Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfall von tariflichem Mehrurlaub. Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers beim Verfall von tariflichem Urlaub. Anforderungen an Mitwirkungspflichten des Arbeitgebers aus Transparenzgründen
Leitsatz (redaktionell)
1. Der restliche Urlaubsanspruch ist gemäß § 17 Abs. 9 S. 1 MTV DTS zum 31.12.2019 nicht untergegangen, sondern wurde gemäß § 17 Abs. 9 S. 2 MTV DTS wegen in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen auf das nächste Kalenderjahr übertragen. Denn bis zum 31.12.2019 bestand Arbeitsunfähigkeit.
2. Der Urlaubsanspruch ist mangels Nachweis der Mitwirkungsobliegenheiten, die auch beim tariflichen Mehrurlaub gelten, durch den Arbeitgeber nicht verfallen. Denn dieser muss den Arbeitnehmer auffordern, einen konkreten Urlaub in einem bestimmten Jahr zu nehmen (völlige Transparenz).
Normenkette
BUrlG § 7 Abs. 3; MTV DTS § 17 Abs. 13, 9; BUrlG §§ 1, 3 Abs. 1, § 7 Abs. 1; ZPO § 97 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 27.04.2021; Aktenzeichen 4 Ca 1722/20) |
Tenor
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf restlichen übertariflichen Urlaub aus dem Jahr 2019.
Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 1. Dezember 2012 am Standort C-Stadt beschäftigt. Er arbeitet regelmäßig an fünf Arbeitstagen pro Woche.
Kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit der Parteien findet auf das Arbeitsverhältnis ua. der Manteltarifvertrag für die C. (Bl. 45 ff. d. A, im Folgenden MTV DTS) Anwendung, der auszugsweise wie folgt lautet:
§ 17
Erholungsurlaub
(1) Der Arbeitnehmer hat für jedes Kalenderjahr Anspruch auf einen Erholungsurlaub unter Zahlung des Urlaubsentgelts nach Absatz 18.
(2) Das Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr.
(3) Im Eintrittsjahr hat der Arbeitnehmer für jeden angefangenen Beschäftigungsmonat einen Anspruch auf 1/12 des Jahresurlaubs. ... Der Anspruch auf ein Urlaubszwölftel setzt voraus, dass das Arbeitsverhältnis mindestens 1 Monat bestanden hat. Der Arbeitnehmer kann den Erholungsurlaub für das Eintrittsjahr frühestens nach sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses, spätestens aber im Dezember geltend machen.
(4) Der Anspruch auf den vollen Jahresurlaub entsteht erstmals für das auf das Eintrittsjahr folgende Urlaubsjahr, sobald das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers 6 Monate bestanden hat.
(5) Im Austrittsjahr hat der Arbeitnehmer für jeden angefangenen Beschäftigungsmonat im Betrieb Anspruch auf 1/12 des Jahresurlaubs.
...
(7) Bruchteile von Urlaubstagen von 0,5 an aufwärts sind auf volle Urlaubstage aufzurunden, Bruchteile darunter entsprechend abzurunden.
...
(9) Der Erholungsurlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Erholungsurlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche Gründe oder in der Person Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Falle der Übertragung muss der Erholungsurlaub bis spätestens 31. März des folgenden Kalenderjahres angetreten werden.
...
(12) Kann der Erholungsurlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten. Dies gilt nicht für den Teil des Urlaubsanspruchs, der über den des Bundesurlaubsgesetzes hinausgeht, wenn der Arbeitnehmer durch eigenes Verschulden aus einem Grunde entlassen worden ist, der eine fristlose Kündigung rechtfertigt oder er das Arbeitsverhältnis unberechtigt vorzeitig gelöst hat und in diesen Fällen eine grobe Verletzung der Treuepflicht aus dem Arbeitsverhältnis vorliegt.
(13) Der Jahresurlaub beträgt 30 Arbeitstage. Arbeitstage sind alle Kalendertage von Montag bis Freitag mit Ausnahme der gesetzlichen Feiertage.
...
(15) Die Dauer des Erholungsurlaubs vermindert sich für jeden vollen Kalendermonat einer Freistellung von der Arbeit ohne Fortzahlung des Entgelts um ein Zwölftel.
...
(18) Als Urlaubsentgelt für den Erholungsurlaub gilt
a) das Monatsentgelt,
b) für jeden Arbeitstag des Urlaubs (Abs. 13) 1/65 der für die jeweils vorhergehenden drei Kalendermonate zu zahlende Beträge für Zuschläge (§ 16).
Vom Jahresurlaub 2019 gewährte die Beklagte dem Kläger in 2019 auf Antrag 23 Urlaubstage. Die restlichen sieben Urlaubstage konnte der Kläger im Jahr 2019 nicht nehmen, weil er bis zum 31. Dezember 2019 arbeitsunfähig erkrankt war. Auch im Anschluss war der Kläger durchgehend bis April 2020 arbeitsunfähig erkrankt. Ab Mai 2020 war der Kläger wieder arbeitsfähig und hat seine Arbeitsleistung - mit Ausnahme gelegentlicher Kurzerkrankungen - erbracht.
Der Kläger hat nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung am 11. September 2020 mit am 16. November 2020 beim Arbeitsgericht Ludwigshafen eingegangenem Schriftsatz vom 10. November 2020 Klage auf Gutschrift von sieben Urlaubstagen aus dem Jahr 2019 auf sein Urlaubskonto erhoben.
Er hat erstinstanzlich im Wesentl...