Entscheidungsstichwort (Thema)

Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. 80 % oder 100 %

 

Leitsatz (amtlich)

Nach § 3 des Manteltarifvertrag vom 23.01.1987 für die Arbeiter der Lederwaren-, Kunststoffwaren-, Koffer- und Sportartikelindustrie in der Bundesrepublik Deutschland hat der Arbeitnehmer bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung in Höhe von 100 %.

 

Normenkette

EFZG § 4 Abs. 1 S. 1 n.F.

 

Verfahrensgang

ArbG Passau (Urteil vom 31.07.1997; Aktenzeichen 3 Ca 1968/96)

 

Tenor

1. Die Berufungen der Kläger/Klägerinnen gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Passau vom 31.07.1997 – 3 Ca 1968/96 – werden auf Kosten der Kläger/Klägerinnen zurückgewiesen.

2. Die Revision wird für die Kläger/Klägerinnen zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle.

Die elf Kläger/Klägerinnen sind bei der Beklagten als gewerbliche Arbeitnehmer beschäftigt.

Auf die Arbeitsverhältnisse finden jeweils kraft beiderseitiger Tarifbindung und kraft einzelvertraglicher Inbezugnahme die Bestimmungen des Manteltarifvertrages vom 23. Januar 1987 für die Arbeiter der Lederwaren-, Kunststoffwaren-, Koffer- und Sportartikelindustrie in der Bundesrepublik Deutschland, gültig ab 1. Januar 1987 (Manteltarifvertrag) Anwendung.

§ 3 Manteltarifvertrag regelt die Ansprüche bei Arbeitsausfall, Krankheit, Tod und sonstigen Ereignissen und enthält in Ziffer 2.1 folgende Bestimmung:

Arbeitsunfähige Kranke erhalten gegen Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung über ihre Arbeitsunfähigkeit gemäß den Bestimmungen des Gesetzes über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle ihr Arbeitsentgelt bis zur Dauer von sechs Wochen weiter (siehe Anhang 3).

Beruht die Arbeitsunfähigkeit auf einem von der Berufsgenossenschaft anerkannten Betriebsunfall – ausgenommen sind Wegeunfälle –, so erhält der Arbeitnehmer den Unterschiedsbetrag zwischen Krankengeld und 100% des Nettolohnes bis zum Ende der achten Woche der Arbeitsunfähigkeit, jedoch nicht über die Dauer des Arbeitsverhältnisses hinaus.

Der Erkrankung infolge eines Arbeitsunfalles steht die erstmalig festgestellte Erkrankung an einer entschädigungspflichtigen Berufskrankheit gleich. Der Arbeitnehmer hat der Betriebsleitung von der Berufserkrankung unverzüglich, das heißt ohne schuldhaftes Zögern, Mitteilung zu machen.

Der „Anhang” zu diesem Tarifvertrag steht unter dem Eingangssatz

„Die nachstehend auszugsweise abgedruckten Gesetzestexte sollen die Benutzung erleichtern und sind nicht Bestandteil des Tarifvertrages”.

Im Anhang sind abgedruckt Auszüge aus der Arbeitszeitordnung (AZO) in der Fassung vom 10. März 1975 (Anhang 1), Gesetz zur Regelung der Lohnzahlung an Feiertagen in der Fassung vom 18. Dezember 1975 (Anhang 2), Gesetz über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle (Lohnfortzahlungsgesetz) in der Fassung vom 18. Dezember 1975 (Anhang 3), Gesetz zum Schutze der arbeitenden Jugend (Jugendarbeitsschutzgesetz – JAarbSchG) in der Fassung vom 12. April 1976 (Anhang 4), Gesetz über die Gewährung von Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub (Bundeserziehungsgeldgesetz – BErzGG) in der Fassung vom 6. Dezember 1985 (Anhang 5), Heimarbeitergesetz (HAG) in der Fassung vom 29. Oktober 1974 (Anhang 6), Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in der Fassung vom 28. August 1975 (Anhang 7), Gesetz zur Sicherung der Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft (Schwerbehindertengesetz – SchwbG) in der Fassung vom 8. Oktober 1979 (Anhang 8) sowie Gesetz zum Schutze der erwerbstätigen Mutter (Mutterschutzgesetz – MuSchG) in der Fassung vom 6. Dezember 1985 (Anhang 9).

Die Kläger/Klägerinnen waren in der Zeit von Oktober 1996 bis Januar 1997 zu unterschiedlichen Zeiten jeweils arbeitsunfähig erkrankt und haben für diese Krankheitszeiten jeweils 80% ihres Arbeitsentgelts fortgezahlt erhalten. Sie beanspruchen mit den vorliegenden Klagen jeweils die Differenzbeträge zur vollen Entgeltfortzahlung in unbestrittener Höhe.

Die Kläger/Klägerinnen sind der Ansicht, sie hätten auch nach Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung des Entgeltfortzahlungsgesetzes Anspruch auf Entgeltfortzahlung in voller Höhe, weil die tarifliche Regelung insoweit konstitutiv sei.

Die Kläger/Klägerinnen haben erstinstanzlich beantragt:

die Beklagte zu verurteilen,

an die Klägerin zu 1)

DM 181,44 brutto,

an die Klägerin zu 2)

DM 63,99 brutto,

an den Kläger zu 3)

DM 314,34 brutto,

an den Kläger zu 4)

DM 162,24 brutto,

an den Kläger zu 5)

DM 127,47 brutto,

an den Kläger zu 6)

DM 104,36 brutto,

an die Klägerin zu 7)

DM 431,26 brutto,

an die Klägerin zu 7)

DM 948,91 brutto,

an die Klägerin zu 8)

DM 644,93 brutto,

an den Kläger zu 10)

DM 85,01 brutto und

an die Klägerin zu 11)

DM 253,56 brutto,

jeweils zuzüglich 4%- Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat um Klageabweisung gebeten.

Sie ist der Ansicht, es handle sich im Tarifvertrag lediglich um eine deklaratorische Verweisung, so daß die gesetzliche Regelung gelte. Etwas anderes ergeb...

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