 9795/17) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 11.04.2018 - 36 Ca 9795/17 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten noch über die Zahlung einer Abgeltung für zehn Tage nicht genommenen Urlaubs.
Der im Juni xxxx geborene Kläger war vom xxxx bis xxxx bei dem beklagten Verband beschäftigt.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet das Tarifwerk für die privaten und öffentlichen Banken Anwendung. Der Manteltarifvertrag für die privaten und öffentlichen Banken (im Folgenden auch: MTV Banken) enthält in §15 zum Erholungsurlaub folgende Regelungen:
..."
§ 15 Erholungsurlaub
1. Der Erholungsurlaub wird für das laufende Kalenderjahr gewährt.
Er beträgt- unabhängig von individuellen Arbeitszeitschwankungen- 30 Arbeitstage. Als Arbeitstage gelten alle Werktage mit Ausnahme der Sonnabende.
2. Schwerbehinderte haben Anspruch auf einen Zusatzurlaub von 6 Arbeitstagen im Jahr.
3. Im Verlauf des Kalenderjahres eintretende oder ausscheidende Arbeitnehmer erhalten für jeden Beschäftigungsmonat, in dem sie mindestens 15 Kalendertage dem Betrieb angehört haben, 1/12 des vollen Jahresurlaubs, aufgerundet auf volle Arbeitstage.
4. Der Erholungsurlaub soll unter möglichster Berücksichtigung der Wünsche jedes einzelnen Arbeitnehmers, der Familienverhältnisse und der Schulferien, erteilt werden.
Er soll in größere Abschnitte aufgeteilt werden, von denen einer mindestens 3 Wochen umfasst.
5. Arbeitnehmern im ungekündigten Arbeitsverhältnis können im Dezember in begründeten Fällen bis zu 5 Urlaubstage im Vorgriff auf das Folgejahr gewährt werden.
6. Kann der Erholungsurlaub nicht mehr vor dem Ausscheiden gewährt werden, so ist er durch Zahlung eines entsprechenden Gehaltsteils (1/21 des Monatsgehalts für jeden Arbeitstag) abzugelten.
7. Aus anderen Gründen darf der Erholungsurlaub nicht durch Zahlung abgegolten werden. Während des Erholungsurlaubs darf der Arbeitnehmer keine dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit leisten. Handelt er dieser Bestimmung zuwider, so entfällt der Anspruch auf Gehaltszahlung für diese Urlaubstage. Bereits gezahlte Gehaltsbezüge sind zurückzuerstatten.
8. Das Fernbleiben in Folge Krankheit darf nicht auf den Erholungsurlaub angerechnet werden.
9. Günstigere gesetzliche Regelungen bleiben unberührt.
.../
Ab dem 01.01.2014 wurde das Arbeitsverhältnis auf der Grundlage eines Altersteilzeitvertrages durchgeführt. Die Parteien hatten das sogenannte Blockmodell vereinbart. Die Arbeitsphase wurde danach vom 01.01.2014 bis 30.09.2015 geleistet, wofür eine Vergütung von Euro 3.500,65 brutto bezahlt wurde. Daran anschließend folgte die Freistellungsphase vom 01.10.2015 bis zum 30.06.2017, der Kläger erhielt in dieser Zeit monatlich Euro 3.318,80 brutto und ab Juni 2017 Euro 3.500,65 brutto.
Im Jahr 2015 war der Kläger im Zeitraum vom 27.07.2015 bis 30.09.2015 arbeitsunfähig erkrankt. Im Zeitpunkt des Eintritts in die Freistellungsphase der Altersteilzeit am 01.10.2015 bestand ein noch nicht erfüllter Urlaubsanspruch des Klägers von 22 Urlaubstagen für das Jahr 2015.
Mit E-Mail vom 13.10.2015 verlangte der Kläger vom Beklagten die "Bezahlung" von 22 Urlaubstagen. Nach Ablehnung durch den Beklagten machte der Kläger sein Verlangen nach Urlaubsabgeltung im Klagewege geltend. Mit Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 15.12.2016 - 13 Ca 6905/16 - wurde die Klage als unzulässig abgewiesen.
Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhob der Kläger erneut am 07.09.2017 Klage auf Zahlung einer Urlaubsabgeltung für 22 Tage in Höhe von 6.012,67 € brutto.
Der Kläger hat v...