Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziale Auswahl nach Widerspruch gegen Betriebsübergang
Leitsatz (amtlich)
Hat der Arbeitnehmer im Falle der rechtsgeschäftlichen Veräußerung eines Betriebsteils dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber (§ 613a Abs. 1 BGB) widersprochen, so kann er sich bei der betriebsbedingten Kündigung durch den Veräußerer nur dann auf die Verletzung der sozialen Auswahl berufen, wenn für seinen Widerspruch objektiv vertretbare Gründe vorliegen (im Anschluß an Urteil des BAG vom 7.4.1993 – 2 AZR 449/91).
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 3 S. 1; BGB § 613a
Verfahrensgang
ArbG München (Urteil vom 12.07.1995; Aktenzeichen 29 Ca 19443/94) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 12.7.1995 – 29 Ca 19443/94 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen, betriebsbedingten Kündigung im Zusammenhang mit der Veräußerung eines Betriebsteiles.
Die Beklagte ist ein Großunternehmen der Luft- und Raumfahrt mit mehr als 5.000 Arbeitnehmern. An ihrem Hauptstandort unterhielt sie eine hauseigene Druckerei- und Fotokopierabteilung mit 20 Arbeitnehmern. Dort war der 1947 geborene Kläger, dessen erlernter Beruf Buchdrucker ist, seit 15.7.1974 zuletzt als stellvertretender Leiter der Druckerei beschäftigt und erzielte zuletzt einen Monatsverdienst von DM 6.100,– brutto.
Im Jahr 1994 veräußerte die Beklagte ihre komplette Druckerei- und Fotokopierabteilung mit Wirkung ab 1.1.1995 an eine Firma Kriechbaumer. Dabei handelt es sich um ein in einem Nachbarort zum Standort der Beklagten ansässiges Druckereiunternehmen mit mehr als 30 Beschäftigten. Das Unternehmen ist seit 1961 Mitglied im Verband der Bayerischen Druckindustrie e.V. und wendet in seinem Betrieb die tariflichen Regelungen der Bayerischen Druckindustrie an.
Die Beklagte hatte am 20.5.1994 aus Anlaß der Übertragung der hauseigenen Druckerei auf die Firma Kriechbaumer mit ihrem Betriebsrat einen Interessenausgleich vereinbart, der unter anderem sicherstellte, daß die Firma Kriechbaumer in alle Arbeitsverhältnisse der bisherigen Druckereiabteilung eintreten sollte und der weitere Modalitäten zugunsten der betroffenen Arbeitnehmer festlegte. Dieser Interessenausgleich wurde von der Betriebserwerberin am 20.7.1994 unterschriftlich akzeptiert.
Mit Schreiben vom 14.10.1994 unterrichtete die Beklagte den Kläger und die übrigen betroffenen Mitarbeiter über die Veräußerung der Druckereiabteilung und den Übergang der Arbeitsverhältnisse per 1.1.1995. Dem Schreiben war ein Merkblatt für die Arbeitnehmer beigefügt und eine Gegenüberstellung der tariflichen Leistungen nach den Manteltarifverträgen der Metallindustrie bzw. der Druckindustrie.
Mit Schreiben vom 14.11.1994, bei der Beklagten eingegangen am 18.11.1994, widersprach der Kläger mit zwei weiteren Arbeitnehmern dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Firma Kriechbaumer.
Mit Schreiben vom 8.12.1994 unterrichtete die Beklagte den Betriebsrat über die beabsichtigte ordentliche Kündigung des Klägers wegen fehlender Weiterbeschäftigungsmöglichkeit. Der Betriebsrat widersprach mit Schreiben vom 13.12.1994 der beabsichtigten Kündigung. Gleichwohl kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 14.12.1994 das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 31.3.1995.
Mit seiner beim Arbeitsgericht München am 21.12.1994 eingereichten Klage hat der Kläger die Feststellung begehrt, daß sein Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 14.12.1994 nicht aufgelöst sei, und hat im übrigen seine Weiterbeschäftigung begehrt. Er hat geltend gemacht, daß die Beklagte zu Unrecht keine soziale Auswahl vor der Kündigung getroffen habe und insoweit auch den Betriebsrat unvollständig unterrichtet habe, weshalb die Kündigung sozial ungerechtfertigt und unwirksam sei.
Das Arbeitsgericht München hat mit Endurteil vom 12.7.1995 die Klage kostenpflichtig abgewiesen. Das Arbeitsgericht hat die Auffassung vertreten, daß die Betriebsratsanhörung ordnungsgemäß gewesen sei, weil die Beklagte den Betriebsrat über die aus ihrer Sicht maßgeblichen Umstände informiert habe. Dazu gehöre auch ihre Auffassung, daß infolge des Widerspruchs des Klägers gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Firma Kriechbaumer eine Sozialauswahl nicht in Frage gekommen sei. Die Kündigung sei auch sozial gerechtfertigt, weil ein freier Arbeitsplatz bei der Beklagten nicht vorhanden gewesen sei und die Beklagte eine Sozialauswahl nicht habe treffen müssen, weil der Kläger ohne sachlichen Grund dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Betriebserwerberin widersprochen habe.
Gegen das ihm am 28.7.1995 zugestellte Urteil, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe wegen des sonstigen Sach- und Streitstandes erster Instanz und der rechtlichen Erwägungen des Erstgerichts im einzelnen Bezug genommen wird, hat der Kläger am 28.8.1995 Berufung einlegen und ...